Rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Doch wie lang hält der Impfschutz an und wann ist eine Auffrischung notwendig? "Aktuell liegen für die COVID-19-Impfstoffe noch keine aussagekräftigen Daten darüber vor, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitabstand eine Auffrischungsimpfung notwendig sein wird", teilt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage mit.
Derzeit würden diverse Studien zu der Frage durchgeführt werden. Die Beantwortung hänge von verschiedenen Faktoren ab, wie der Dauer des Impfschutzes nach der vollständigen Impfung, der möglichen Immunitätsentwicklung gegen Impfstoffkomponenten oder der Wirksamkeit gegen neue Virusmutationen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat noch keine Empfehlung zur Auffrischungsimpfung gegeben.
Das Gesundheitsministerium benötige "nun dringend belastbare Aussagen des Bundes und der Stiko zur Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen". Das weitere Vorgehen hänge von diesen Aussagen ab. Auf Grundlage des Beschlusses einer Gesundheitsministerkonferenz können die Bundesländer die Impfzentren bei Bedarf über den 30. September hinaus in reduziertem Umfang mit dem Schwerpunkt auf mobilen Impfteams weiterbetreiben. "Unser Ziel ist es, die in den Impfzentren erworbenen Kompetenzen und gesammelten Erfahrungen weiter zu nutzen", sagt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums. Mit Blick auf mögliche Auffrischungen könnten ihm zufolge die Impfzentren auch künftig wertvolle Dienste im Kampf gegen Corona leisten. "Derzeit befindet sich die konkrete Organisation des Weiterbetriebs noch in Prüfung und Abstimmung", heißt es aus dem Ministerium.
Würzburger Virologe: Großbritannien als "riesiges Experiment"
Dem Würzburger Virologen Prof. Lars Dölken zufolge ist "in den nächsten vier bis sechs Wochen absehbar, welche Impfkombination wie abschneidet." Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten nun, wann die Wirksamkeit bei den verschiedenen Impfkombinationen nachlassen. Der Blick der Virologen ist dabei vor allem auf Großbritannien gerichtet. "Da läuft ein riesiges Experiment", so Dölken.
Rund 70 Prozent der erwachsenen Briten sind bereits vollständig geimpft, über 88 Prozent haben die erste Dosis erhalten. In England setzt Premierminister Boris Johnson voll auf den Schutz der Impfungen: Fast alle anderen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sind seit Montag aufgehoben, obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz in Großbritannien zuletzt über 490 lag. Dort werde sich laut des Würzburger Wissenschaftlers zeigen, wer sich zuerst trotz Impfung infiziert und wie schwer die Verläufe sind. Daraus können man Rückschlüsse für Deutschland ziehen.
Laut Dölken ist anzunehmen, dass das bei Menschen der Fall sein wird, die in relativ kurzem Abstand zwei Dosen Astrazeneca bekommen haben. Aber: "Es besteht im Moment kein Grund zur Sorge vor nachlassenden Wirksamkeit", sagt der Leiter des Instituts für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg. Bei vielen Impfungen gegen andere Krankheiten sei eine Auffrischung nach einem Jahr notwendig. Grundsätzlich gelte auch: Je länger man die Auffrischung hinausschieben könne, desto größer sei der "Effekt des Boosters", also der Verstärkung des Impfschutzes.
Unabhängig vom erhaltenen Impfstoff hält er es für "sehr wahrscheinlich", dass auf lange Sicht alle Geimpften eine Auffrischung brauchen werden. Der Wissenschaftler betont jedoch, dass zur Bewältigung der Pandemie die Höhe der Impfquote weitaus wichtiger sei, als die Frage nach der Auffrischung.