Würzburger Wissenschaftler wollen im neuen Jahr den Weg bereiten, um von 2022 an mithilfe von Verfahren ähnlich der Computertomographie ins Innere von Wolken zu blicken. Ziel sei es, durch die Struktur und die Bestandteile von Wolken mehr zu erfahren über Umweltverschmutzung und Klimaveränderung, erklärt der Kleinsatelliten-Forscher Klaus Schilling vom unabhängigen Forschungsinstitut Zentrum für Telematik (ZfT).
«Alle bisherigen Satellitenmissionen schauen sich vor allem das Äußere einer Wolke an.» Die Wissenschaftler, darunter ein Wolkenspezialist und ein Experte für Computertomographie aus Israel, wollen 2022 dann mit zehn Nano-Satelliten detaillierte Aufnahmen der inneren dreidimensionalen Struktur von Wolken ermöglichen (CloudCT).
Satelliten so klein wie ein Schuhkarton
Die Vorarbeit leisten derzeit vier kleine Satelliten des ZfT, die Ende September 2020 von Russland aus in den Weltraum geschickt wurden. Sie kreisen seither in einer Höhe von etwa 600 Kilometern über der Erde, bis zu 100 Kilometer voneinander entfernt. Bis Februar sollen sie voll einsatzfähig sein. «Die einzelnen Funktionsbausteine werden der Reihe nach in Betrieb genommen», erklärt Schilling die derzeitige Arbeit seines Teams. «Man muss das alles sehr vorsichtig machen, damit dabei keine Teile zerstört werden.»
Die Forscher haben mehrmals am Tag Funkkontakt mit «NetSat», den vier sogenannten Nano-Satelliten, die etwa so groß wie ein Schuhkarton sind. Sie sollen 2021 Formationsflüge üben, wodurch später die dreidimensionale Beobachtung eines Objekts möglich werden soll. «Das hat bisher noch nicht einmal die Nasa gemacht», sagt Schilling, das Projekt sei weltweit einmalig. Die Nasa ist die Raumfahrtbehörde der USA.
Satelliten werden immer kleiner
«Das ist Top-Wissenschaft, die da gemacht wird», sagt Markus Wagener, der im Bereich Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Kleinsatelliten-Programm leitet, über die Würzburger. «Kleine Satelliten sind ein Trend», etwa weil Bauteile, Komponenten oder Sensoren immer kleiner gebaut werden könnten. Zwischen 2010 und 2019 seien jährlich im Schnitt 181 Mini-Satelliten weltweit ins All gebracht worden. Von 2020 bis 2029 könnten es jedes Jahr 1011 sein, so eine Schätzung der Beratungsfirma Euroconsult (Graben).
«Mit Kleinsatelliten können Missionsziele häufig schneller und kostengünstiger erreicht werden», erklärt Wagener den stetig wachsenden Einsatz dieser Technik. Die meisten kleinen Satelliten kamen nach seinen Angaben im vergangenen Jahrzehnt aus den USA und China. Japan, Russland und Deutschland liegen mit ungefähr gleichen Anteilen auf den Plätzen drei bis fünf. «Der 5. Platz reflektiert aber nicht die hohe wissenschaftliche und technologische Leistung, die in Deutschland erbracht wird», erklärt er, denn diese sei beachtlich.
Weitere Satelliten sind in Planung
Sollten die im vergangenen Herbst ins All geschickten Nano-Satelliten erfolgreich miteinander kooperieren, will das Zentrum für Telematik 2022 zehn weitere Mini-Satelliten mit Spezialkameras einsetzen. Sie sollen sich in einer Formation selbst organisieren und ihre Lage im Raum verändern, um so die Computertomographie einer Wolke ermöglichen.
Sie könnten aber zum Beispiel auch bei Vulkanausbrüchen eine 3D-Karte von Aschewolken aufnehmen, sagt Schilling. Damit soll es etwa einfacher werden, diese zu umfliegen.
Das Geld für die CloudCT-Mission kommt vom europäischen Forschungsrat. Schilling (64), Leiter des Lehrstuhls für Informatik VII der Universität Würzburg, war 2018 gemeinsam mit den zwei Wissenschaftlern aus Israel mit dessen Forschungspreis im Wert von 14 Millionen Euro ausgezeichnet worden.
Der erste deutsche Pico-Satellit kam 2005 auch von Schillings Team an der Universität Würzburg und hieß «Uwe-1». Seine Mission: via Internet im All Signale an die Bodenstation senden und das in Experimenten optimieren.
Die vier derzeit im Orbit fliegenden Nano-Satelliten wiegen jeweils rund vier Kilogramm und sind etwa 10 mal 10 mal 30 Zentimeter groß. Gesteuert werden sie von Würzburg aus per Funkverbindung.
Kleine Satelliten sind in Entwicklung und Transport deutlich günstiger als ihre großen Geschwister, deshalb bieten sie sich für Hochschulprojekte und bestimmte Forschungsaufgaben an. Das Zentrum für Telematik ist eine außeruniversitäre Einrichtung. Es finanziert sich etwa durch Aufträge der EU, der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), des DLR und der Industrie.