
Als Urkatastrophe des 20. Jahrhundert bezeichnen Historiker den Ersten Weltkrieg. Nicht nur wegen der 17 Millionen Toten, die der Krieg in den Jahren 1914 bis 1918 weltweit gefordert hat, sondern weil die durch ihn ausgelösten politischen Umwälzungen und wirtschaftlichen Verwerfungen die Saat für eine weiteren, noch blutigeren Krieg gelegt haben - den Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945. Doch wie wurde der Erste Weltkrieg, der in den ersten Augusttagen des Jahres 1914 begann, in der Heimat wahrgenommen? Etwa 280 junge Männer aus Ochsenfurt mussten bereits im ersten Kriegsjahr einrücken und zogen größtenteils an die Front. Bis zum Ende des Kriegs waren es rund 1000 Ochsenfurter, die einberufen wurden. Vier Biografien stehen stellvertretend für sie.
Unteroffizier Georg Kimmel: Verschollen in Deutsch-Südwestafrika

Georg Kimmel wurde am 9. Juni 1891 als lediges Kind der Ochsenfurterin Friederike Kümmel geboren. Er erlernte den Beruf des Schlossers und wohnte bei seiner Mutter und dem Stiefvater. 1908 verließ er die kleinbürgerliche Enge des Städtchens. Die nächsten Jahre findet man ihn als Schiffsjunge im Mittelmeer und im Indischen Ozean. Von 1910 bis 1913 leistete er freiwilligen Wehrdienst als Marine-Artillerist im deutschen "Schutzgebiet" Kiautschou in China. Anschließend ließ er sich zur Schutztruppe nach Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, versetzen, wo er bei Kriegsbeginn 1914 als Gefreiter Dienst tat.
Kurz nach Ausbruch des Krieges kam zu einem blutigen Zwischenfall in der Festung Naulila an der Grenze zur portugiesischen Kolonie Angola. Als einer von zwei deutschen Soldaten überlebte er den Überfall portugiesischer Truppen und wurde anschließend interniert. Am 26. März 1920 erst kehrte er aus portugiesischer Kriegsgefangenschaft zurück und verzog nach Würzburg. Am 13. November 1921 heiratete er Rosa Enz. 1922 musste sich die portugiesische Armee für den Überfall auf die deutsche Delegation in Naulila vom 19. Oktober 1914 vor einem internationalen Schiedsgericht verantworten. Georg Kimmel wurde als Zeuge gehört.
Nach dem Ende des Krieges schlug Kimmel die Beamtenlaufbahn ein und war 1930 Beamtenanwärter in Ansbach. Aus seiner Ehe gingen drei Kinder hervor. 1939 war Kimmel als Amtswart in Ansbach tätig und wurde während des Zweiten Weltkriegs erneut einberufen. Die letzten Kriegsjahre verbrachte er als Verwaltungssekretär bei der Regierung von Mittelfranken in Ansbach und wurde nach dem Kriegsende 1945 pensioniert. Gestorben ist der ehemalige Schutztruppenangehörige am 10. November 1962 in Ansbach.
Leutnant Alois Gresser: Freiwillig zur Artillerie

Alois Gresser wurde am 01. Januar 1892 in Ochsenfurt als Sohn des ehemaligen Stadtkämmerers Josef Gresser geboren. Er machte in Würzburg sein Abitur und war anschließend als Ökonomiepraktikant tätig. Nach der Mobilmachung meldete er sich freiwillig zur Artillerie und trat am 1. Oktober 1914 beim 2. Fußartillerieregiment in Würzburg ein. Am 5. Dezember 1914 wurde Gresser zur 2. Batterie des Regiments ins Feld abgestellt. Es folgten Kämpfe an der Combres-Höhe an der Maas und im Ailly-Wald. Unterdessen ernannte man ihn am 11. November 1915 zum Vizefeldwebel und Offiziersaspiranten.
Sein Regiment lag Im Winter 1915/1916 in der Champagne und 1916 bei Noyon. Im selben Jahr machte er den Offiziersaspirantenkurs mit. 1917 stand sein Regiment im sogenannten Wytschaete-Bogen und in Flandern. Am 8. Oktober 1917 erfolgte die Beförderung zum Leutnant der Reserve. 1918 war er bei der Kaiserschlacht dabei, der letzten deutschen Offensive an der Westfront, und stand bei Armentieres. Es folgten Stellungskämpfe im Artois und der Rückmarsch nach dem Waffenstillstand 1918.
Alois Gresser wurde am 21. Dezember 1918 aus der bayerischen Armee entlassen. Seine berufliche Laufbahn als landwirtschaftlicher Gutsverwalter führte ihn in den 1920er Jahren nach Unterbessenbach und Feldheim, bevor er wieder in Ochsenfurt lebte. Hier starb er am 16. Oktober 1968.
Infanterist Georg Lang: Gefallen im Wald von Ailly
Georg Matthias Lang wurde am 2. Januar 1879 in Plösberg in der Oberpfalz geboren und erlernte dort das Mälzer-Handwerk. Mit 20 Jahren leistete Lang seinen Wehrdienst von 1899 bis 1900 beim 18. Infanterieregiment in Germersheim in der Rheinpfalz ab, die damals zum Königreich Bayern gehörte. Nach seiner Dienstpflicht heiratete er Babette Wellhöfer aus Ochsenfurt. Ich Ochsenfurt arbeitete Georg Lang zunächst in der Mälzer Rau, bevor er zur Mälzerei Gehring wechselte und im Kastenhof eine Werkswohnung bezog.
Nach Eintritt der Mobilmachung musste sich der zweifache Familienvater am 7. August 1914 als Landwehrmann beim Ersatzbataillon des Landwehrinfanterie-Regiments 4 in Würzburg melden. Nach Einkleidung, Vereidigung und Ausbildungsauffrischung erfolgte am 16. September 1914 die Versetzung zum 4. Reserveinfanterie-Regiment, wo er in die 1. Kompanie eingereiht wurde.
Es folgte der Stellungskrieg in den mittleren Vogesen und die Gefechte im Bois Brûlé. Von Oktober 1914 bis April 1915 nahm er am zermürbenden Stellungskrieg am Bois d´Ailly- Tête á Vache in den unwegsamen Vogesen teil. Hier begann am 4. April eine französische Offensive mit dem Ziel, Apremont und St. Mihiel zurückzuerobern. Während der Abwehrkämpfe fiel der Infanterist Georg Lang am 07. April 1915 morgens um 6 Uhr im Graben am Bois d´Ailly, etwa 20 Kilometer südlich von Verdun, durch die Splitter einer Artilleriegranate, die ihn am Kopf trafen. Er wurde im Regimentsfriedhof beerdigt.
Nach seinem Tode durfte die Witwe die Werkswohnung nicht länger behalten und verzog mehrmals, ehe sie 1928 nach Gülchsheim heiratete.
Offiziersstellvertreter Adolf Hilpert: Soldat vom ersten bis zum letzten Tag des Krieges

Adolf Hilpert wurde am 18. Februar 1889 in Ochsenfurt geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte er in Aub, wo sein Vater Kaspar Hilpert als Spitalverwalter tätig war. Nach dem Besuch der örtlichen Schule wechselte Adolf Hilpert ans Gymnasium. 1906 schrieb er sich als zweijährig Freiwilliger bei der 5. Batterie des 8. Feldartillerie-Regiments ein und wurde 1908 zum Unteroffizier ernannt.
Bereits am 2. August 1914, einem Sonntag und ersten Tag der Mobilmachung, rückte er mit seinem Regiment in die Aufmarschräume aus. Es folgte die Beförderung zum Vizewachtmeister. Im weiteren Kriegsverlauf war er dem 20. Feldartillerie-Regiment zugeteilt. Er machte 1914 die Kämpfe in Lothringen mit, 1915 St. Eloi- Peronne, 1916 die Schlachten an der Somme und 1916/1917 die Kämpfe in den Karpaten.
Anschließend folgte die Schlacht in Flandern und 1918 die Kämpfe bei Soissons. Hier wurde Hilpert am 18. Juli 1918 durch einen MG-Durchschuss an der linken Schulter verwundet. Es folgte ein viermonatiger Lazarettaufenthalt, unter anderem in Bad Orb, Würzburg und Aub. Als hochdekorierter Offiziersstellvertreter kehrte er am 31. Oktober 1919 nach Ochsenfurt zurück und wurde Beamter. Als pensionierter Regierungsoberinspektor starb er am 18. Juni 1967 in Ochsenfurt. Über seine Kriegszeit führte er Tagebuch, das sich teilweise im Stadtarchiv Ochsenfurt erhalten hat.
Unser Gastautor Georg Menig ist Historiker und Stadtarchivar von Ochsenfurt. In mehreren Büchern hat er sich bereits mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen für die Region befasst. In einer dreiteiligen Serie geht er der Frage nach, welche Auswirkungen der Krieg auf das Leben in Ochsenfurt hatte.