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WÜRZBURG
Der Lauf ins Zuckerloch und weiter
Futter für die grauen Zellen - Auf die Ernährung kommt es an       -  Gute Sportlernahrung: Bananen liefern schnell Kohlenhydrate, Magnesium und Kalium.
Foto: Andrea Warnecke | Gute Sportlernahrung: Bananen liefern schnell Kohlenhydrate, Magnesium und Kalium.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:56 Uhr

„Dieses flaue Gefühl, das hatte ich nach 40 Minuten früher wirklich oft.“ Bas Kast ist immer schon gerne laufen gegangen, sogar „für mein Leben gern“. Aber dieser Moment des „Crashs“, wie er ihn nennt, der machte einfach keinen Spaß. Da ist man gut auf der Strecke unterwegs, alles läuft . . . Und plötzlich: „Ein subjektives Gefühl von extremem Hunger.“ Es ist der Moment, wenn nach knapp einer Stunde im strammen Trab die Glykogenspeicher in Muskeln und Leber leer sind und der Körper von Kohlenhydrat- auf Fettverbrennung umschalten muss. „Gib‘ mir was zu futtern, wo ist das Zuckerwässerchen?“, melde der Körper dann erst, erzählt der 45-Jährige. „Das war der Moment, wo ich wirklich aufhören wollte.“ Aber wenn er die Zähne zusammenbiss und trotz „Zuckerloch“ weiterlief, dann verging die Hungerattacke wieder.

Tausende Ernährungsstudien durchgeackert

Über den regelmäßigen „Crash“ bei seinen täglichen Joggingrunden machte sich der Wissenschaftsjournalist und Buchautor, der mit seiner Familie in Rottendorf bei Würzburg lebt, nie Gedanken. Bis er – nach gesundheitlichen Problemen – begann, sich über sein „Junkfood“ aus Schokolade und Kaffee, Paprikachips und Bier Gedanken zu machen. Der studierte Biologe und Psychologe wühlte sich in die wissenschaftliche Literatur, las Hunderte, Tausende von Untersuchungen und trug das „Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung“ in seinem „Ernährungskompass“ zusammen.

Jenseits von Ernährungsmythen, Ideologien, Diätweisheiten und modernen Trends wollte Kast wissen, was wirklich gesund ist. Im Frühjahr ist das Buch erscheinen – auf Anhieb kletterte es auf die Bestsellerlisten. Das wichtigste Ergebnis seiner Beschäftigung mit all den Studien über Ernährung, moderne Medizin, Stoffwechsel- und Altersforschung aber war: Er stellte seine Ernährung um. Aß kaum noch Fleisch, sondern lieber fettreicher Fisch wie Lachs oder Hering. Futterte Nüsse statt Chips. Reduzierte Nudeln und Kartoffeln, ließ Süßigkeiten weg (außer ganz dunkler Schokolade) und kochte sich viel, viel Gemüse in hochwertigem Olivenöl.

Kein „flaues Gefühl“ nach 40 Minuten joggen

Der Nebeneffekt seiner mediterranen Kost: Irgendwann merkte Bas Kast, dass er auf der täglichen Joggingrunde nach 40 Minuten „tendenziell weniger“ dieses „flaue Gefühl“, die Hungerattacke bekam. Durch die Umstellung auf eher kohlenhydratarme, dafür fettreiche Lebensmittel hatte sich sein Körper daran gewöhnt, statt Zucker Fette zu nutzen und zu verbrennen: „Der Crash fällt weg.“ Mehr als 40 Prozent seiner Kalorien nehme er inzwischen wohl in Form von Fetten zu sich, sagt der Wissenschaftsautor und passionierte Läufer. „Und mir geht?s sehr gut dabei.“

Nudeln, Nudeln, noch mehr Nudeln?

Und was ist mit den Kohlenhydraten? Den vielen Spaghetti, die Sportler in sich hineinschaufeln sollten? „Carb-Loading, das gilt immer noch“, sagt Bas Kast. „Aber für die explosiven, schnellen Sportarten, wo man in kürzester Zeit ein Maximum an Energie braucht.“

Wer sich verwirren will, muss nur die einschlägigen Läufermagazinen studieren. Je mehr man liest, desto mehr gegensätzliche Tipps. Mehr Kohlenhydrate. Weniger Kohlenhydrate. Unbedingt Energie-Gels. Keine Energie-Gels. Unbedingt Sportlerdrinks. Nein, Sportlerdrinks sind überflüssig. Gelatine für den Erhalt der Knorpel! Gelatine? Funktioniert nicht. Hier gibt es „leckere Rezepte“ mit Rote Beete, weil die ein „Leistungsbooster“ sei. Da werden auf Hochglanz mehr Proteine zum Frühstück angeraten und Porridge mit Huhn, Lachs und Ei. Dort empfiehlt ein Magazin viel Kartoffel, weil die bestens als Energiespender taugt.

Das Wichtigste: Ausgewogen essen

Dabei ist es mit der Sportlernahrung für Läufer eigentlich ganz einfach: Wer sich ausgewogen ernährt – also nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit einem hohen Anteil an komplexen Kohlenhydraten vor allem aus Vollkornprodukten, verschiedenen, idealerweise pflanzlichen Eiweißquellen, mindestens fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag, kalorien- und koffeinfreien Getränken, wenig Süßigkeiten und Alkohol nur in Maßen – und gerade keine strammen Tempoläufe macht, nicht hart trainiert und nicht vor einem Wettkampf steht, kann einfach: essen wie immer. Und loslaufen auch auf nüchternen Magen. „Selbst schlanke Menschen verfügen über schier unerschöpfliche Fettreserven“, schreibt der Würzburger Sportwissenschaftler Professor Billy Sperlich in seinem „Einsteigerbuch“. Sie reichten aus „um mehr als 20 Marathons laufen zu können“.

So viele Kalorien verbraucht man auf der moderaten Runde gar nicht

Der Kalorienbedarf beim Laufen lässt sich mit einer einfachen Formel berechnen, so Sperlich: „Pro zehn Minuten verbrennen Sie so viele Kalorien, wie Sie schwer sind.“ Wer 60 Kilo wiegt, verbraucht also bei einer Stunde Joggen 360 Kilokalorien. Zum Vergleich, der tägliche Grundumsatz bei einem Erwachsenen beträgt 8,7 mal Körpergewicht plus 829. Ergibt bei einem 60 Kilo schweren Mann einen Grundumsatz von 1351 Kilokalorien. „Bei Frauen zieht man aufgrund der geringeren Muskelmasse nun noch zehn Prozent vom Ergebnis ab.“ Und wie viel sind 360 Kilokalorien? Eine mittelgroße Banane hat rund 140 Kalorien, eine Handvoll Erdnüsse etwa 160.

Was sicher ist: Man kann bei einem kleinen Trainingslauf ein wenig Hunger leicht überbrücken. Und auch direkt nach dem Training „kann das Essen ruhig ein wenig warten“, sagt Sportwissenschaftlerin und Langstreckenläuferin Monika Rausch in Billy Sperlichs Einsteigerbuch. Wasser oder eine Apfelschorle reichen völlig aus. Anders bei intensivem, anstrengendem Training, wenn der Körper Nährstoffe zur Regeneration braucht. Rauschs Rat: „Sofort etwas essen.“ Wer gleichzeitig seine Muskeln aufbauen will, sollte auf die Proteine dabei achten – und Magerquark mit Früchten oder Rührei und Fisch mit Gemüse essen.

Je länger man läuft, desto mehr verbrennt man pro Minute

Sportwissenschaftler Billy Sperlich macht noch eine andere Rechnung auf: Der genaue Energieumsatz hänge neben dem Körpergewicht auch vom Fitnesszustand und der Intensität und Art der sportlichen Belastung ab. „Bei Joggern, die länger unterwegs sind, steigt der Kalorienverbrauch.“ Wer neun Kilometer läuft, verbrennt dabei zehn Kalorien pro Minute, beim Zwölf-Kilometer-Lauf sind es schon 11,4 Kilokalorien, bei der 15-Kilometer-Runde dann 13,1 Kilokalorien pro Minute. Grundsätzlich, empfiehlt der Würzburger Professor, sollten Jogger ihre Energie zu 55 bis 65 Prozent aus Kohlenhydraten, zu zehn bis 15 Prozent aus Eiweißen und zu 25 bis 30 Prozent aus Fetten aufnehmen.

Nahrungsergänzungsmittel? Nicht nötig.

Mit einer normal vernünftigen, ausgewogenen Ernährung sei es für Laufanfänger kein Problem, den Energiebedarf zu decken. Zusätzliche Vitamine, Mineralstoffe oder Nahrungsergänzungsmittel? „Benötigen Sie nicht“, sagt Sperlich, „das Geld können Sie sich sparen und lieber für qualitativ hochwertige und naturbelassene Lebensmittel ausgeben“.

„Keine Vitaminpillen!“ ist auch einer der zwölf Tipps, die Bas Kast nach der jahrelangen Beschäftigung mit Tausenden von Ernährungsstudien für sich zusammengefasst hat. Aber selbst das sei kein Dogma. „Wir leiden in Deutschland nicht unter einem allgemeinen Vitaminmangel.“ Seine ganz grundsätzliche Empfehlung in Sachen Ernährung, egal ob vor oder nach dem Joggen: „Offen sein und ausprobieren.“ Jeder Körper sei anders, jeder Sportler müsse selbst Erfahrungen machen, was ihm gut tut und was nicht. Er selbst laufe seine tägliche Runde heute ohne Blick auf die Uhr. Immerhin mit einem Tempo von zehn Kilometern pro Stunde. „Ich mache locker, mir geht?s ums Wohlbefinden. Zwölf Kilometer in der Stunde empfinde ich inzwischen als schnell.“

Laufen und Essen: Tipps und Allgemeines

• Wer sich als Freizeitläufer „gesund“ und ausgewogen ernährt – also mit viel Gemüse und Obst, ballaststoffreich und mit vielen Pflanzenölen, dafür wenig tierischem Fett - ist ausreichend versorgt und braucht keine extra Sportlernahrung. Einfach: wie immer essen.

• Der Kalorienmehrbedarf durch moderaten Sport wird gern überschätzt. Wer zwei bis drei Mal in der Woche läuft, muss weder eine zusätzliche Mahlzeit zu sich nehmen noch die Portionen vergrößern.

• Eiweißriegel nötig? Nein, das nötige Eiweiß für den Aufbau der Muskeln bekommt man durch die normale Ernährung ausreichend. Powerriegel? Enthalten meist zu viel Fett, lieber weglassen.

• Erklärt sich von selbst: Nicht mit vollem Magen loslaufen.

• Auf der normalen moderaten Joggingtour von 60 bis 90 Minuten ohne Intervalleinheiten braucht es unterwegs keine Verpflegung.

• Vor dem Wettkampf Kohlenhydratspeicher auffüllen! Also Reis, Nudeln, Kartoffeln essen. Und auch vor sehr langen Trainingsläufen oder Tempoläufen schon am Vortag kräftig komplexe Kohlenhydrate essen.

• Was einem vor einem anstrengenderen Lauf gut tut – ob Banane, Vollkorntoast mit Marmelade, Honigbrötchen oder – und ob man lieber zwei Stunden oder 30 Minuten vor dem Training was isst, es gibt nur einen Tipp: ausprobieren.

• Wer lange und intensiv unterwegs ist: Während des Laufens leichte Kost zu sich nehmen, eine Banane vielleicht oder einen wenig fettigen Müsliriegel. Traubenzucker „schießt“ zu schnell ins Blut, lieber die Energie konstant halten. Wer keine Riegel oder Energiegele mag, kann?s mit Datteln und Trockenfrüchten probieren.

• Nach dem langen Lauf oder dem Intervalltraining: auftanken noch vor dem Duschen, damit der Körper gut regenerieren kann. Mit Kohlenhydraten füllt man die Glykogenspeicher wieder auf, hochwertiges Eiweiß hilft, die geschädigten Muskelstrukturen schnell zu reparieren. Also: Kartoffeln mit Ei, Müsli mit Milch, Milchreis mit Früchten passt auch. Wer nicht gleich was Festes essen will, kann eine reife Banane mit Haferflocken, Kakaopulver, Beeren, ein paar Nüssen, Wasser oder Hafermilch mixen. Viele Läufer mögen nach dem Sport auch ein Bier (alkoholfrei!). Das ist magenfreundlich, isotonisch und enthält viele Kohlenhydrate, Mineralstoffe und Vitamine.

Die 12 wichtigsten Ernährungstipps von Bas Kast

Seit Wochen führt „Der Ernährungskompass“ von Bas Kast die Sachbuch-Bestsellerlisten an. In über drei Jahren hat Kast alle verfügbaren, sich teils widersprechenden, wissenschaftliche Studien zum Thema Ernährung zusammengetragen, untersucht und analysiert. Um Ende hat er für sich zwölf Tipps zusammengefasst:

1. Echtes Essen essen. Also: möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel essen. Alles, was direkt aus der Natur kommt, keine Zutatenliste braucht und nicht verpackt ist.

2. Pflanzen zur Hauptspeise machen. Nicht das Gemüse, sondern das Fleisch sollte die Beilage sein.

3. Lieber Fisch als Fleisch.

4. Joghurt ja, Käse okay, Milch so lala.

5. So wenig Zucker wie möglich. Und keine industriellen Transfette, also keine Industriesnacks.

6. Keine Angst vor Fett! Besonders empfehlenswert sind die einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Nüsse, Lachs, Hering, Leinsamen, Avocados, Olivenöl.

7. Wenig Kohlenhydrate – keine „Modediät“, sondern ein Versuch wert.

8. Eiweißeffekt nutzen. Eiweiß sättigt besser als Fett und Kohlenhydrate.

9. „Zeitfenster-Essen“: Zum Beispiel nur zwischen morgens um 8 Uhr und abends 20 Uhr.

10. Omega-3-Fettsäuren sind gut.

11. Keine Vitaminpillen!

12. Genießen!

Nachzulesen in: „Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung.“ C. Bertelsmann Verlag, München 2018, 20 Euro.

Läuft für sein Leben gern – und hat sich mit Tausenden von wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung beschäftig.
Foto: Mike Meyer | Läuft für sein Leben gern – und hat sich mit Tausenden von wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung beschäftig.
Wer nur ein Trainingsläufchen macht, muss beim Laufen nichts essen: Der Mensch hat genügend Fettreserven, sagt Sportwissenschaftler Professor Billy Sperlich.
Foto: Thomas Obermeier | Wer nur ein Trainingsläufchen macht, muss beim Laufen nichts essen: Der Mensch hat genügend Fettreserven, sagt Sportwissenschaftler Professor Billy Sperlich.
 
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