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Bergtheim
Der Hamster fühlt sich im Norden wohl
Landwirte wollten wissen, was sie tun können, damit sich die Feldhamster-Population erholen kann - und erfuhren, dass sie "nebenbei" noch anderen Tieren helfen können.
Die siebenjährige Finja war beim Rundgang über die Felder dabei und hat mit Plüsch-Hamsterfiguren gespielt, wie sich Hamster im Getreide-Stoppelfeld verhalten. Foto: Irene Konrad
| Die siebenjährige Finja war beim Rundgang über die Felder dabei und hat mit Plüsch-Hamsterfiguren gespielt, wie sich Hamster im Getreide-Stoppelfeld verhalten. Foto: Irene Konrad
Irene Konrad
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:55 Uhr

Vor 50 Jahren hätte niemand in Bergtheim gedacht, dass Feldhamster einmal vor dem Aussterben bedroht sind. Damals, zwischen 1960 und 1980, besserten sich Jungs mit dem Aufstellen von Hamsterfallen und dem Verkauf der Tiere an einen Pelzhändler ihr Taschengeld auf. Nun braucht es Feldhamster-Hilfsprogramme.

Bei einer Exkursion in der Bergtheimer Flur westlich der B 19 Richtung Erbshausen waren nun rund Frauen und Männer dabei. Einige von ihnen beschäftigen sich beruflich mit dem Feldhamsterschutz, andere wie Tobias Sauer und Martin Schneider sind örtliche Landwirte und wieder andere wollten wissen, woher der aktuelle Hype um den Feldhamster kommt.

Wenn man mit den Feldhamstern aufgewachsen ist und "bekennender Hamsterjäger war", kann man kaum begreifen, warum er nun bei der Ausweisung neuer Baugebiete umgesiedelt wird. Warum bekommen Bauern Geld, wenn sie Getreidestreifen, Ackerbohnen oder Erbsen später ernten? Und weshalb wird der Feldhamster als "UrEinwohner Bayerns" vom Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert?

Größte Population im nördlichen Landkreis Würzburg

In Bayern gibt es Feldhamster nur noch in Mainfranken mit kleinen Ausstrahlungen nach Mittelfranken. Die Tiere sind bedroht und streng geschützt. Die größte Population ist im nördlichen Landkreis Würzburg zu finden. Um das Fazit der Exkursion vorweg zu nehmen: Der Feldhamster würde sich wieder heimisch fühlen, wenn ihm geholfen wird. "Artenschutz fängt vor der Haustür an und jeder Einzelne kann etwas dafür tun", sagt Roland Sauer dazu.

Der Bergtheimer Landwirt im Nebenerwerb arbeitet im Landschaftspflegeverband. Dieser Verein in der Nähe der Unteren Naturschutzbehörde sieht sich als Bindeglied zwischen Landwirten, Kommunen und Naturschützern. Der Erhalt der Streuobstwiesen zählt zu seinen Themen. Seit 2004 gehört auch der Feldhamsterschutz zu den Schwerpunkten des Landschaftspflegeverbands Bayern.

In den letzten beiden Jahren haben sich die Würzburger und Kitzinger Gruppen in das Feldhamster-Hilfskonzept der Naturschutzbehörden eingereiht. Der Feldhamster war Thema ihrer Kampagne "UrEinwohner Bayern". Dieses Projekt macht ortsbezogen auf die Zusammenhänge der Biodiversität aufmerksam. Die Exkursion in Bergtheim galt als Abschlussveranstaltung des Kampagnenzeitraums.

Die Einzelgänger vertragen hohe Temperaturen

Christiane Brandt erklärte Zusammenhänge. Sie arbeitet im Landschaftspflegeverband beim Landratsamt in Main-Spessart und ist als "Gebietsbetreuerin Muschelkalk" zuständig für all die Regionen, in denen die Steinart Muschelkalk vorkommt. Mit dem Artenschutzkonzept "FHP 3" beschäftigt sie sich intensiv. Das Kürzel steht für das "Feldhamsterhilfsprogramm".

"Feldhamster sind sehr interessante Tiere", weiß Gebietsbetreuerin Brandt. Die nachtaktiven Nagetiere gehören in die Familie der Wühler. Vor Jahrhunderten wanderten sie aus der asiatischen Steppe mit den Menschen hierher. Sie vertragen hohe Temperaturen und leben als Einzelgänger in ihren Bauen in etwa einem Meter Tiefe unter der Erde.

In ihrer aktiven Zeit sind sie auf ausreichend Deckung sowie auf Nahrung wie Getreide- und Maiskörner, Hülsenfrüchte, Zuckerrübenschnitzel, Wurzeln oder Kleintiere wie Regenwürmer angewiesen. Das alles gibt es bei uns immer noch. Die Industrialisierung der Landwirtschaft bedeutete einen "großen Einschnitt" für die Feldhamster.

Der Wühler hat eine Vorliebe für Kürbis

Als es noch "viele kleine Bauern gegeben hat und jeder seine Hühner, Schweine und Vieh hatte", sei noch viel Luzerne angebaut worden. Im Frühjahr habe sich die Aussaat über Wochen hingezogen, genauso wie die Ernte im Herbst. Damals gab es so viel Futter, dass sich der Hamster dreimal im Jahr mit jeweils fünf bis zehn Jungen vermehrte. Heute haben Hamster nur noch zwei Mal im Jahr Nachwuchs mit deutlich weniger Jungen.

Die großen Schläge und "sauberen" Äcker machen dem Hamster den Garaus. Es hilft ihm, wenn Landwirte schmale Streifen ihrer Feldfrüchte so lange stehen lassen, bis er genug Vorräte für seinen Winterbau sammeln konnte. Zwei Kilogramm pro Hamster sind dafür nötig. Dass Hamster auch Kürbisse lieben, ist eine neue Erkenntnis in Bergtheim. Martin Schneider hat seinen "Kürbisbefall" im letzten Jahr für den Erhalt von Fördergeldern nachweisen können. Nun fand Roland Sauer allein auf den 0,8 Hektar 26 aktive Feldhamsterbauten. Das lag nicht nur am Kürbis, sondern auch daran, dass der Landwirt in diesem Jahr Weizen auf dem gleichen Feld angebaut hat.

Naturschutzinseln in der Landschaft

"Wenn wir für den Feldhamster Lebensraum schaffen, helfen wir auch rund 20 Vogelarten, die hier ihren letzten Lebensraum haben", weiß Ralf Krüger und hofft darauf, dass es wieder brach liegende Flächen und bunte Blühstreifen gibt. "Wir brauchen mehr Naturschutzinseln in der Landschaft", sagt er. Vom aufwändigen Umsiedelungsprogramm bei Baugebieten hielten die Experten vor Ort wenig."Ein Hamster baut jedes Jahr neu und sucht sich einen guten Platz dafür", wissen sie.

Freilich, das neue gemeinsame Konzept der Dipl.-Ing. Carola Rein im Auftrag der zehn Allianzgemeinden "Würzburger Norden" zum Schutz des Feldhamsters sei ein positiver Baustein. Ähnlich wie das Agrarumweltprogramm "produktionsintegrierte Maßnahmen". Am wichtigsten sei jedoch das Verständnis für den Feldhamster und seine Lebensart. Und das nicht nur bei Landwirten, sondern in der gesamten Bevölkerung.

 
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