
Die Butter, sie spielte schon immer eine Rolle in ihrer Beziehung, sagt die Geschädigte vor Gericht. In guten Zeiten nannte er sie "Bébé Beurre", zu Deutsch "Butter Baby". In schlechten Zeiten kippte er an ihrem Arbeitsplatz Buttersäure in den Schlitz der Lüftungsanlage und legte damit das ganze Wöhrl-Kaufhaus mitten in der Würzburger Innenstadt stundenlang lahm. Deswegen musste sich ein 48-Jähriger vor dem Amtsgericht in Würzburg verantworten: Nachstellung, Beleidigung und gefährliche Körperverletzung wurden ihm vorgeworfen.
Es begann als Romanze am Arbeitsplatz: Die heute 48-jährige Geschädigte und der gleichaltrige Angeklagte lernen sich 2022 kennen, er verlässt für sie seine langjährige Freundin. "Mir war das wirklich ernst, ich war ehrlich verliebt", sagt sie vor Gericht.
Im August 2023 zerbricht die Beziehung, sie trennt sich von ihm. Daraufhin schickt er ihr unzählige Mails und Nachrichten, in denen er sie teilweise heftig beleidigt, sich dann wieder entschuldigt, seine Liebe beteuert und sie zurückgewinnen will. Immer wieder, so sagt es die Geschädigte vor Gericht, hätte sie gesagt, dass sie keinen Kontakt mehr möchte.
Er bombardiert sie mit Mails und droht ihr
Doch der Angeklagte lässt nicht locker: "Es wurde immer heftiger. Wir haben zu dem Zeitpunkt noch in der gleichen Firma gearbeitet. Jeden Morgen, wenn ich den Rechner hochgefahren habe, hatte ich zig Mails von ihm. Er hat mich bei Kollegen und Vorgesetzten schlecht gemacht, mir immer wieder gedroht. Ich hab mich nicht mehr getraut, alleine zur Arbeit zu gehen oder überhaupt die Wohnung zu verlassen", so die Frau vor Gericht. Bis heute leide sie an Angstzuständen. "Schon damals haben mir Kollegen geraten, ihn anzuzeigen. "Aber ich hatte gehofft, dass es einfach ein heftiges Ende der Beziehung ist und schnell vorübergeht."

Dem war nicht so. Im Herbst 2023 wechselt die Frau ihren Job, arbeitet nun im Erdgeschoss des Kaufhauses Wöhrl, gut einsehbar von der Straße aus. "Immer wieder hat er mir Mails geschrieben, aus denen hervorging, dass er mich während der Arbeit beobachtet." Mit einem immer mulmigerem Gefühl geht sie damals auf die Arbeit. Als irgendwann ein Feuerzeug, das sie ihm einst geschenkt hat, am Briefkasten des Kaufhauses hängt und die Fassade mit unzähligen Schneewittchen-Aufkleber beklebt ist, bekommt sie es mit der Angst zu tun. "Er weiß genau, dass ich großer Schneewittchen-Fan bin. Er hat einfach überall Spuren hinterlassen."
Mitte Dezember 2023 endet die Flut an Mails. Als froh und gelöst beschreibt die Tochter der Geschädigten vor Gericht deshalb die Mutter an den Weihnachtstagen: "Wir dachten, dass es endlich vorbei ist." Die Familie ahnt da nicht, dass der Angeklagte wenige Tage zuvor Buttersäure beim Online-Versandhändler Amazon bestellt hatte.
Etliche Wöhrl-Angestellte klagen über Symptome
Am 28. Dezember 2023, dem Tag der Säure-Attacke, ist die Geschädigte selbst morgens nur kurz an ihrer Arbeitsstelle. Sie nimmt einen beißenden Geruch wahr, dessen Ursache sie wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Kanalisation vermutet. Zu Hause plagen sie Kopfschmerzen und Übelkeit. Ihre Kolleginnen, die vor Gericht aussagen, berichten von Lungenreizungen, tagelangem Husten, Erbrechen, Ausschlägen.
Eine Wöhrl-Angestellte erkennt schließlich den Geruch, der sich über die Lüftungsanlage in allen Stockwerken auf über 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche verbreitet: "Ich hatte vor Jahren in einem Pelz-Geschäft gearbeitet, auf das Tierschützer einen Buttersäure-Anschlag verübt hatten. Den Geruch vergisst man nie wieder." Sie alarmiert Feuerwehr und Polizei, die daraufhin 300 Menschen aus dem Gebäude evakuieren.
Die Feuerwehr entdeckt die Buttersäure auf einer Fußmatte über einer Lüftungsanlage und versucht, den Geruch zu neutralisieren. Nach anderthalb Stunden darf das Gebäude wieder betreten werden, "Aber der Geruch hat sich noch tagelange gehalten. Wir haben mit FFP2-Masken gearbeitet und auch an unseren Kunden welche ausgeteilt. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir in diesen Tagen 300.000 Euro weniger Umsatz gemacht", so die Angestellte.
Die Geschädigte selbst erfährt erst am Tag darauf, dass ihr Arbeitsplatz Ziel einer Buttersäure-Attacke wurde - und wendet sich umgehend an die Polizei und zeigt ihren Ex an. "Ich hatte schon befürchtet, dass die Sache mir galt. Auch weil Butter immer wieder eine Rolle in unserer Beziehung gespielt hat", sagt sie vor Gericht. In zwei Wohnungsdurchsuchungen stellt die Polizei daraufhin mobile Endgeräte bei ihrem Ex-Partner sicher, auf denen die Amazon-Bestellung zu finden ist. Zudem finden die Ermittler heraus, dass der Mann am Tag der Tat unter anderem die Suchanfragen "Buttersäure Anschlag Strafe" gegoogelt hat.
Die Nachstellung räumt der Angeklagte ein, die Buttersäure-Attacke streitet er ab
Und der Angeklagte? Der räumt ein, dass er seiner Ex nachgestellt hat, auch die Beleidigungen gibt er zu, vor Gericht entschuldigt er sich bei ihr. "Die Trennung hat ihn sehr belastet", liest Verteidiger Jan Paulsen eine Erklärung vor. Allerdings bestreite sein Mandant, den Buttersäure-Anschlag verübt zu haben, so der Anwalt. Auch dass er einem Freund, der ebenfalls im Zeugenstand aussagen musste, eine Woche nach der Tat erzählt haben soll, er hätte "Blödsinn" gemacht und ihm den Screenshot der Buttersäure-Bestellung schickte, beweise nicht ausreichend, dass er den Anschlag auch wirklich verübt hatte. "Keiner hat ihn gesehen. Nur weil man Vorbereitungen trifft, heißt das nicht, dass man etwas auch tut. Es könnte auch ein Angriff aus der Kaufhaus-Konkurrenz gewesen sein", so Paulsen.
Weder Staatsanwaltschaft noch Gericht schenken der Version Glauben. Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Nachstellung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung. Verurteilt wird der Angeklagte von Richterin Lena Pohle schließlich genau deswegen, allerdings nur zu zehn Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Zusätzlich muss er 6000 Euro an den Verein Wildwasser zahlen. "Es sind zwar nur Indizien, aber so viele Zufälle gibt es nicht: die Bestellung, der Spitzname, die Aufkleber. Ich habe keine Zweifel daran, dass sie die Buttersäure-Attacke begangen haben", so die Richterin.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Lässt tief blicken!
nee, nicht deswegen, sondern weil es immer gesund ist, Dinge zu reflektieren. Auch für Männer.
Viele Grüße
Lara Meißner
Was das ganze mit dem Geschlecht zu tun haben soll, können Sie ja evtl. mal erläutern?
Zu den „Dingen“, dies es zu reflektieren gilt, zählen m.E. auf jeden Fall die Reproduktion von Geschlechterklischees und jede Form von Ideologie.
Der Bericht ist erfreulich ausgewogen, beleuchtet sowohl die auslösende psychische Situation als auch die Eskalation dieser Beziehung, bei der zwei Menschen offenkundig unterschiedliche Wünsche und Ziele hatten - ohne Dramatisierung und ideologischen Popanz.
So soll das sein.
Sie haben absolut recht. Auch wenn die Tat vor dem Gericht als verzweifelte Liebe dargestellt wurde, bleibt es eine massive Form der psychischen Gewalt. Ich habe daher die Überschrift geändert. Vielen Dank fürs aufmerksame Lesen und die Rückmeldung!
Herzliche Grüße
Lara Meißner, Redakteurin
„Racheakte“ und „psychische Gewalt“ sind regelmäßig Folgen von Verzweiflung, Ausgrenzung und zurückgewiesenen starken Gefühlen, landläufig durchaus als „Liebe“ bezeichnet….
Und mal generell: der Begriff „Gewalt“ insbesondere wird inflationär mal in der strafrechtlichen, mal in der kriminologischen, mal in der umgangssprachlichen Weise gebraucht - diese mitunter dramatisierende und ideologische Vermischung ist, vgl. Thomas Fischer, ungut und führt zur Konfusion, zur Beliebigkeit.
Nicht jedes „Gefühl“ ist gleich als Gewalt zu adressieren….
Ansonsten liegt es alleine im Ermessen von Frau Meißner, ihren Artikel so zu gestalten oder abzuändern, wie sie ihn für richtig hält.
Im Übrigen führt eine "verzweifelte Liebe" nicht zu einer Straftat, sondern das jeweilige Verhalten eines Einzelnen. Dabei kommen solche Verhaltensweisen auch nicht "regelmäßig" vor. Die allermeisten Menschen haben ihr Verhalten im Griff und werden auch dann nicht gewalttätig oder straffällig, wenn sie psychisch belastet sind. Insofern darf und muss man Gewalt als das bezeichnen, was sie ist.
Wer so Totschlagargumente und projektive Allgemeinplätze aneinanderreiht ist ganz sicher besser als die „allermeisten“ Menschen. Glückwunsch dazu Herr Vonhof.
Mich erstaunt die Intoleranz und Rechthaberei dieses Schreibers ebenfalls, der um sich schlägt nur des Schlagens wegen..
Das Forum lässt es leider rein vom Platz her nicht zu, Meinungen und Kommentare so umfangreich darzustellen, dass es auch wirklich jeder versteht, worauf ich hinaus will!
Aber derart pauschal Vorwürfe mal einfach so zusammenhanglos in den Raum stellen wie Sie das machen, geht halt m.E. auch nicht. Zumal ich gerade das Gegenteil fordere: nämlich Toleranz und Nachdenken, also das Gegenteil von dem, was Sie behaupten.