Das „Gasthaus zum Saaletal“ schließt am 28. Januar und mit ihm das letzte Wirtshaus im Ort. Damit geht eine über 100 Jahre alte Geschichte der Bewirtung von Gästen gleich neben dem Bahnhof zu Ende. Christa und Karl Adrio hören aus gesundheitlichen Gründen auf, die deutsche Gründlichkeit hat ihren Entschluss beschleunigt.
Ein geschichtsträchtiger Gastbetrieb schließt seine Pforten. Christa Adrio bewirtet am 27. Januar das letzte Mal ihre Gäste. Bekannt war das idyllisch am Ortsrand an der fränkischen Saale gelegene Gasthaus für seine großportionierten und günstigen Speisen, die oft noch, wie früher in den 70er Jahren Mode, auf dreigeteilten Tellern serviert wurden.
Gemeindearchivar Hans-Georg Herch ging im Gemeindearchiv und in privaten Aufzeichnungen auf Spurensuche. Gebaut wurde das Haus als Spekulationsobjekt im Jahre 1896 von Holzhändler Ferdinand Aul im herrschaftlichen Stil als Restaurant mit Biergarten und Tanzpavillon gleich neben dem Bahnhof an der Strecke Gemünden – Bad Kissingen. Die Bahnstrecke war kurz vorher 1884 in Betrieb gegangen.
Der Bau ging nach der Insolvenz 1902 an Metzgermeister Konstantin Bürger. Dieser verkaufte das Restaurant mit sieben Fremdenzimmer ein Jahr später an Braumeister Bonifaz Hergenröder aus Oberleichtersbach. Der Betrieb ging gut und erlebte in der Vorkriegszeit eine Blüte mit der Versorgung der Bauarbeiter für die sogenannte Reichsautobahn von Fulda nach Würzburg.
Anna, die Tochter von Bonifaz Hergenröder, heiratete den aus Dittlofsroda stammenden Johann Adrio, und sie betrieben den Gasthof und eine Landwirtschaft. Deren Sohn Fritz Adrio übernahm später die Gaststätte seiner Eltern und baute sie mit seiner Frau Philomena aus. Sogar ein Campingplatz an der Saale war 1975 geplant. Doch die Pläne wurden nicht realisiert.
Die Gaststätte war ein immer beliebter Treffpunkt für Arbeiter, Handelsreisende, einsame Menschen, Schafkopfspieler, und sie war Vereinsgaststätte des Kleintierzuchtvereins seit 64 Jahren. „Wir gehen mal zum Fritz“ war ein geflügeltes Wort der Dorfbewohner am Abend oder an den Wochenenden. Besonders idyllisch saßen die Gäste im Sommer und Herbst unter den beiden großen Kastanien, unter denen Gartentischen und Stühle standen. An denen ließen sich auch gerne Wanderer, Rad- und Motorradfahrer nieder.
Fritz Adrio war ein gemütlicher Mann, auf den Jugendliche mal ein Volkslied umdichteten. „Buawe, trinkt mir nid so viel Bier, sonst schreibt mir die Brauerei wieder eine so groaße Rechnung“, war ein Ausspruch von ihm, der im Gedächtnis der älteren Menschen des Ortes hängen geblieben ist. Urig ist die Holzvertäfelung im Gastraum, die wohl noch aus der Entstehungszeit des Gasthauses stammte und eine heimelige Ausstrahlung hat.
Fritz Adrio übergab das Wirtshaus an seinen Sohn Karl und dessen Frau Christa, die diese Gaststätte am Bahnhof weiterführten. „Eigentlich wollte ich die Gaststätte noch bis zum 65. Lebensjahr weiterbetreiben, doch die Gesundheit von mir und Karl lassen das nicht mehr zu“, erklärte die Wirtin auf Nachfrage. Hinzukommt die deutsche Gründlichkeit: Das Finanzamt besteht auf einem sicheren Kassensystem, aus dem alle Einbuchungen ersichtlich sind. Mit dieser Forderung war das Ende der traditionellen Gaststätte am Bahnhof besiegelt, denn diese Investition für nur noch ein halbes Jahr war der Wirtin zu viel. Die Schließung kam für viele überraschend und stellt für die Stammgäste beim Mittagstisch oder am Abend einen herben Verlust dar.
Sohn Sebastian, der in und mit der Gaststätte aufgewachsen ist sieht darin für sich darin keine Zukunft. So schließt das verträumt hinter großen Kastanien liegende Wirtshaus, in dem die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist, und das damit auf sympathische Weise fast wieder modern und anziehend war.