zurück
Würzburg
Corona-Impfung: Verunsicherung durch übertriebene Warnhinweise?
Herzspezialisten setzen auf eine hohe Impfquote, das Risiko von Herzmuskelentzündungen sei "extrem gering". Ist der Hinweis von Impfstoff-Herstellern nur eine Formalie?
Obwohl extrem selten, weisen die Pharma-Unternehmen Biontech und Moderna nun auf den möglichen Zusammenhang mit aufgetretenen Herzmuskel- und Herzbeutelerkrankungen hin. 
Foto: SymbolRené Ruprecht, dpa | Obwohl extrem selten, weisen die Pharma-Unternehmen Biontech und Moderna nun auf den möglichen Zusammenhang mit aufgetretenen Herzmuskel- und Herzbeutelerkrankungen hin. 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 10.02.2024 18:56 Uhr

Bekannt sind bisher nur äußerst seltene Fälle mit milden Verläufen - bei zig Millionen Impfungen. Trotzdem haben die beiden Pharma-Unternehmen Biontech und Moderna vor wenigen Tagen einen so genannten "Rote-Hand-Brief" an Kliniken und Arztpraxen verschickt. Darin wird vor Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen als Nebenwirkungen einer Corona-Impfung gewarnt. Solche Hinweise zu Medikamenten werden als "Rote-Hand-Brief" bezeichnet, weil sie einheitlich mit einer roten Hand und der Aufschrift "wichtige Mitteilung" gekennzeichnet sind.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Herzerkrankungen ist nicht bewiesen, gilt laut Brief nur als "möglich" – wobei fast ausschließlich jüngere Männer betroffen sind. Die Pharma-Firmen sind allerdings gesetzlich zu dem Hinweis verpflichtet, in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Paul-Ehrlich-Institut.

Herzspezialisten aus Unterfranken halten Risiko für extrem gering

Bei Herzspezialisten in der Region Mainfranken stößt der Warnhinweis – verbunden mit der Aufforderung, die Patientinnen und Patienten aufzuklären – mitunter auf großes Unverständnis. In Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) befürchtet Kardiologe Dr. Michael Dobler eine wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung – gerade bei jenen, die aktuell noch mit einer Impfung zögern. Derartige Hinweise spielten bestenfalls Corona-Leugnern und Impfgegnern in die Hand, so seine Befürchtung. Dobler weist auf die extrem geringen Fallzahlen hin und stellt den kausalen Zusammenhang mit der Impfung in Frage. 

Laut "Rote-Hand-Brief" wurden in der EU seit Impfstart bis Ende Mai 145 Fälle von Myokarditis (Herzmuskelentzündung) nach einer Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer und 19 beim Impfstoff von Moderna festgestellt. Eine Perikarditis (Herzbeutelentzündung) trat 138-mal beziehungsweise ebenfalls 19-mal auf. Dem gegenüber stehen rund 200 Millionen verabreichte Impfdosen der beiden Hersteller. 

Auf Anfrage unterstreicht das Paul-Ehrlich-Institut die europaweite Zulassung der beiden mRNA-Impfstoffe. Entsprechend beobachte der europaweite Ausschuss für Risikobewertung mögliche Nebenwirkungen und habe beschlossen, die beiden Herzerkrankungen in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufzunehmen. 

Aufgetretene Fälle fast ausschließlich bei jungen Männern

Nach bislang vorliegenden Daten seien offenbar vor allem junge Männer nach der Zweitimpfung betroffen, typischerweise innerhalb von 14 Tagen. Dennoch betont der Ausschuss für Risikobewertung, dass der Nutzen einer mRNA-Impfung deutlich größer ist als das Risiko, an einer Myokarditis oder Perikarditis zu erkranken.

Für Deutschland hat das Paul-Ehrlich-Institut in seinem jüngsten Sicherheitsbericht von Januar bis Ende Juni 204 Fälle von Myo- oder Perikarditis bei mehr als 60 Millionen verimpften Dosen von Biontech und Moderna registriert. Dies entspricht etwa einer Wahrscheinlichkeit von 1:300 000. Kardiologe Dobler erinnert daran, dass diese Herzerkrankungen auch ohne Corona-Impfungen auftreten. Vielfach blieben sie unerkannt, er geht von einer relativ hohen Dunkelziffer aus.

Prof. Christoph Maack, Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) in Würzburg, sieht den Hinweis der Impfstoffhersteller gelassen.
Foto: Silvia Gralla | Prof. Christoph Maack, Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) in Würzburg, sieht den Hinweis der Impfstoffhersteller gelassen.

Auch am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) in Würzburg warnt dessen Sprecher Prof. Christoph Maack vor Panikmache. Die aufgetretenen Fälle seien extrem selten, niemand sei dabei gestorben. "Es wäre bedauerlich, wenn dadurch irrationale Impfängste entwickelt werden", sagt der Kardiologe. Der Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung sei deutlich größer als das Risiko einer Herzmuskelentzündung.

Kardiologinnen und Kardiologen aus der Region: Kein Grund für Verunsicherung und Ängste

Ähnlich sieht das Dr. Christian Rost, Kardiologie und Sportmediziner aus Würzburg: "Der Nutzen der Impfung überwiegt bei weitem." Jungen Leuten rät er gleichwohl, sich vor allem nach der Zweitimpfung 14 Tage mit intensivem Sport zurückzuhalten und auf mögliche Symptome einer Herzerkrankung wie Brustschmerzen, Kurzatmigkeit  oder Herzrasen zu achten. 

Unterdessen betrachtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie das Stocken der Impfkampagne mit Sorge. Denn Patientinnen und Patienten mit Herzkreislauferkrankungen hätten ein deutlich höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Andreas Jungbauer
BioNTech
Coronavirus
Herzkrankheiten
Impfgegner
Impfstoffe
Impfungen
Kardiologie
Kardiologinnen und Kardiologen
Region Mainfranken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. S.
    Ich dachte mal, dass diese "Rote Hand Briefe" nur bei extremen Gefährdungen ausgegeben werden...
    So muss sich z.B. jeder MS-Patient, der medikamentös behandelt wird, damit abfinden, dass einer, bis drei, von 1000 an einer PML erkranken wird, die typischerweise innerhalb von neun Monaten tödlich verläuft.
    Hier halte ich einen "Rote Hand-Brief" für gerechtfertigt!

    Doch bei einer Herzbeutelentzündung? Daran erkrankt, auch ohne Corona, schon seit längerer Zeit, etwa einer von Tausend!
    Bei Corona-Impfstoffen gibt man jedoch so einen Brief heraus, und schreibt: Einer von 300.000???
    Die Statistik würde also eher sagen: Diese Impfung schützt sogar vor einer Herzbeutel-Entzündung!
    Mit diesen alarmistischen Aussagen sollte daher in meinen Augen etwas sorgfältiger umgegangen werden!
    Denn sowas ist sicherlich nicht förderlich!!!
    Manche handelsübliche Schmerzmittel, wie z.B. Paracetamol, sind da sogar deutlich lebensgefährlicher. Man muss nur den Beipackzettel mal bitte komplett lesen...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. K.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten