
So einen märchenhaften Prozess erlebt man in Würzburg selten: Vor zwei Dutzend Zuschauern wird im provisorischen Gerichtssaal Recht gesprochen – einer zweckentfremdeten Festscheune am Stadtrand, die mehr Platz bietet als die Räume im Justizzentrum. Es geht um Träume von Reichtum, die Gier nach schnell verdienten Euros und um "Schokoladengeld", was immer das sein mag.
Bündelweise falsche Scheine
Vor allem geht es um bündelweise falsche Scheine – so schlecht gemacht, dass jeder ehrenwerte Fälscher schamrot würde: mies kopierte Banknoten mit einem leeren Fleck, wo die Nummer stehen müsste, und dem höhnischen Aufdruck "Freibier". Auf der Anklagebank sitzen fünf junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren. Die haben zugeben, mit den falschen Scheinen in Würzburg und Hof mehr als eine Viertelmillion echte Euro erbeutet zu haben. Die Beute wurde bei ihnen gefunden.
Aber sie versichern unisono, dies sei das erste Mal gewesen. Die Staatsanwaltschaft liege falsch mit der Vermutung, sie hätten mit dieser Masche regelmäßig Geld machen wollen. Überhaupt sind sie ihren eigenen Schilderungen zufolge so arm, dass man sich fragt: Wer hat die zwei Autos und den Sprit bezahlt, der sie 300 Kilometer weit – vom heimischen Leverkusen – bis nach Würzburg brachte?
Am 10. Dezember 2019 brachte Bau-Unternehmer Gerhard K. 56 000 Euro in kleinen echten Scheinen zur Übergabe in einer Bäckerei. Er bekam 70 000 Euro zurück: drei echte 500-er, der Rest waren Farbkopien. Peter E. ließ sich sechs Wochen später mit 200 000 Euro in kleinen Scheinen ins Würzburger Maritim-Hotel locken. Doch er bestand auf Prüfung bei einer Bank – dabei wären die 304 Blüten aufgeflogen. Die Übergabe eskalierte, die Dealer bauten auf der Flucht einen Unfall und wurden erwischt.

Nun mühen sich zehn teure Verteidiger um Verständnis für ihre Mandanten, die dem weitverzweigten Goman-Clan im Raum Leverkusen angehören – einer Großfamilie, die bei Ermittlern zur Organisierten Kriminalität einen mafiösen Ruf genießt. Das sei "eine andere Welt", versichert ein Anwalt. Was die Angeklagten über ihr Leben berichten, klingt wie Klischee und ist doch Fakt: 18 bis 25 Jahre alt, keiner hat die Schule beendet oder eine Ausbildung begonnen. Sie leben fast alle bei der Mutter, mit bis zu zehn Geschwistern: Den Vater kennen drei von ihnen nach eigenen Angaben nicht.
Ein Angeklagter: "Ich habe Rückenprobleme"
Jeden unterstützt die Mutter mit 50 bis 150 Euro pro Monat. Wovon die Angeklagten ihre Partnerin und bis zu drei Kinder ernähren? "Jobcenter", antworten sie unisono, "und Hartz IV".
Er könne ja nicht arbeiten, erklärt ein gerade mal Volljähriger: "Ich habe Rückenprobleme und Schmerzen." Auch die anderen vier geben den Status "Arbeit suchend" an und ignorieren geflissentlich die ungläubigen Blicke.

Ein Verteidiger sagt, sein Mandant zeige in U-Haft in Aschaffenburg mustergültige Ansätze, eine Arbeit zu finden: Er nehme an einem Nähkurs teil. Trocken sagt der Vorsitzende Michael Schaller: "Ich meine, in einem Bericht darüber gelesen zu haben, dass das Annähen eines Knopfes mehrere Stunden dauerte."
Fotos zeigen dicke Geldbündel
Die Fotos auf den beschlagnahmten Handys zeigen Geldbündel, so dick wie eine Bibel, und goldene Uhren, so teuer wie ein Kleinwagen. Auf Nachfrage von Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen versichern sie aber: Das seien Wunschbilder, aus dem Internet kopiert – nicht Trophäen früherer Tauschaktionen.
Den Opfern erklären sie zerknirscht: "Es tut mir leid." Dem Opfer aus Hof überreicht ein Anwalt als Wiedergutmachung einen Teilbetrag des geklauten Geldes, 26 500 Euro – der Zeuge prüft das Geld auf Echtheit.
Das Würzburger Opfer verzichtet auf "Schokoladengeld", eine Entschädigung, die ihm die bittere Erfahrung versüßen soll. Er bietet dagegen im Interview mit "Bild" an: Er würde die Männer sogar in seiner Firma arbeiten lassen. Gelegenheit dafür gäbe es am Dienstag nach dem Urteil. Das Gericht hat den Angeklagten für vollständige Geständnisse Haftstrafen zwischen eineinhalb und dreieinhalb Jahren in Aussicht gestellt. Ein Teil könnte zur Bewährung ausgesetzt werden.
Aber zu der Clanproblematik läuft gerade eine Doku bei Spiegel TV:
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/spiegel-tv-vom-05-10-2020-die-macht-der-clans-a-8acfa3e7-2037-436f-890c-adc1decd4777
Am Ende gibt`s 1 - 1,5 Jahre Haft, davon ein Großteil zur Bewährung und vom Rest vorzeitige Entlassung......