Wohl kaum eine Veränderung in der Würzburger Gastronomielandschaft hat in den letzten Monaten so viel Emotionen ausgelöst wie das Ende des Café Michel am Marktplatz. Nach 111 Jahren in Familienhand und damit vier Generationen Kaffeehaus-Geschichte schließt Geschäftsführerin Melanie Michel Mitte August das Traditionshaus.
Die Kommentarspalten waren voll mit Erinnerung: "Oh nein! Dort habe ich meine erste große Liebe gefunden", schreibt einer. "Dahin hat mich Tante Inge früher immer eingeladen", die andere. "Am meisten werden mir die Strudel fehlen!" beklagt der nächste und wieder jemand anderes schwärmt: "Die Schwarzwälder war ein Gedicht."
Eine traditionelle Handwerksbäckerei – aber mit vielen Filialen
Und jetzt? Das Café Michel wird zu BrotHaus. "Das sind riesige Fußstapfen", sagt Marcus Fischer. Er ist Inhaber von BrotHaus, einer Handwerksbäckerei in vierter Generation aus Burgbernheim in Mittelfranken. Eine Handwerksbäckerei, ja - aber auch eine, die mittlerweile über 60 Geschäfte in Mittel- und Unterfranken betreibt. Wird also die Befürchtung wahr, die so viele Würzburger geäußert hatten und die Stadt wird um eine Schnell-Bäcker-Kette reicher?
"Nein", lautet die klare Antwort von Fischer. "Bei uns geht es um traditionelles Bäckerhandwerk. Sauerteigbrot mit langer Teigführung, gebacken im Holzofen, ein hochwertiges Konditoreiangebot. Es wird guten Kaffee aus Siebträgermaschinen geben, ein großes Frühstücksangebot. Die Torten bleiben, die Strudel bleiben, die Familie Michel überlässt uns sogar ihre Strudel-Rezepte. Wir sind keine Schnellbäckerei. Nur weil es uns oft gibt und wir viele Filialen haben, heißt das nicht, dass wir nicht hochwertig sind."
Dass viele Würzburgerinnen und Würzburger so emotional auf die Übernahme reagieren, kann der 53-Jährige nachvollziehen: "Das sind mehrere Lebenswerke, die in diesem Café stecken und Geschichten, die dort geschrieben wurden." Ihn selbst haben nach Bekanntwerden der Übernahme Mails und Anrufe aus Würzburg erreicht, nicht alle davon waren freundlich.
Auch wenn er versuchen wird, das Kaffeehaus am Markt im Bewusstsein seiner 111-jährigen Tradition weiterzuführen, sagt er auch: "Wir werden kein Café Michel mehr sein. Das geht gar nicht. Wir wären immer nur eine schlechte Kopie dessen, was einmal war."
Gebacken wird nicht mehr im Keller unter dem Marktplatz
Aktuell führt er mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Café Michel Gespräche, die sich bei ihm beworben haben. "Wir freuen uns über jeden, den wir im Team begrüßen dürfen." Derzeit rechne er damit, 30 bis 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Würzburg zu beschäftigen. Die Backstube, die bislang im Keller des Hauses zu finden war, wird es in der Form nicht weiter geben. "Wir backen zentral in Burgbernheim und planen, dreimal täglich frisch nach Würzburg zu liefern", so Fischer.
Vor zwei Jahren sei die Familie Michel bereits das erste Mal mit der Frage auf ihn zugekommen, ob er sich vorstellen könne, das bekannte Würzburger Kaffeehaus zu übernehmen. "Ich war und bin total dankbar über dieses Vertrauen", sagt Fischer. Im letzten Herbst wurden die Pläne dann konkret. Nach der Schließung ab Mitte August wird dann zunächst eine Umbauphase folgen, bevor das Café voraussichtlich ab Februar oder März 2023 wieder eröffnet. Denn so liebgewonnen das Interieur des Cafés vielen Menschen in Würzburg auch ist - "wir müssen einiges sanieren".
Cafébetrieb im Erdgeschoss, im ersten Stock dann ein "Workspace"
Nicht nur die in die Jahre gekommenen Sanitäranlagen werden weichen müssen, die ganze Einrichtung wird modernisiert, die zwei Stockwerke werden anders aufgeteilt. "Unten werden wir einen klassischen Cafébetrieb haben, im ersten Stock einen 'Workspace', wo man sich auch mal mehrere Stunden zum Arbeiten zurückziehen kann ohne dauernd nachzubestellen."
Der Bestell- wie der Bezahlvorgang könne künftig digital abgewickelt werden, auch herkömmlich kann aber weiterhin geordert und die Rechnung beglichen werden. "Wir ergänzen das, was schon lange gut ist, um moderne Möglichkeiten", fasst Fischer zusammen. Die Stuckdecken etwa werden erhalten bleiben, der Straßenverkauf werde ausgebaut. "Es wird anders werden, ganz klar. Aber es wird gut bleiben."
Welche Erinnerungen haben Sie an das Café Michel? Erster Kuss, "Draußen nur Kännchen" mit Uroma Gisela oder Schule geschwänzt und stattdessen Strudel genascht - die Würzburgerinnen und Würzburger haben im Café am Oberen Markt viel erlebt. Was sind Ihre Erinnerungen? Wir wollen sie aufschreiben. Schreiben Sie uns bis zum 12. August, was Sie mit dem Café Michel verbinden an: redaktion.wuerzburg@mainpost.de oder an Main-Post Würzburg, Schönthalstraße 6, 97070 Würzburg.
dann urteilen.
Der Sohn backt. Die schöne Frau Fehrer verkauft.
Öffnungszeiten auf Facebook. Ab November. Beim Einkauf einen großartigen Espresso verkosten.
Ein Brot ist ja mittlerweile alt wenn es am Abend noch verkauft wird. Es muss ja alles frisch sein. Wehe es gibt 5 Minuten vor Ladenschluss nicht mehr alles.
Ganz ehrlich bei manchen freundlichen Kunden verstehe ich jeden Kleinbäcker, der irgendwann keine Lust und Nerven mehr hat, seine Backstube weiterzuführen.
Ganz abgesehen von den Nachwuchssorgen.
Hier wird sich auch kaum freiwillig jemand dafür interessieren?🧐
Dann wird eben mehr industrialisiert.
ich denk mal die produzieren im Schichtbetrieb
über den ganzen Tag verteilt.
Schichtbetrieb ist schon klar bei großen, muss ja immer alles "frisch" vorgehalten werden.