Als Franziskaner sei es eine "Uraufgabe, für Menschen am Rande da zu sein", sagt Tobias Matheis. Aus diesem Selbstverständnis als Bruder der Franziskaner-Minoriten gründete er vor 20 Jahren die Würzburger Straßenambulanz, damit Menschen in prekären Verhältnissen ärztliche Hilfe bekommen. "Ich habe geschaut, was bringe ich mit meinem Lebensgepäck mit", sagt der ehemalige Krankenpfleger. Die Idee hatte Matheis aus einem ähnlichen Projekt in Nürnberg übernommen.
2016 wurde er aus dem Franziskaner-Minoriten-Kloster in Würzburg ins Kloster Schönau bei Gemünden versetzt. Würzburg ist er jedoch weiterhin eng verbunden. Er komme nicht nur regelmäßig zur Straßenambulanz, sondern jeden Dienstag in die Elisabethstube. Als Ansprechperson biete er den Menschen Gehör und sorge für eine regelmäßige Anlaufstelle, sagt er.
Einfache und unbürokratische Hilfe bei der Straßenambulanz in Würzburg
Die Straßenambulanz bietet jeden Donnerstag um 14 Uhr eine offene und kostenlose Sprechstunde in der Streetwork-Anlaufstelle, einer Einrichtung der Diakonie, an. Im "Underground" im Würzburger Hauptbahnhof können dann Menschen zur medizinischen Erstversorgung vorbeikommen. Die Diakonie beschreibt die Ambulanz als Ort, an dem sich Menschen "einfach, unbürokratisch, diskret und ohne Voranmeldung" an Ärztinnen und Ärzten wenden können. Wie viele Klientinnen und Klienten erscheinen, weiß das Team vorab nicht.
"Wir müssen zu den Menschen gehen", sagt Bruder Tobias. Unter diesem Motto spreche er immer wieder hilfsbedürftige Menschen auf der Straße an und stecke ihnen bei Bedarf ein Kärtchen mit den Kontaktdaten der Ambulanz zu. Dabei ist es ihm wichtig, dass der Name "Ambulanz" sich nicht nur auf körperliche Beschwerden bezieht, sondern auch auf persönliche und psychische Belastungen.
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums möchte sich Bruder Tobias bei den Ärztinnen und Ärzten der Würzburger Straßenambulanz bedanken. "Es ist nicht selbstverständlich", sagt Bruder Tobias über die ehrenamtliche Arbeit seines Teams.
Medikamente und medizinische Hilfsmittel werden an Würzburger Straßenambulanz gespendet
Hanne Steinbach, Allgemeinmedizinerin in einer Gemeinschaftspraxis in Würzburg, ist mittlerweile seit 17 Jahren bei der Würzburger Straßenambulanz. "Sie ist eine Anlaufstelle für Menschen am Rande der Gesellschaft, wo eine medizinische Basisversorgung stattfindet: nach allen Regeln der medizinischen und ethischen Verantwortung", sagt sie. Sie und ihre sechs Kolleginnen und Kollegen machen die Arbeit unentgeltlich.
Der Einrichtung werden regelmäßig Medikamente, Verbandszeug und andere medizinische Hilfsmittel von Apotheken, Arztpraxen und Angehörigen verstorbener Patienten gespendet, wie sie erklärt. Dadurch könne die Ambulanz eine grundlegende Versorgung sicherstellen. Sollte etwas fehlen, könne das Team mithilfe von Spenden die benötigten Medikamente beschaffen.
Auch eine spezialisierte Versorgung und Diagnose der Klientinnen und Klienten sei möglich: "Wir haben ein Netzwerk aus verschiedenen Fachrichtungen von Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, entsprechend fachspezifisch zu untersuchen", sagt sie.
Warum sich viele nicht in reguläre Sprechstunden trauen – zur Straßenambulanz aber schon
Über die Lebensumstände der Menschen, die in die Sprechstunde kommen, sagt Steinbach: "Man darf nicht denken, das passiert nur den anderen. Das kann eigentlich fast jedem passieren." Sie erzählt von Menschen, die es aus vermeintlich sicheren Berufen auf der Straße gelandet seien. Aber auch von Selbstständigen, die in die Insolvenz gerieten und sich dann die Krankenversicherung nicht mehr hätten leisten können. "Oft sind es einfach Schicksalsschläge: Arbeitslosigkeit, Scheidung, Schulden", so Steinbach. Als Folge würden dann oftmals Drogen und Alkoholismus ins Spiel kommen. Eine Spirale, aus der viele nicht mehr hinauskämen.
In die Ambulanz kämen vor allem "Menschen, die wohnungslos oder obdachlos sind oder in anderen prekären Verhältnissen leben", ergänzt ihr Kollege, Dr. Rainer Schohe. "Menschen, die vielleicht auch aufgrund ihrer Lebensgeschichte nicht so einfach den Zugang zur regulären medizinischen Versorgung finden." Die meisten der Menschen, die die Ambulanz besuchen, würden daher niemals in eine reguläre Arztsprechstunde gehen.
Einige Klienten hätten zwar eine Versicherung, aber auch große Scheu, sich bei einer Praxis in ein Wartezimmer zu setzen. Gerade mangelnde Hygiene sei ein häufiger Grund für die Angst vor dem Arztbesuch. Diese Angst bräuchten sie in der Ambulanz nicht zu haben: "Hier wissen sie, sie können kommen, wie sie gerade sind", sagt Steinbach.