Der belarussische Honorarkonsul in Würzburg streicht die Segel. Wiederholt war der unterfränkische Geschäftsmann Markus Burtscher in die Kritik geraten, weil er – weitgehend ehrenamtlich – das diktatorisch regierte Weißrussland in Bayern vertritt. Jetzt hat er sein Konsulatsbüro im Skyline Hill Center am Würzburger Hubland geschlossen.
Mietverhältnis mit Würzburger Stadtkonzern wurde vorzeitig beendet
Am vergangenen Donnerstag wurden alle Spuren beseitigt, alle Schilder entfernt – durch den Vermieter, die zum stadteigenen WVV-Konzern gehörende Immobilien Management GmbH (IMG). WVV-Chef Thomas Schäfer bestätigt den Auszug, nicht dagegen einen Rauswurf. Bereits im Juli vergangenen Jahres habe man den Mietvertrag mit dem Honorarkonsul vom November 2019 gekündigt, angeblich wegen der Menschenrechtsverletzungen und der politischen Unterdrückung in Belarus.
Wegen der langen Kündigungsfrist hätte Burtscher dennoch bis April 2025 in den Büros bleiben können. Eigentlich. Doch vergangene Woche hätten beide Seiten das Gespräch gesucht. Man habe das Mietverhältnis auf Wunsch Burtschers zum 4. März vorzeitig beendet, weitere Zahlungen erfolgen laut Schäfer nicht. "Wir sind froh, dass das beendet ist", sagt der WVV-Geschäftsführer auf Anfrage.
Ohnehin wurde der Honorarkonsul nur selten an seinem Würzburger Dienstsitz gesichtet. Gegenüber dieser Redaktion verwies er auf den eingeschränkten Parteienverkehr in der Pandemiezeit. Warum er ein diktatorisches Regime unterstützt – dazu gab sich Burtscher wiederholt wortkarg. Es gehe ihm nicht um Politik, sondern um den kulturellen und den wirtschaftlichen Austausch. Ansonsten lehnte er Interviews mehrfach ab.
Im März 2021 hatte der Bayerische Journalistenverband in einem offenen Brief und mit einer Demonstration vor dem Konsulat gegen die Unterdrückung von Demokratie und Meinungsfreiheit sowie gegen die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten in Belarus protestiert. Burtscher ging auf Tauchstation.
Dem Vernehmen nach war der Konsul auch Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) ein Dorn im Auge, zumal in WVV- und damit stadteigenen Räumlichkeiten. Offenbar wurde der OB nun aktiv, um die Kündigung zu beschleunigen. Auf Anfrage kommentierte er: "Wir freuen uns, wenn der Honorarkonsul seinen Sitz in einer anderen Stadt hat."
Keine Verurteilung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine
Burtscher selbst, Geschäftsführer zweier Textilunternehmen, lässt aktuelle Fragen dieser Redaktion zu seinen geschäftlichen und persönlichen Verbindungen nach Belarus einmal mehr unbeantwortet. Ebenso wenig distanziert sich der 55-Jährige vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Unterstützung durch Belarus.
Der Diktatoren-Diplomat formuliert es in einer schriftlichen Antwort so: "Die derzeitige Situation der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine konnte trotz umfangreichen Gesprächen in den höchsten Ebenen der internationalen Diplomatie nicht verhindert werden. Es sind daher alle notwendigen diplomatischen Optionen für Gespräche anzunehmen zur Umsetzung einer unverzüglichen sofortigen Waffenruhe."
Die "unerwarteten Umstände" hätten die Arbeit aller Honorarkonsuln beeinträchtigt oder zum Erliegen gebracht. Deshalb habe er sich dazu entschieden, das Büro in Würzburg am vergangenen Mittwoch zu schließen, womit auch sein Ehrenamt als Honorarkonsul ende.
Netzwerker, Brückenbauer und Wirtschaftslobbyisten
Doch welche Aufgabe haben Honorarkonsuln eigentlich? Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes können sie "eigene Beiträge zur Pflege insbesondere wirtschaftlicher und kultureller Belange leisten". Dem Rechtsanwalt Christopher Hahn zufolge liegt der Fokus der Honorarkonsuln dabei eindeutig auf den wirtschaftlichen Belangen.
Er selbst ist Honorarkonsul der Elfenbeinküste mit Sitz in München und hat ein Fachbuch über das Ehrenamt geschrieben. Das Wirken des Honorarkonsuls liegt ihm zufolge "zu einem wesentlichen Teil im Bereich der Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspflege". Aufgrund ihrer persönlichen Kontakte seien sie "eine Art 'paraoffizielles' Organ der binationalen Beziehungen". Hahn bezeichnet die Honorarkonsuln außerdem als Netzwerker, Brückenbauer und Wirtschaftslobbyisten.
Galt das auch für den Honorarkonsul in Würzburg? Unternehmer Markus Burtscher fungiert als Geschäftsführer der IQM Technology GmbH mit Sitz in Röthlein (Lkr. Schweinfurt) und der in Wien ansässigen Cotton Solution GmbH, beides Firmen der Textil- und Bekleidungsindustrie. Bevor er sein Amt als Honorarkonsul antrat, war er freier Mitarbeiter im Generalkonsulat der Republik Belarus in München.
In einem Magazin der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus dem Jahr 2019 schildert Burtscher Eindrücke aus Belarus. Wer zum ersten Mal nach Minsk komme, sei immer erstaunt, wie weit dieses Land in seiner Entwicklung bereits sei. Als Standortvorteil hob er hervor, dass die Lohnkosten dort "sehr moderat" seien. Ideal zum Netzwerken seien die Abende des deutsch-belarussischen Wirtschaftsclubs. Im selben Jahr organisierte er in Würzburg zusammen mit dem Generalkonsulat sowie der IHK Würzburg-Schweinfurt eine Veranstaltung zum Thema "Belarus – Neue Geschäftsmöglichkeiten".
Erfolgreiche Zusammenarbeit auf "kommunaler Ebene"?
Außerdem nahm Burtscher an einer Gesprächsrunde teil, die den Titel "Wirtschaftlich erfolgreich in Belarus" trug. Bei der Veranstaltung wurde er von der IHK München und Oberbayern als "Senior Partner" der Firma Conte SPA Belarus vorgestellt. In welcher Verbindung Burtscher heute zu dem Unternehmen steht, teilte er auf Anfrage nicht mit. Conte SPA verfügt eigenen Angaben zufolge über 2000 Strickmaschinen, stellt Socken und Unterwäsche her und gehört zum belarussischen Staatskonzern Bellegprom.
Doch welchen Einfluss hat das autoritär regierte Land in Bayern? "Einen wichtigen Bestandteil der belarussisch-deutschen Beziehungen stellt die Zusammenarbeit mit den einzelnen Bundesländern dar", steht auf der Internetseite der belarussischen Botschaft über die Beziehung zu Deutschland. "Kontakte auf kommunaler Ebene gehören längst zu den erfolgreichsten Formen der bilateralen Zusammenarbeit", teilt die Botschaft mit.
Wirtschaftliche Beziehungen zu Belarus liegen "auf Eis"
Der Freistaat Bayern unterhält indes keine eigenen diplomatischen Beziehungen. Dafür ist der Bund zuständig. Aus dem Außenministerium in Berlin ist zu vernehmen: Die "von massiven Fälschungen gekennzeichnete Präsidentschaftswahl" im Jahr 2020, die "massive Verschlechterung der Menschenrechtssituation" in Belarus seitdem und "die politische Instrumentalisierung von Flüchtlingen und Migranten durch das belarussische Regime" belasten das Verhältnis "erheblich".
Das bayerische Wirtschaftsministerium kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Allerdings habe man wegen der "verschlechternden Menschenrechtssituation" in Belarus schon seit August 2020 keinerlei Aktivitäten mehr zur Festigung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Belarus unternommen", heißt es aus dem Ministerium. Nach dessen Einschätzung sind General- wie Honorarkonsuln "generell etablierte Ansprechpartner in der außenwirtschaftlichen Zusammenarbeit mit allen Ländern". Da aber "die staatliche Begleitung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Belarus und Bayern derzeit weitgehend auf Eis liegt", so ein Ministeriumssprecher, sei auch die Bedeutung derzeit "als eher gering" einzustufen.
Welche Rolle Belarus für die mainfränkische Wirtschaft spielt
Auch die Handelsbeziehungen zwischen Mainfranken und Belarus sind nicht sonderlich stark ausgeprägt, ordnet Kurt Treumann die Lage ein. Der Experte für Außenhandel der IHK Würzburg-Schweinfurt sagt: "Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen war die Republik Belarus eine wichtige Handelsdrehscheibe zwischen der Europäischen Union und Russland. Das Gros des wachsenden Landgüterverkehrs zwischen Europa und Asien floss durch das Land." Durch den Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Sanktionen vor allem gegen Russland trübe sich der Handel mit Belarus in Zukunft aller Voraussicht nach ein. Bayern ist für Belarus vor allem ein interessanter Technologielieferant, sagt der Wirtschaftsexperte.
Burtschers Konsularbezirk erstreckte sich auf ganz Bayern. Neben dem Generalkonsulat der Republik Belarus unterhielt er eines von nur vier Honorarkonsulaten in Deutschland – neben Cottbus, Hamburg und Leipzig. Wo sich ein Honorarkonsulat ansiedelt, muss Treumann zufolge nicht nur ausschließlich an ökonomischen Faktoren liegen. "Vielmehr können hier auch verkehrliche oder persönliche Gründe eine Rolle spielen", sagt der Experte.
Unterdessen legte der russische Honorarkonsul für Baden-Württemberg, Klaus Mangold, sein Amt am vergangenen Freitag nieder. Anders als Burtscher verurteilte er den Angriff Russlands auf die Ukraine. "Ich bin erschüttert über den Einsatz des russischen Militärs in der Ukraine. Dies ist ein Angriff auf einen souveränen Staat und den Frieden in Europa und der Welt", so der ehemalige Manager des Stuttgarter Autobauers Daimler gegenüber der "Stuttgarter Zeitung".
M. Burtscher war Österreicher und kommt aus Braz genauer gesagt aus Innerbraz, also kein Unterfranke !!
„Sehr geehrter Herr Burtscher,
wenn es Ihnen möglich ist, so leiten Sie bitte folgende Nachricht an die Botschaft der Republik Belarus in Berlin weiter:
‚Pfui!‘
Mit freundlichen Grüßen“
Eine Antwort habe ich weder erhalten, noch erwartet. Aber vielleicht konnte sie dazu beitragen, dass der Mann die Segel streicht. 💁🏻♂️
Diese Reportage hat mich sehr interessiert, vielen Dank dafür!