Beim Neujahrsempfang der CSU im Würzburger Congress Centrum wurden am Sonntag viele Hände geschüttelt und Neujahrswünsche ausgetauscht. Der Einladung des Kreisverbands Würzburg-Stadt und der Würzburger Stadtratsfraktion waren über 700 Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen wie Wissenschaft, Kultur, Glauben, Soziales und Politik gefolgt. Mit Festredner Theo Waigel kam dieses Mal auch die große Politik nach Würzburg. Der ehemalige Bundesfinanzminister hielt eine kurzweilige und tiefgehende Rede.
Kreisvorsitzende Christine Bötsch und Fraktionsvorsitzender Wolfang Roth eröffneten den Abend mit einer namentlichen Begrüßung fast aller Gäste. Dann warb Stefan Köhler, unterfränkischer Bauernpräsident und CSU-Kandidat für die Europawahl, für Verständnis für die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte. "Wir finden sonst kein Gehör bei der Ampelregierung."
Nach Notlandung ins Würzburger Bürgerspital
Der ehemalige Finanzpolitiker Waigel hielt die Hauptrede. Der gebürtige Schwabe ist Würzburg seit seiner Studienzeit verbunden, weil er hier Jura studiert hat. Wolfgang Bötsch und Barbara Stamm waren Weggefährten und Freunde. Waigel erzählte von einem gemeinsamen Abend mit beiden im Bürgerspital: Nachdem sein Flugzeug mit ausgefallenem Triebwerk am Kitzinger Flughafen notgelandet war, hatte man "meinen zweiten Geburtstag" gefeiert.
Der 84-Jährige schwelgte nicht lange in Nostalgie. Stattdessen befasste sich der Finanzminister von 1989 bis 1998 mit der Zeitgeschichte und ihren Auswirkungen. Beispiel Ukraine-Krieg: "Ich war dabei und kann ihnen sagen, dass Russland bei der deutschen Wiedervereinigung niemals versprochen wurde, die Nato würde nicht nach Osten erweitert", kommentierte der Zeitzeuge Putins Narrativ von einer Bedrohung Russlands durch den Westen. "Das ist falsch."
Waigel sprach ausführlich über Putins Angriffskrieg. "Der Westen muss dafür sorgen, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert. Das hätte verheerende Folgen." Um den Krieg zu beenden hält er eine Doppelstrategie für sinnvoll: Weiterer militärischer Unterstützung der Ukraine und dem Anbieten von Aufbauhilfe bei Kriegsende an Russland.
So habe schon Helmut Schmidt in den 70er Jahren agiert, erinnerte der ehemalige CSU-Vorsitzende an die Ostpolitik des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers. "Mal kein Parteiengezänk", raunte an dieser Stelle eine Zuhörerin. Ihr Gegenüber nickte: "Das tut gut."
Waigel: "Ich habe das ewige Gejammer im Osten satt."
Weiter rief Waigel die Kosten der deutschen Wiedervereinigung ins Gedächtnis: Wenn es vorher eine Umfrage im Westen gegeben hätte, ob man knapp zwei Billionen Euro dafür ausgeben soll, "hätte ich nicht gewusst, ob wir eine Mehrheit bekommen hätten". Doch dank der immensen Anstrengung sei die Angleichung der Lebensumstände gelungen. "Deshalb habe ich auch das ewige Gejammer im Osten satt."
Auch heute seien große Anstrengungen nötig. Deutschland sei von der Krise stärker betroffen, weil man sich von Russlands Energielieferungen abhängig gemacht habe. "Das war ein Fehler". Der Fehler der aktuellen Politik: "Kein Gesamtprogramm".
Waigel führte Änderungen in Renten-, Steuer- und Sozialpolitik aus, die unpopulär, aber notwendig seien. Er sei sicher, dass Deutschland die momentanen Herausforderungen mit einer "mutigen Finanz- und Wirtschaftspolitik" meistern wird.
Christine Bötsch verdankte Waigel eine Erhöhung des Taschengelds
"Ich bin ich ein Optimist und möchte in keiner anderen Zeit leben", sagte Waigel und schloss seine Ausführungen mit einem Ratschlag, den er vom deutschen Schriftsteller Ernst Jünger bekommen hatte: "Es ist besser in Zuversicht als in Furcht zu leben."
"Sie haben uns heute sehr viel Zuversicht gegeben", bedankte sich Christine Bötsch beim CSU-Ehrenvorsitzenden. Zum Abschluss des offiziellen Teils erzählte sie noch eine Anekdote: Als 13-Jährige habe sie ihren Vater Wolfgang Bötsch zu einem Treffen mit Waigel begleitet und sei von ihm nach ihrem Taschengeld gefragt worden. "Als ich die Höhe nannte, sagte er zu meinem Vater: Wolfgang, das ist zu wenig." Bötsch habe auf den Finanzpolitiker gehört und sie sich gefreut.