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Würzburg
Bauen in Zeiten des Klimawandels: 7 Tipps, wie es in Häusern und Wohnungen auch bei Hitze erträglich bleibt
In Unterfranken gibt es immer mehr Hitzetage - was heißt das für Häuslebauer? Zwei Experten sagen, was Sie beim Bauen und Sanieren jetzt schon beachten sollten.
Wie müssen Häuser gebaut oder saniert werden, damit die Raumtemperatur auch in Hitzephasen erträglich bleibt? Architekt Hans Bieberstein (links) und Biologe Steffen Jodl vom Bund Naturschutz in Würzburg geben Antworten.
Foto: Thomas Obermeier | Wie müssen Häuser gebaut oder saniert werden, damit die Raumtemperatur auch in Hitzephasen erträglich bleibt? Architekt Hans Bieberstein (links) und Biologe Steffen Jodl vom Bund Naturschutz in Würzburg geben Antworten.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:30 Uhr

Auch in Unterfranken gibt es immer mehr Hitzetage mit über 30 Grad und Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt. Darunter leiden vor allem die Menschen in Städten. Durch den hohen Anteil an Beton- und Asphaltflächen wird dort viel Wärme gespeichert, gleichzeitig fließt das Niederschlagswasser ab anstatt zu verdunsten und die Umgebung zu kühlen.

Die Hitze belastet  Menschen - besonders dann, wenn sie sich in Haus und Wohnung auch über Nacht hält. Kann man Häuser so bauen oder sanieren, dass sie sich auch während längerer Hitzephasen nicht zu sehr aufheizen? Antworten geben der Architekt Hans Bieberstein und Biologe Steffen Jodl, Geschäftsführer und Regionalreferent beim Bund Naturschutz in Würzburg. 

Der Architekt Hans Bieberstein hat eines der ersten Häuser in ökologischer Bauweise in Unterfranken geplant: das Ökohaus auf dem Geländer der Landesgartenschau von 1990 in Würzburg. 
Foto: Thomas Obermeier | Der Architekt Hans Bieberstein hat eines der ersten Häuser in ökologischer Bauweise in Unterfranken geplant: das Ökohaus auf dem Geländer der Landesgartenschau von 1990 in Würzburg. 

Bieberstein hat vor über 30 Jahren das Ökohaus in Würzburg im Auftrag der Stadt und der Landesgartenschau 1990 GmbH für die damalige Landesgartenschau geplant und gebaut: ein Niedrigenergiehaus mit Sonnenenergie- und Regenwassernutzung, umweltfreundlichen Baumaterialien und Dachbegrünung, das seiner Zeit weit voraus war. Auch heute gilt das Ökohaus noch als Musterbeispiel für ökologisches Bauen.

1. Prüfen Sie, ob der Bebauungsplan ökologisches Bauen ermöglicht

Wichtig vor dem Bauplan (Symbolbild) ist beim ökologischen Bauen der Bebauungsplan: ist Dachbegründung erlaubt oder Solarkollektoren? 
Foto: Kai Remmers, dpa | Wichtig vor dem Bauplan (Symbolbild) ist beim ökologischen Bauen der Bebauungsplan: ist Dachbegründung erlaubt oder Solarkollektoren? 

Der Bebauungsplan spielt für Bauherren, die ein ökologisches Haus planen, eine wichtige Rolle. Der Grund: "Dort ist bereits festgeschrieben, ob Dachbegrünung und Solarkollektoren erlaubt sind", sagt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Sollen Solarkollektoren installiert werden, sind die Firstrichtung und die Dachform beziehungsweise Dachneigung wichtiger als bei traditioneller Bauweise. Auch zeige der Bebauungsplan auf, ob eine spätere Nachbarbebauung beispielsweise zu einer Verschattung der entsprechenden Dachflächen führen könnte.

"Immer noch gehen viel zu viele Architekten und Bauherren nur nach der Optik. Sie planen Solaranlagen oder Dachbegrünung nicht ein", sagt der Biologe. Grün auf flachen Dächern und an Fassaden sollte aus seiner Sicht mittlerweile überall möglich und Standard sein. 

2. Richten Sie das Haus nach dem Sonnenverlauf aus

Die Ausrichtung eines Hauses spielt für die Planung eine entscheidende Rolle. 
Foto: Getty Images | Die Ausrichtung eines Hauses spielt für die Planung eine entscheidende Rolle. 

Die Himmelsrichtungen spielen beim Entwurf des Hauses eine entscheidende Rolle, sagt Architekt Hans Bieberstein. Fassaden Richtung Süden haben einen höheren Energieeintrag als Fassaden nach Osten oder Westen, da die Sonne im Süden am höchsten steht. "Daher sollten die Fenster idealerweise nach Süden ausgerichtet sein, um im Winter die Energiekosten zu senken, im Sommer müssen diese Fenster allerdings mit einem Sonnenschutz ausgestattet werden." So könne die Sonneneinstrahlung im Sommer bei höchstem Sonnenstand für Fotovoltaik und Solarthermie zur aktive Sonnenenergienutzung zur Verfügung stehen.

In den kälteren Jahreszeiten könne die Sonne länger einstrahlen und führe damit dem Haus die gewünschte Energie und viel Tageslicht zu. Fenster im Osten und Westen lassen im Sommer viel Sonne ins Haus, sagt Bieberstein: "Daher wird es ziemlich schnell warm." Hitzefallen seien auch schräge Fenster, zum Beispiel Dachfenster. Richtung Norden sollten die Räume geplant werden, die keine Heizung benötigen.

3. Setzen Sie auf natürliche Baumaterialien

Natürliche Baustoffe wie Holz oder Lehm haben gute raumtemperierende Effekte.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Natürliche Baustoffe wie Holz oder Lehm haben gute raumtemperierende Effekte.

"Wer ein Haus in Holz-Lehm-Bauweise baut, ist klar im Vorteil", sagt Bieberstein. Beide Baustoffe können gut Feuchtigkeit speichern und abgeben, was einer Schimmelbildung vorbeugt. "Generell weisen Häuser, die mit ökologischen Werkstoffen gebaut werden, eine angenehmes und gesundes Raumklima auf", ist der Architekt überzeugt. Lehm – eine Mischung aus Ton, Sand, Kies und Feinsand -  wird schon seit tausend Jahren als Baustoff eingesetzt.

Heute gibt es Lehm als Lehmziegel oder in Verbindung mit einem Holzgestell. Dabei wird lockerer Lehm mit natürlichen Zusatzstoffen vermischt und auf ein mit Weide verwebtes Holzgestell verteilt. Anschließend muss die Masse  austrocknen. Lehmputz könne man für die Innenwände nutzen, genau wie Lehmfarbe, sagt der Architekt.

4. Achten Sie auf die Wärmedämmung

Bauen in Zeiten des Klimawandels: 7 Tipps, wie es in Häusern und Wohnungen auch bei Hitze erträglich bleibt
Foto: Andrea Warnecke, dpa

"Je massiver eine Wand ist, desto besser schützt sie vor Temperaturschwankungen", sagt der Architekt. Gute Wärmedämmung spare nicht nur Heizenergie im Winter, sondern schütze auch vor Hitze im Sommer. Eine wichtige Rolle spielen laut Bieberstein natürliche Dämmstoffe wie Hanf, Flachs, Zellulose, Baumwolle oder Schafwolle. Styropor sei zwar das günstigste Dämmmaterial, aber nicht ökologisch abbaubar und gesundheitlich bedenklich.

Zellulose zählt zu den günstigen natürlichen Dämmstoffen. Dazu werden alten Zeitungen geschreddert und in speziellen Fasermühlen zu Zelluloseflocken zerkleinert, die man dann zum Dämmstoff verarbeitet. "Die Dämmung mit Zellulose zählt also zu den natürlichen beziehungsweise den nachwachsenden Dämmstoffen, denn recycelte Zeitungen und andere Papierprodukte werden immer anfallen", sagt Bieberstein.

5. Planen Sie mit der richtigen Fenstergröße

Große Glasfassaden lassen viel Licht, aber auch Wärme ins Haus. 
Foto: Getty Images | Große Glasfassaden lassen viel Licht, aber auch Wärme ins Haus. 

"Durch den Klimawandel werden wir uns von großen Glasfassaden verabschieden müssen", sagt Bieberstein. Denn ein hoher Glasanteil trage stark zu sommerlicher Überwärmung bei. Die Größe der Fenster sollte so geplant werden, dass ausreichend natürliches Tageslicht ins Haus gelangt, aber im Sommer nicht überhitzt. Je nach Qualität des Fensterglases dringt mehr oder weniger Energie durch die Glasflächen, ausgedrückt durch den Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) und den Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert). Die beiden Werte sollten möglichst niedrig sein.

6. Setzen Sie auf Sonnenschutz

Der richtige Sonnenschutz kann sogar eine Klimaanlage ersetzen.
Foto: Getty Images | Der richtige Sonnenschutz kann sogar eine Klimaanlage ersetzen.

Wie in südlichen Ländern sollten die Fenster der Süd-, Ost- und Westseiten verschattbar sein. "Ein guter Sonnenschutz ersetzt die Klimaanlage", sagt Bieberstein. Der optimale Sonnenschutz bestehe aus einem flexiblen Sonnenschutz außen wie Rollläden oder Markisen, sowie einem Blendschutz innen (Jalousien, Rollos, Dachüberstände, Balkone, dichte Vorhänge). Auskragungen wie zum Beispiel kleine Vordächer seien ebenfalls eine effektive Beschattungsmöglichkeit, jedoch können sie nicht angepasst werden und reduzieren den Lichteintrag.

7. Verbessern Sie mit Dachbegrünung das Mikroklima

Begrünte Dächer filtern Abgase und binden Feinstaubpartikel. 
Foto: Getty Images | Begrünte Dächer filtern Abgase und binden Feinstaubpartikel. 

Fassaden- und Dachbegrünungen wirken sich positiv auf das Mikroklima rund ums Gebäude aus, sagt Biologe Steffen Jodl. Die Pflanzen bieten nicht nur wichtige Lebensräume für Tiere - sie produzieren Sauerstoff, filtern Abgase, binden Feinstaubpartikel und sie befeuchten und kühlen die Luft. Noch dazu isolieren begrünte Fassaden vor allem im Sommer das Haus: "Die Fassade heizt sich weniger stark auf, wodurch es in den Innenräumen kühler bleibt", sagt der Regionalreferent des Bund Naturschutz in Würzburg. Im Winter müsse man durch die Dämmung weniger heizen. Ein weiterer Vorteil: "Grüne Fassaden sehen auch schöner aus."

Für die Bepflanzung von Flachdächern gibt es einige anspruchslosere Pflanzen zur Auswahl, sagt Jodl: "Für extensive Dachbegrünungen haben sich Pflanzen unserer Trockenstandorte bewährt." Gemeint sind damit Pflanzen, die durch Wasserspeicherung an trockene Standorte angepasst sind, wie zum Beispiel Sedum-Arten. Aber auch Thymian, Graslilie oder Küchenschelle fühlten sich hier wohl. "Das wird dann von Jahr zu Jahr dichter."

Hitzeschutz für Haus und Wohnung: Tipps, Vorträge und Förderprogramme

Bei Fragen zum baulichen Hitzeschutz hilft die Energieberatung der Verbraucherzentrale Bayern unter www.verbraucherzentrale-energieberatung.de. Es gibt auch kostenfreie Onlinevorträgen unter www.verbraucherzentrale-energieberatung.de/veranstaltungen.
Viele Gemeinden bieten Förderprogramme für Dachbegrünung an. Dazu können sich interessierte Bauherren vor der Baumaßnahme an die zuständige Stadt oder Gemeinde wenden. Zudem können Kosten für ein Gründach unter bestimmten Voraussetzungen als Kosten für eine wärmedämmende Dachbegrünung im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen von der Steuer abgesetzt werden. Auch der Bund bietet Förderprogramme für den Erhalt und die Neuanlage von Dachbegrünungen an.
Eine Broschüre zum Thema hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gerade herausgegeben: "Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften - Empfehlungen für Planende, Architektinnen und Architekten sowie Eigentümerinnen und Eigentümer". Die Broschüre kann kostenfrei per E-Mail bestellt werden: wb6@bbr.bund.de. Mehr Informationen: www.bbsr.bund.de
Quelle:  BMWSB
 
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  • D. P.
    "[...] gleichzeitig fließt das Niederschlagswasser ab anstatt zu verdunsten und die Umgebung zu kühlen."

    Dieser Satz ist physikalisch haarsträubend. Bei Niederschlag wird die Umgebungsluft (die aus Luft und Wasser/Luftfeuchtigkeit besteht) durch das kühlere Regenwasser herunter gekühlt - der Wärmetausch findet im freien Fall des Niederschlags statt. Wenn das Regenwasser auf aufgeheizte Oberflächen fällt und dort verdunstet/verdampft, ist dieser Dampf wärmer als die Umgebungsluft und heizt diese auf. Das ist die Schwüle nach einem kurzen Regen - die kühlt nicht, sondern ist unangenehm.

    "Die Hitze belastet Menschen [...]"

    Es ist nicht die Hitze, die die Menschen belastet, sondern die Hitze in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, umso ineffizienter kann der Körper schwitzen. Kommt nun Hitze dazu, überhitzt der Körper. Daher im Sommer immer für geringe Luftfeuchtigkeit und Durchzug sorgen. Inspiration hierzu bieten die südlichen Länder.
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