"Am liebsten hätten wir uns umarmt", sagt Frank Hofmann, der seine Großmutter Liselotte Hofmann im Marie-Juchacz-Haus der AWO in Würzburg besucht. "Das ging aber nicht." Zwar sind am Wochenende bayernweit Lockerungen zur Ausgangssperre in Kraft getreten, der Besuch am Muttertag findet allerdings unter Auflagen statt. Umarmungen oder Küsschen sind weiterhin tabu.
Bereits am Eingang des Heims lässt sich die Vorfreude der Senioren erahnen. Vor den Türen steht ein großes Schild, beklebt mit etlichen Schmetterlingen aus bunten Tonpapier. Darauf steht in großen Buchstaben "Herzlich Willkommen". Raimund Binder, Leiter des Seniorenheims, erklärt, dass die Senioren zusammen mit den Mitarbeitern das Schild gebastelt hätten. Die Stimmung sei gut und viele der Bewohnerinnen könnten den Besuch am Muttertag kaum erwarten.
Körperliche Nähe fehlt
Auch Liselotte Hofmann ist aufgeregt. Die 91-Jährige freut sich über den Besuch ihres Enkelsohns Frank. Die beiden dürfen sich nicht umarmen, nicht berühren, sondern müssen mit Sicherheitsabstand gegenüber sitzen. "Die körperliche Nähe fehlt dann schon", gibt der 41-Jährige zu. Und anders als sonst findet der Besuch auch nicht im Zimmer der Großmutter statt, sondern in einem sogenannten Begegnungsraum.
Als "Raum der Begegnung" dienen drei Räume des Seniorenheims, die über mehrere Ein- und Ausgänge verfügen. Über den einen betreten die Besucher den Raum, über den anderen die Senioren. Das Mobiliar in den Räumen haben die Mitarbeiter so angeordnet, dass mindestens zwei Meter Abstand zwischen Besucher und Besuchtem liegen. Jeder muss eine Mund-Nasen-Maske tragen.
Mit im Gepäck hat der Enkel ein Geschenk für seine Großmutter. Liselotte bekommt Blumen, Badeutensilien und einen Sekt. Doch angestoßen wird nicht."Das holen wir später nach", erklärt Frank. Seine Oma sagt: "Man muss es halt nehmen wie's kommt. Ich sage immer, es wird auch wieder anders werden."
Der Besuch am Muttertag sei zwar das Highlight für die Rentnerin, doch dass sie nur ein Familienmitglied sehen kann, gehe ihr nahe. Vor allem die vier Urenkel würden der Seniorin fehlen. Auch über einen Besuch von Familienhund Pino, dem kleinen Cockerspaniel, würde sie sich sehr freuen.
Besuch unter Zeitdruck
Zehn Angehörige besuchen die Seniorin normalerweise regelmäßig, sagt der Enkelsohn. Aktuell darf nur eine registrierte Kontaktperson die Angehörige in Seniorenheimen sehen. Erlaubt ist ein Besuch pro Tag, für maximal eine Stunde. Die Familie hat sich darauf geeinigt, dass der 41-Jährige Frank die Rolle übernimmt.
Um die Besuche besser organisieren zu können, hat Leiter Raimund Binder eine extra E-Mail-Adresse angelegt. Auf das E-Mail-Konto können die Mitarbeiter der Verwaltung zugreifen und Besuchstermine vergeben. Als Sicherheitsmaßnahme sei es wichtig, dass nicht zu viele Besucher gleichzeitig vor Ort seien. Eine Besuchsanfrage für den Muttertag musste Binder deswegen absagen.
Mitbringsel zum Muttertag
Die Sicherheitsmaßnahmen für den Besuch im Seniorenheim kann auch Michael Mensch nachvollziehen. "Meine Mutter ist 91, ich gehöre auch zur Risikogruppe, da sind natürlich schon Risiken da", sagt der 65-Jährige. "Da bin ich überhaupt erstmal froh, herkommen zu können." Bereits am frühen Morgen hätte seine Mutter ihn angerufen, und nachgefragt ob er auch wirklich kommen würde, berichtet der Würzburger.
Zusammen mit seiner Frau Birigit hat Mensch am Vortrag eine besondere Überraschung für seine Mutter vorbereitet und im Seniorenheim vorbei gebracht. So wurde die Seniorin von den Mitarbeitern des Heims am Sonntag bereits zum Frühstück mit einer selbst gebackenen Torte ihrer Schwiegertochter überrascht. Dass Mensch seine Mutter jetzt wieder sehen darf, ist für ihn sehr emotional. "Das ist was Positives, was für's Herz", erklärt er.
Als Geschenk für seine Mutter hat Mensch neben einem Blumenstrauß auch einen selbst gebackenen Kuchen von Irmgards Enkeltochter Julia. "Ganz nach dem Rezept der Großmutter", sagt Mensch. "Meine Mutter hat früher sehr gerne und gut gekocht und gebacken."
Während er das Präsent über den Tisch zu seiner Mutter reicht, strahlen ihre Augen. Ihr Lächeln unter dem Mund-Nasen-Schutz lässt sich erahnen. Die 91-Jährige freut sich sichtlich über die Mitbringsel zum Muttertag. Sie bedankt sich, dann schaut sie ihrem Sohn in die Augen und sagt: "Aber mein größter Wunsch bist du."