Das Getümmel in den Becken der Freibäder in der Region ist derzeit überschaubar. Viele schwimmen im Corona-Sommer aufgrund der Auflagen in Bädern lieber in Flüssen oder Seen. Der Nürnberger Alexander Gallitz, Präsident des Deutschen Schwimmlehrerverbandes, befürchtet daher eine deutliche Zunahme der Badeunfälle. "Wir müssen mit einem Anstieg von mindestens 20 Prozent rechnen", prognostiziert der Nürnberger im Gespräch mit der Redaktion.
Ob an Stränden der Nord- und Ostsee oder an Flüssen und Seen in Bayern – all jene Urlauber, die jetzt normalerweise am sicheren Hotelpool oder in Freibädern liegen würden, seien nun in gefährlichen Gewässern unterwegs, so Gallitz. Das betreffe die Region Unterfranken genauso wie alle anderen Regionen in Deutschland.
"An der Ostsee müssen zur Zeit täglich Menschen aus dem Wasser gezogen werden, die sich überschätzt haben. Badeunfall heißt ja nicht gleich Tod durch Ertrinken", so Ex-Leistungsschwimmer Gallitz weiter. Sein Appell: "Verstärkt aufeinander aufpassen, sich im Auge behalten, nicht nur aufs eigene Kind starren. Und im Notfall Hilfe holen, sich also bitte keinesfalls selbst in Lebensgefahr bringen."
Ansturm auf Badegewässer in Unterfranken
2019 sind in Unterfranken laut DLRG-Statistik elf Menschen bei Badeunfällen gestorben. Diese Zahl könnte sich, so Gallitz, nun signifikant erhöhen. Tatsächlich tummeln sich in Badeseen, im Main und in anderen unterfränkischen Gewässern schon jetzt jede Menge Menschen. Den Überblick zu behalten, ist bei dem Ansturm an heißen Tagen oft schwer. Auch für die Profis von Waserwacht und DLRG. Was die Region erwartet, wenn die Sommerferien Ende des Monats losgehen, kann man nur erahnen.
Udo Niehaus aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt) ist Vorsitzender des DLRG-Bezirksverbandes Unterfranken. "Grundsätzlich erwarten wir ein erhöhtes Besucheraufkommen an den heimischen Gewässern und daraus resultierend die Gefahr von steigenden Ertrinkungszahlen auch in Bayern", sagt er. Allerdings lasse sich aus den Beobachtungen der letzten Jahre keine valide Prognose der Zahlen ermitteln. So habe man schon in heißen Sommern wider Erwarten weniger Badetote registriert als in verregneten Sommern.
DLRG wacht an relevanten Stellen der Region
"Aus der Corona-Pandemie mit verändertem Besucherverhalten an heimischen Seen verbietet sich dann einfach eine Prognose", so Niehaus. Die DLRG werde entsprechende Wachdienste an den relevanten Stellen in Unterfranken sicherstellen und jedem möglichen Opfer die bestmögliche Hilfestellung leisten.
Mehr denn je steht durch die zu erwartenden Gefahren im Sommer der Pandemie ein Problem im Fokus, das seit vielen Jahren offenbar nicht in den Griff zu bekommen ist: Die mangelnde Schwimmfähigkeit im Land. "Nicht nur bei Kindern, auch bei Erwachsenen sieht es schlimm aus" , sagt Schwimmlehrer Alexander Gallitz. 60 bis 70 Prozent würden als nicht schwimmsicher gelten, beherrschten es nicht, unter Wasser auszuatmen oder sich vom Wasser tragen zu lassen. Als schwimmsicher gilt, wer 200 Meter zurücklegen und sich unter Wasser orientieren kann.
Corona: Ausgefallene Schwimmkurse verschärfen Problem
Etliche Schwimmkurse sind aktuell wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. In Bayern gibt es aktuell weiterhin keine Freigabe für die Kurse. Das bedeutet, dass weitere Kinder nicht ausgebildet in die Sommerferien starten und damit gefährdet sind. "Das Seepferdchen reicht nicht aus", betont Gallitz. Und wer sich nicht traue, mit dem Kopf unter Wasser zu tauchen, werde es in einer Notsituation schwer haben.
"Schwimmen lernt man auch nicht in einem einzigen Kurs, das ist ein Prozess, der dauert – die Elemente bauen aufeinander auf." 50 Stunden, so die Schätzung, brauche man, um sicher schwimmen zu lernen. Niemand könne erwarten, dass ein Kind nach einem Anfänger-Schwimmkurs in der Lage sei, das Brustschwimmen zu beherrschen.