Die Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga bangt um die bayerische Wirtshauskultur. Im Interview erklärt Angela Inselkammer, vor welchen Problemen die Wirte stehen.
Frage: Sie haben sich kürzlich mit Wirten aus der Region getroffen. Wie ist die Stimmung in der unterfränkischen Gastronomie?
Angela Inselkammer: Wir müssen feststellen, dass gerade die kleinen Familienbetriebe in einer schwierigen Situation sind. Wir haben heute Rahmenbedingungen, die sich im Laufe der Zeit so verändert haben, dass sie nicht mehr passen: Gerade in den Bereichen Arbeitszeit und Dokumentationspflichten sind wir in eine Überregulierung hineingeschliddert.
Was meinen Sie konkret damit?
Inselkammer: Wir wünschen uns, dass wir wieder mehr selbstverantwortlich handeln können. Durch Verstöße großer Unternehmen in der Lebensmittelbranche kamen immer schärfere Gesetze – etwa zu Hygienevorschriften –, die über alle gestülpt wurden. Jede Kleinigkeit muss dokumentiert werden, auch im kleinen Familienbetrieb. Das verhindert Individualität in der Wirtshauskultur: Ich habe mit einer Wirtin aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) gesprochen, die gerne Brotaufstriche selbst machen würde. Das lässt sie aber sein, weil sie dann protokollieren müsste, was drin ist. Der bürokratische Aufwand bremst sie. Große Betriebe, etwa aus der Systemgastronomie, tun sich da leichter.
Sicher hat sich der Gesetzgeber aber etwas dabei gedacht. Was wäre Ihrer Meinung nach besser?
Inselkammer: Viele dieser Vorschriften waren mal gut gemeint. Im Sinne des Wirtes und des Verbrauchers. Aber irgendwann ufert es eben aus. Das wieder zu entflechten, wird nicht gelingen. Wir stellen uns Kleinunternehmerregelungen vor. Kleinere Unternehmen sollten zum Beispiel von einer Reihe von Dokumentationen ausgenommen werden.
Wenn aber immer mehr traditionelle Wirtshäuser verschwinden, kann das doch nicht nur an der Bürokratie liegen. Warum tun sich gerade Wirtschaften auf dem Land so schwer?
Inselkammer: Es liegt einerseits ein bisschen am Lifestyle: Einige Gastronomen haben gedacht, sie müssten auch Burger machen, und besinnen sich jetzt wieder auf die traditionelle Küche. Generell muss man aber die Idee eines Dorfwirtshauses neu denken. Wir müssen uns überlegen, wie es wieder Zentrum des Dorfes werden kann.
Unter anderem haben Sie einmal vorgeschlagen, Paket-Shops in den Wirtshäusern einzurichten, wo man Online-Einkäufe abholen oder zurückschicken kann. Passt das zur Wirtshaustradition?
Inselkammer: Meine Großmutter hatte in ihrem Wirtshaus das erste Telefon im Dorf und die Poststelle. Das war die zentrale Einrichtung. Für einen Wirt gilt: Jeder Umsatz, der gemacht werden kann, ist wertvoll. Schließlich muss er seine eigene Anwesenheit und die des Personals bezahlen. Er muss ja die Bereitstellung seiner Dienstleistung gewährleisten – nicht nur am Samstagabend, wenn sowieso viele Gäste da sind. Der Schlüssel heißt Frequenz und Umsatz. In Zeiten, in denen weniger los ist, könnte man das etwa durch einen Stammtisch für die Älteren im Ort erreichen. Oder indem man die Mittagsverpflegung für den örtlichen Kindergarten organisiert oder Einkaufsmöglichkeit am Wochenende anbietet.
Viele Wirte klagen über Personalmangel. Sind die Arbeitszeiten in der Gastronomie einfach unattraktiv?
Inselkammer: Das würde ich nicht sagen. In anderen Berufen – zum Beispiel bei der Polizei oder in der Pflege – sind die Arbeitszeiten ähnlich. Wir leben zwar in einer freizeitorientierten Zeit, aber wir haben viele Mitarbeiter die ihre Freizeit auch am Montag und nicht nur am Wochenende genießen können. Wir fordern aber ein flexibleres Arbeitszeitgesetz.
Das wie aussehen sollte?
Inselkammer: Wir wollen eine Wochenarbeitszeit: Unsere Mitarbeiter sollen die Chance haben, vielleicht schon an vier Tagen ihr Arbeitszeitkonto zu erfüllen und dann drei Tage frei zu haben. Dazu gehört auch, dass wir zum Beispiel an Samstagen, wenn Hochzeiten und andere Veranstaltungen sind, auch mal länger arbeiten können und dafür unter der Woche kürzer oder gar nicht arbeiten. Das sind Arbeitszeitmodelle, die ganz vielen unserer Mitarbeiter gelegen kämen. Und wir sind da nicht alleine: Es gibt 41 Branchen – aus dem Handwerk oder der Landwirtschaft zum Beispiel –, die sich unserer Forderung angeschlossen haben. Ein Zimmermann zum Beispiel will bei gutem Wetter seinen Dachstuhl fertig bekommen und bei Regen daheim bleiben. Das wird in vielen Branchen schon gelebt, es ist aber nicht legal.
Gewerkschafter würden das vermutlich einen Angriff auf den Arbeitsschutz nennen und argumentieren, dass so der Job eher unattraktiver wird.
Inselkammer: Wir wollen die Arbeitszeit nicht vermehren, sondern legal flexibler arbeiten. Aber ja, wir haben Schwierigkeiten, Personal zu bekommen, wie andere Branchen auch. Da müssen wir kreativ werden. Studienabbrecher sind etwa eine Möglichkeit: 32 Prozent der Studierenden hören auf – wir müssen uns fragen, wie wir diese Menschen für unsere Branche vielleicht gewinnen können.
Könnten Flüchtlinge hier helfen? Einige werden von Gastronomen in der Region ja schon beschäftigt.
Inselkammer: Keine Branche hat so viele Flüchtlinge beschäftigt wie die Gastronomie: allein in Bayern rund 7000, davon 500 Auszubildende. Als Verband haben wir uns da früh engagiert, haben zum Beispiel einen Leitfaden erstellt, der erklärt, wie man Flüchtlinge beschäftigen kann und worauf man achten muss. In unserem Betrieb beschäftigen wir Flüchtlinge und können einige gut brauchen. Das Problem ist aber, dass diese Menschen alle als Asylbewerber gekommen sind, und wir ein Problem haben, wenn sie keine Anerkennung bekommen. Deswegen wünschen wir uns ein Einwanderungsgesetz.