Der Mann, der Erfolgsautor wurde und gerade ein Kochbuch geschrieben hat, das vermutlich auch wieder sehr, sehr weit oben auf den Sachbuch-Bestsellerlisten stehen wird, sagt tatsächlich: „Ich bin immer noch eine ziemliche Niete, was das Kochen betrifft.“ Und er sagt: „Ein neues Gericht stresst mich auch.“
In dieser Woche zum Beispiel hat sich Bas Kast am gekneteten Rotkohlsalat versucht. Mit Belugalinsen, Weintrauben und Walnüssen – ein perfektes Gericht für den Wissenschaftsjournalisten, der alle Studien zum Thema Ernährung durchgearbeitet hat und seit einem Jahr mit dem „Ernährungskompass“ Furore macht. Und der Salate liebt, Linsen sowieso und Nüsse und guten Käse auch.
Gekneteter Rotkohlsalat also. Bas Kast hielt sich an die Mengenangaben. Und am Ende, sagt er lachend, aß er die Schüssel dann alleine auf. Die Söhnchen hielten sich lieber an ihre Tomatensoßennudeln. Und Kasts Frau, eine Wissenschaftlerin, sagte dankend nein und meinte: „Das sieht eher nach special interest aus.“ Gemüse lecker zuzubereiten – „schon eine Kunst“, meint Bas Kast. Und gestand am heimischen Esstisch, dass der geknetete Rotkohl „schon etwas hardcore“ sei.
Aber es gibt ja noch 110 andere Rezepte in seinem neuen Buch. Wegen eben dem hat der 46-jährige Psychologe und Biologe, der mit seiner Familie seit ein paar Jahren in Rottendorf bei Würzburg lebt, gerade wieder „ein bisschen verrückt viel“ um die Ohren. Buchpräsentation bei Dussmann in Berlin, Fernsehaufzeichnung für Markus Lanz in Hamburg, Interview hier, Gespräch da. Buchmesse in Leipzig ist auch bald. Und dazwischen kommen immer neue Anfragen von anderen Verlagen, manchmal schon ganz konkret mit Vertrag: Ob Kast nicht noch ein Kochbuch schreiben könne?
Kasts Erfolgsgeschichte begann mit einem Kollaps. Beim Joggen raste wie aus dem Nichts das Herz, gerade 40 und Vater geworden brach der Wissenschaftsjournalist mit Schmerzen in der Brust zusammen. „Es war einer dieser Momente, in denen du tief drinnen weißt, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt.“ Geschockt stellte sich Kast die existenzielle Frage: Hatte er mit Junkfood seine Gesundheit ruiniert? Schokolade zum Frühstück, kein Mittagessen, abends dann jede Menge Chips und Bier zum Runterspülen.
Über Essen hatte sich Kast nie Gedanken gemacht. Nach dem Zusammenbruch war ihm klar: „Es musste sich etwas ändern.“ Ohne große Erwartung und Hoffnung stellte er seine Ernährung um, ziemlich radikal. Kein Zucker mehr, kein schlechtes Fett mehr, keine Industrieprodukte und Fertiggerichte mehr. Dafür sehr viel Gemüse, viel Vollkornprodukte, statt Cola gab's grünen Tee. Und Filterkaffee mit Schokolade – aber nur mit der ganz, ganz dunklen.
„Was dann passierte, hat mein Leben verändert, bis auf den heutigen Tag“, sagt Kast, als Wissenschaftsjournalist eigentlich eher zu Nüchternheit und Skepsis neigend. Erstaunlich schnell habe er sich besser und fitter gefühlt, seien bald die Herzbeschwerden abgeklungen. „Ich hatte am eigenen Leib erlebt, welche Macht die Ernährung haben kann.“ Doch warum? Und welche Lebensmittel waren denn nun „gut“, welche nicht? Welche lassen den Körper altern, welche schützen vor Altersleiden? Was ist vernünftig auf dem Teller? Wann ist eine Diät noch gesund – wann schon schädlich? Und an welchem der ungezählten Ernährungsmythen – Nudeln und Kartoffeln machen dick, spätes Abendessen schadet, Kaffee ist gesund, Kaffee ist ungesund – ist denn etwas dran?
- Was der Autor über Ernährungsmythen und versteckten Zucker sagt: "Was darf man noch essen, Herr Kast?"
Bas Kast fing nicht nur an, selbst zu kochen. Er begann wissenschaftliche Studien über Ernährung zu lesen. Dutzende, Hunderte. Über Monate. Irgendwann, nach zwei Jahren, hatte er Tausende sich teils widersprechende Studien durchgearbeitet, einiges selbst ausprobiert – und filterte die „wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über eine wirklich gesunde Kost“ heraus. Dass der Verlag, dem der Wissenschaftsjournalist das Exposé für einen „Ernährungskompass“, für die Bilanz seiner Recherchen, als Erstes anbot, das Buch ablehnte? Weil Kast ja als Psychologe bekannt war, nicht als Ernährungsexperte? Heute eine Anekdote, über die er breit schmunzelt: „Ein Buch zu schreiben ist wie eine Lotterie. Fast surreal.“
Mit C. Bertelsmann fand Kast einen Verlag. Für ein Buch, das trotz chemischer Strukturformeln und relativ komplexer Erklärungen zum Beispiel über Cholesterin, sofort boomte: Wochenlang stand sein „Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung“ im vergangenen Jahr dann auf den Bestsellerlisten ganz oben und steht dort immer noch. Als „informativstes Buch“ wurde der „Ernährungskompass“ zum „Wissensbuch des Jahres 2018“ gewählt und Kast in den Medien zum gefragten Mann. Wenn er heute im Kindergarten seine Söhne abholt, wird er schon mal von anderen Eltern um einen Olivenöl-Tipp gebeten.
„Ich bin kein großer Koch, ich habe für mich viel zusammengewürfelt“, sagt Bas Kast. In seinem Blog und im Buch hatte er geschrieben: Bitte schickt mir Linsenrezepte! Und die Leser wiederum wollten von ihm wissen: Welche Gerichte sollte man mit all den sicheren Erkenntnissen denn am besten kochen? Irgendwann klopften die ersten Verlage an: Ob der Erfolgsautor nicht ein Kochbuch machen wolle? Wenn schon, dachte der Rottendorfer, dann wenigstens beim eigenen Verlag. Und so ist bei C. Bertelsmann, bekannt für Unterhaltungsliteratur und Sachbüchern zu Politik, Geschichte und Naturwissenschaften, gerade „das erste und vielleicht letzte Kochbuch“ erschienen.
Zusammen mit Michaela Baur, einer studierten Ernährungswissenschaftlerin, die die Rezepte schrieb. Kast selbst verbrachte in den vergangenen Monaten „wirklich so viel Zeit wie nie“ in der Küche an Backofen und Herd. Ein paar Hundert Brote – Vollkorn! – hat er seit Erscheinen des Ernährungskompass' gebacken. Hat sich inzwischen eine Nudelmaschine zugelegt. Und zig neue Gerichte ausprobiert – „mit Zutaten, die ich mir selbst nie zugetraut hätte“. Aber alle Rezepte wollten getestet sein: „Zur Freude meiner Familie, die meine Experimente ertragen muss. Ich hatte unheimlich viel nachzuholen.“ Zum Beispiel die Fischfrikadellen mit Sauerkraut. „Da hatte ich echt Hemmungen“, sagt Kast. Fisch gab es bei ihm immer ganz und als Filet. Aber mit dem Stabmixer alles zermatschen? Das Ergebnis überzeugte: „Tolle Kombi!“.
Warme Balsamico-Radieschen mit Kräuterziegenkäse und Kürbiskernen, orientalisch gewürzte Dorade mit gelben Currylinsen, Tomaten gefüllt mit Quinoa und Oliven, Forelle à la Tini nach dem Rezept von Kasts Schwiegermutter, die sich als Naturheilkundlerin selbst intensiv mit Ernährungsfragen auseinandersetzte – die Autoren versprechen „gesunden Genuss“. Gerichte gibt's für morgens, mittags, abends. Und in seiner Einleitung erklärt Kast mit einer „Kompass-Ampel“, welche Lebensmittel grün, gelb oder rot sind. Was so viel heißt wie: Hier kann man guten Gewissens zulangen, die kann man essen, muss aber nicht – und die lieber meiden.
„Die Dosis macht das Gift“, sagt Kast. Und dass man von einem Wiener Würstchen nicht tot umfalle. Dass allzu strenge Verbote und Selbstkasteiungen sinnlos sind? Und dass man den „Ampel-Vorschlag“ bitte nicht allzu sklavisch auslegen solle. Er selbst aber bleibt sich und seiner Ernährung treu. Wenn er mit der Bahn von Hamburg, wo er mal schnell bei Lanz war – Ausstrahlung nächsten Dienstag –, nach Würzburg zurückfährt und Schokolädchen angeboten bekommt, lehnt er dankend ab. Viel zu niedriger Kakaoanteil. 90 Prozent müssen es schon sein, die Reserve-Tafel hat er immer in der Tasche.
Ob er schon die nächsten Rezepte testet? „Ich möchte nicht bis ans Ende meines Lebens Kochbücher schreiben“, sagt Kast, der sich nach wie vor als Psychologe, nicht als Ernährungsexperte versteht. Auch die Anfrage für eine Koch-Show lehnte er ab: „Das ist nicht mein Ding.“ Lieber beschäftigt er sich mit Bildung, würde gerne über Erziehung schreiben. Oder als Reporter eine Dokumentation drehen. Und wenn es dann abends nach der Arbeit in der Küche schnell gehen soll: Gibt's Nudeln mit Lachs-Spinat-Soße. Oder Zucchini-Puffer: „Die und ich, wir sind ziemlich beste Freunde geworden.“
Buchtipp: „Der Ernährungskompass – Das Kochbuch. 111 Rezepte für gesunden Genuss“ von Bas Kast in Zusammenarbeit mit Michaela Baur, C. Bertelsmann, 224 Seiten, 22 Euro
1/2 Rotkohl putzen, halbieren und in sehr dünne Streifen schneiden. 1 rote Zwiebel in sehr feine Streifen schneiden. 1 cm Ingwer schälen, reiben und mit 2 EL Aceto Balsamico 4 EL Olivenöl Salz und Pfeffer erhitzen. Die warme Vinaigrette über den Rotkohl gießen und kräftig kneten. 250 g Belugalinsen in 750 ml Wasser mit 2 Lorbeerblättern 2 Stielen Thymian und 1/2 TL Kreuzkümmel kochen. 1/2 Radicchio putzen und in Streifen schneiden. Rotkohlsalat mit Belugalinsen und Radicchio anrichten und mit 200 g blauen Trauben, 300 g Camembert o. Blauschimmelkäse und 80 g Walnusskernen servieren.
500 g Zucchini waschen, putzen und grob raspeln. 3 Frühlingszwiebeln waschen, putzen und in sehr dünne Ringe schneiden. Zucchiniraspel und Frühlingszwiebel mit 50 g gemahlenen Haselnüssen 2 EL Vollkornmehl 50 g geriebenem Käse und 3 bis 4 Eiern verrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. In einer großen Pfanne 2 EL Olivenöl erhitzen. Je einen gehäuften EL Zucchinimasse hineinsetzen und flach drücken. Von jeder Seite bei mittlerer Hitze in ca. 4 Minuten goldbraun braten.
Dazu gibt's Tsatsiki aus 100 g geschälter, entkernter, geraspelter Salatgurke, 1 gepresster Knoblauchzehe, 3 EL Olivenöl und 400 g Sahnejoghurt.