Er ist Medienstar, Meister des Grabens, geschickter Baumeister, posierlicher Nager, bisweilen aber auch aggressiver Kämpfer. Der Feldhamster ist ein Multitalent, das vom Aussterben bedroht ist. Grund genug für die Landschaftspflegeverbände Würzburg und Kitzingen, ihn in die Artenschutzkampagne „Bayerns Ureinwohner“ aufzunehmen und ihm einen eigenen Flyer und Informationsabend zu widmen. Doch nicht immer war der Nager ein seltener Bewohner der besten Ackerböden. Im Gegenteil. Noch vor 60 Jahren trat der Feldhamster auch im Landkreis Würzburg massenhaft auf.
So massenhaft, dass er als Ernteschädling gefangen und ihm das Fell abgezogen wurde. Ein Millionengeschäft in den 1950er Jahren, weiß Feldhamsterforscher Tobias Erik Reiners von der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz in Gießen. Heute ist der Großhamster vielerorts schon komplett verschwunden - beispielsweise in Nordrhein-Westfalen - oder vom Aussterben bedroht.
Weltweit in kritischem Zustand
„Der Feldhamster ist weltweit in einem ganz kritischen Zustand“, betont der Biologe, dessen Herz schon lange für das „schöne und fürsorgliche Tier“ schlägt. Doch wer ist schuld daran? Ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Denn der Feldhamster kriegt von „20 Stellen auf die Mütze“: Der Wandel der Landschaft und des Klimas, der Rückgang der Flächen, die ihm zur Verfügung stehen, das Fehlen von Ackerwildkräutern und der Vielfalt von Strukturen in der Agrarlandschaft, die immer intensivere und schnellere Landwirtschaft, vermehrter Straßen- und Wohnungsbau und vieles mehr.
Dabei sei es eigentlich recht einfach, den Feldhamster zu schützen. Getreidestreifen bei der Ernte stehen lassen, das sei ein Erfolgsmodell. Vor allem in Kombination mit Blühstreifen und Luzerne. Das Getreide sichert dem Feldhamster den Nahrungsvorrat für den Winter. Blühstreifen geben ihm vor allem im Frühling, wenn er aus dem Winterschlaf erwacht, Deckung vor Feinden.
Hamster leiden unter Mangelernährung
Außerdem kann sich der Allesfresser hier zwischen Wilder Möhre und Malve frische Kräuter und damit Vitamine holen. Studien haben nämlich eine Mangelernährung bei Feldhamstern aufgezeigt. Möglicherweise ein Grund für die geringe Fortpflanzungsfreudigkeit der Tiere. Bis zu dreimal pro Jahr könnte ein Weibchen Junge bekommen. Doch im Durchschnitt sind es heute nur noch 1,5 Mal.
Weil solche Streifen generell die Artenvielfalt in der intensiv genutzten Agrarlandschaft fördern, hat der Landkreis Würzburg 2016 ein neues Projekt gestartet. Mit „Mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft“ wollen die Untere Naturschutzbehörde (UNB) und der Landschaftspflegeverband (LPV) Würzburg Tieren wie Feldhamster, Feldhase, Lerche, Rebhuhn und anderen bedrohten Arten wieder auf die Sprünge helfen.
Pilotprojekt für ganz Bayern
Es ist ein Projekt mit Pilotcharakter für ganz Bayern. In Bergtheim hatte Landwirt Roland Sauer dafür neben einem 16 Meter breiten und 240 Meter langen, mehrjährigen Blühstreifen erstmals einen sechs Meter breiten Getreidestreifen angelegt, der bis Ende Oktober stehen bleibt. Genug Zeit also für den Feldhamster, sich die Backen voll zu stopfen und ordentlich Wintervorrat an zu legen.
Ohne solche Streifen wäre es schlecht um die kleinen Nager bestellt, wissen die Artenschützer. Erfolgreiche Landwirtschaft und Artenvielfalt müssen sich also nicht zwangsläufig ausschließen. Das zeigt auch Landwirt Andreas Grünewald aus Prosselsheim. Er ist mächtig stolz, denn er hat auf seinen Blühflächen die meisten Hamsterbaue im ganzen Landkreis. Gerne würde er noch mehr Blühflächen anlegen, doch das scheitert an den finanziellen Mitteln, die die Landwirte für den Mehraufwand bekommen.
Ökologische Hot Spots
Spezielle Agrarumweltprogramme des Freistaates Bayern, wie das Feldhamsterhilfsprogramm (FHP3) und sogenannte produktionsintegrierte Maßnahmen (PIM) haben zwar das Ziel, die Artenvielfalt durch naturschonende Landwirtschaft zu fördern und zu erhalten. Doch die Gelder sind begrenzt. Zu diesen Programmen gehören unter anderem mehrjährige Blühstreifen mit einem erhöhten Nahrungsangebot für Insekten und Luzernestreifen mit Nahrung und Deckung für Wildtiere.
„Ökologische Hot Spots“ in der Feldflur nennt Niels Kölbl vom LPV solche Flächen. Seine Bilanz: Seltene Vögel, manchmal auch die Wiesenweihe, die Wachtel oder vielleicht sogar der Raubwürger, finden hier Schutz und Nahrung. Und natürlich der Feldhamster.
Biologische Bachelorarbeiten
Dass es ihm dort gut geht, belegen auch die Bachelorarbeiten von Vanessa Bald und Mathias Bär. Die beiden Biologiestudenten der Uni Würzburg haben PIM auf die Entwicklung der Hamsterbestände im nördlichen Landkreis untersucht und festgestellt, dass dem Nager besonders die ungemulchten Blühstreifen gefallen. Denn dort fanden sie die meisten Baue.
Auch die von Roland Sauer gezählten Baue auf den FHP3-Flächen belegen eine äußerst positive Entwicklung der Feldhamsterbestände im nördlichen Landkreis. Seit 2014 hat sich die Anzahl der Baue von 85 auf 134 erhöht. Im südlichen Landkreis allerdings bricht der Feldhamster seit 2015 weg, sagt Sauer. Auf insgesamt 14,8 Hektar wurden 2017 nur 48 Baue festgestellt. Die Ursachen hierfür kann niemand genau nennen. Ein Grund könnte die Größe der landwirtschaftlichen Flächen sein. Denn: Die Schlaggröße ist Gift für den Feldhamster, meint Reiners.
Düstere Aussichten
Doch trotz allen Erfolges, die Gelder für die Feldhamsterschutzmaßnahmen sind ausgereizt, machte Hubert Marquart vom LPV Würzburg deutlich. Er forderte eine finanzielle Überbrückung für Blüh- und Getreidestreifen von der Regierung von Unterfranken, bis 2020 neue Agrarumweltprogramme aufgelegt werden. Sein Fazit: „Wenn wir es nicht schaffen, Struktur und Nahrung in die Landschaft zu bringen, dann sieht es für den Feldhamster düster aus.“
Weitere Infos gibt es bei Niels Kölbl, Telefon (09 31) 80 03-736 oder Email nk@lpv-wuerzburg.de.