
Maximilian Seubert steht am Gatter seiner Weide und ruft: "Ronja, Heidi, Sterni!" Schon setzen sich die schottischen Hochlandrinder in Bewegung. Die uralte Rinderrasse war ursprünglich nur in Schottland verbreitet. "Ich wollte schon immer Rinder halten", sagt Seubert. Eigentlich ist der 30-Jährige Heizungsbauer. Als ihm ein Kunde für die Reparatur einer Heizung statt Geld vier Rinder anbot, war die Idee zu einem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb geboren. Mittlerweile halten Maximilian Seubert und seine Eltern 50 Hochlandrinder und 60 Schafe, dazu noch einige Ziegen und Schweine.
Der Betrieb im 580-Seelen- Dorf Böttigheim im Landkreis Würzburg nennt sich "Von der Weide". Mit ihren mächtigen Hörnern, die bis zu 1,60 Meter Spannweite erreichen können, und ihren außergewöhnlich langen Haaren fallen die Rinder auf: "Das lange Fell ist absolut winterfest", sagt Seubert. Regen und Wind können nicht durch den Pelz dringen, selbst Schnee bleibt auf dem Haarkleid liegen.
Von der Geburt bis zur Schlachtung in einer Hand
Seubert ist die artgerechte Haltung wichtig: "Von der Geburt bist zur Schlachtung bleibt das Tier in unseren Händen. Uns liegt am Herzen das die Tiere möglichst ohne Schmerz und Stress sterben", sagt der Jungbauer. Tierleid habe er in vielen Ställen gesehen. Daher sei von Anfang an klar gewesen, dass seine Tiere nur auf der Weide stehen – im Sommer wie im Winter.
Über Fleisch wird viel gesprochen - nicht nur wegen der Skandale um Billigfleisch und Arbeitsbedingungen und wenn Unternehmen wie Tönnies in die Schlagzeilen geraten. Früher ein Nahrungsmittel für Sonntage und besondere Anlässe, ist Fleisch zum billigen Alltagsprodukt geworden. Die Massentierhaltung macht’s möglich. Doch wie sieht nachhaltiger Fleischkonsum aus? "Obwohl wir selbst Fleisch haben, gibt es bei uns nicht jeden Tag Fleisch", sagt Jungbauer Seubert. "Und wir verwenden alle Teile des Tieres - vom Kopf bis zum Schwanz. Wir schmeißen nichts weg."
Ein Rind besteht aus mehr als Filet und Entrecôte: Die Felle werden gegerbt, die Hörner sind als Trinkhörner bei Mittelalter-Fans beliebt. Sogar die Köpfe werden ausgekocht und können später als Deko dienen. "Isst man das ganze Tier und nicht nur seine besten Stücke, steigt die Wertschätzung", sagt der Landwirt aus Böttigheim. Wichtig ist ihm, dass seine Tiere am Hof geschlachtet werden: "Der Weideschuss ist unserer Ansicht nach die beste Methode hierfür." Auf der Weide blutet das Tier aus, dann wird das Fleisch im eigenen Schlachthaus verarbeitet.
Der Fleischkonsum ist in Deutschland von den 1950er Jahren bis in die 1980er Jahre stark angestiegen, das zeigt der "Fleischatlas 2018" der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Erst mit Rinderwahnsinn (BSE) und den ersten großen Fleisch-Skandalen Mitte der 1990er ging der Appetit auf Fleischwaren aller Art zurück. Inzwischen liegt der jährliche Konsum pro Kopf bei durchschnittlich rund 60 Kilogramm. Rund zwei Drittel davon macht allein Schweinefleisch aus, etwa 13 Kilogramm entfallen auf Geflügel und etwa 10 Kilogramm auf Rind- und Kalbfleisch.
Vier von fünf Rindern sind in Laufställen untergebracht
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind Rinder ökonomisch gesehen die wichtigsten Nutztiere der deutschen Landwirtschaft: Etwa die Hälfte aller Landwirte hält Rinder, um Milch, Fleisch oder beides zu erzeugen.. Während die Zahl der Halter indes sinkt, steigen die Herdengrößen: Über zwei Drittel der Rinder leben laut BMEL in Betrieben mit mindestens 100 Tieren. Vier von fünf Rindern sind in Laufställen untergebracht, in denen sie sich relativ frei bewegen können. 1,2 Millionen Tonnen Rindfleisch werden so laut Bundeslandwirtschaftsministerium in Deutschland jährlich produziert, davon stammen vier Prozent aus ökologischer Erzeugung.

So wie bei Maximilian Seubert, einfach auf der Weide, leben also nur die wenigsten Rinder in Deutschland. Im Sommer fressen die Tiere Gras, im Winter bekommen sie Silage und Heu von selbst bewirtschafteten Flächen. Für das Fleisch, den Leberkäs und die Wurst kommen die Kunden bis aus Heilbronn oder Stuttgart in den Böttigheimer Hofladen. "Wobei es für die Steaks lange Wartelisten gibt", sagt Seubert. Suppenfleisch, Innereien, Knochen und Knorpel habe er dagegen immer im Angebot.

Was der junge Landwirt gut findet: Immer mehr Verbraucher wollen wissen, unter welchen Umständen ein Tier gelebt hat, dessen Fleisch sie kaufen. Laut einer Umfrage des Bund für Umwelt und Naturschutz würden 88 Prozent der Deutschen mehr Geld für Fleisch ausgeben, wenn so die Umwelt geschont und es den Nutztieren besser gehen würde. Anfang 2019 wurde im Handel eine Haltungsform-Kennzeichnung eingeführt. Damit soll Kunden die Möglichkeit geben werden, sich gezielt für besser produziertes Fleisch zu entscheiden.

Die Haltungsform 1, also Stallhaltung, sei in den Kühlregalen am häufigsten vertreten, sagt Annegret Hager, Ernährungsberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Würzburg. "Das liegt auch an der hohen Nachfrage nach möglichst billigem Fleisch." Fleisch von Tieren der Haltungsstufe 3 oder Bio finde man dagegen vor allem bei Discountern eher selten. "Den Kunden fehlt im Supermarkt schlicht das Angebot, um sich für mehr Tierwohl bei der Fleischqualität entscheiden zu können", sagt Hager. Noch dazu gebe es oft Lockangebote, da koste ein Pfund Hackfleisch weniger als eine Gurke aus der Region.
Maximilians Seuberts Rinder leben fast ein Jahr länger als ihre Artgenossen aus der Massentierhaltung, die mit etwa 18 bis 24 Monaten ihre Schlachtreife erreichen. Und sie setzen durch die viele Bewegung weniger Fett an. Während es ein konventionelles Rind auf 300 bis 400 Kilo Fleisch bringe, "haben unsere schottischen Hochlandrinder etwa 100 Kilo", sagt Seubert. Klar, dass der Preis dafür höher sei. Aber dafür schmecke das Fleisch ja "einfach fantastisch".