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Würzburg
Babymord-Prozess: Mutter sagt aus - mit  Erinnerungslücken
Zwei Tage lang hörte das Landgericht Würzburg die wichtigste Zeugin im Verfahren um den gewaltsamen Tod eines acht Monate alten Babys. Welchen Eindruck die 21-Jährige machte.
Ex-Freund der Mutter angeklagt: Mühsam sucht das Landgericht Würzburg im Babymord-Prozess gegen einen 24-Jährigen nach der Wahrheit.
Foto: Thomas Obermeier | Ex-Freund der Mutter angeklagt: Mühsam sucht das Landgericht Würzburg im Babymord-Prozess gegen einen 24-Jährigen nach der Wahrheit.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:06 Uhr

Die Mutter des Babys, das im Dezember 2019 im Landkreis Main-Spessart gewaltsam getötet wurde, ist dem Landgericht Würzburg keine große Hilfe. Zwei Tage lang nahmen sich die Juristen in dieser Woche für die Zeugenaussage der 21-Jährigen Zeit, um beurteilen zu können, wie es zum Tod des acht Monate alten Säuglings kam. Doch das Ergebnis ist wenig ergiebig.

Erinnerungen verschwimmen

Die junge Mutter wirkt vor Gericht verletzlich, redegewandt und bemüht selbstkritisch. Aber wenn es heikel für sie wird, verschwimmen in ihrer Aussage die Erinnerungen. Sie beginnt zu weinen, schaut hilfesuchend zu ihrem Anwalt Martin Reitmaier.

Die Abiturientin berichtet, dass ihr Freund herrisch, streitsüchtig und aggressiv gewesen sei. Dass er kiffte und den ganzen Tag gezockt habe. Über eigenen Drogenkonsum will sie nichts sagen - auch nicht, als ihr vorgehalten wird, selbst stundenlang zockend am Computer gesessen zu haben, während ihr Baby im Nachbarzimmer lag.

Der Freund habe das Baby "nicht riechen" können

Ihr Freund habe das Baby, das einen anderen Vater hat, zeitweise nicht einmal riechen können und aus dem Wohnzimmer verbannt, erklärt die 21-Jährige. Und dass er mit einer anderen Frau auf dem Sofa gekuschelt habe, weil auch sie als Mutter nach dem Säugling roch.

Nur zögernd gibt die Zeugin zu, wie sie "heile Familie“ vorzuspielen versuchte, als die Hinweise immer deutlicher wurden, dass sie mit dem Säugling und Haushalt überfordert war. „Sie schildern sich als die perfekte Mutter. Warum war dann das Jugendamt 21 Mal bei Ihnen?“, fragt der Vorsitzende Claus Barthel.  Wie lassen sich Schädelbruch, Rippenbrüche, blaue Flecken im Gesicht des Babys erklären? Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hält der 21-Jährigen vor: "Das Kind wurde über Wochen und Monate gequält. Was sie schildern, erklärt den Zustand des Kindes nicht."

Die junge Mutter will indes noch genau wissen, dass man am Todestag des Kindes gemeinsam mit einem Bekannten im Wohnzimmer den Film „Pacific Rim II“ schaute – und der 24-jährige Freund keinen Finger gerührt habe, „obwohl er sich zur Fernbedienung nur vorbeugen musste“. Ob er mitten im Film ins Nebenzimmer ging, weil das Baby schrie? Sie hebt hilflos die Hände: "Ich habe nichts gehört, ich kann mich nicht erinnern, dass er rausging.“ Ob sie selbst zu bekifft war? Sie schweigt dazu.

Das Kind leblos gefunden - eine Decke fest über den Kopf geschlungen

Später setzt ihre Erinnerung wieder ein: Dass sie selbst nach dem stummen Kind geschaut habe - und sich wunderte, dass die Decke fest über sein Köpfchen geschlungen war. Wie sie das Baby aus dem Knäuel zerrte. Wie Ihr Freund „Oh mein Gott“ schrie, sich vor Aufregung erbrach, den Notarzt rief. Und dass ihr Baby dann tot war.

Der Vorsitzende fragt: Traut sie ihrem Ex-Freund Mord zu? Zögernd antwortet sie: Der 24-Jährige, der im Streit sogar seinem Stiefvater mit gezücktem Messer nachgelaufen sei, habe ihr eingetrichtert, man müsse jedem Menschen alles zutrauen. „Von daher: Ja.“

Wie verhielt sich der Angeklagte nach dem Fund des leblosen Kindes?

Verteidiger Hanjo Schrepfer lässt die 21-Jährige schildern, wie kopflos ihr Freund angesichts des leblosen Kindes durch die Wohnung gerannt sei. Er fragt nach: „Trauen Sie ihm konkret den Mord zu?“ Ihre Antwort diesmal: „Aufgrund seiner Reaktionen: Nein.“

Der Angeklagte selbst würdigt die Mutter im Zeugenstand keines Blickes, schreibt schweigend jede ihrer Aussagen mit. Warum sie in der Nacht eine Obduktion des Babys abgelehnt habe, fragt ein Richter. "Es war eine schreckliche Vorstellung!", sagt sie. Ob der Angeklagte Angst gehabt habe, ins Gefängnis zu müssen? Ob er den Fernseh-Kumpel gebeten habe, nicht zu verraten, dass er das Wohnzimmer verlassen hatte? Ob Freunde vielsagende Handy-Chats löschen sollten?

Schulterzucken. Das habe sie nur von Dritten gehört, sagt die Mutter. Sie erinnere sich aber an eine Bemerkung von ihm: „Na, es hat wenigstens etwas Positives: Nun können wir wenigstens unsere Beziehung wieder auf die Reihe bringen.“

Urteil wohl erst 2021 

Der Prozess wird mit weiteren Zeugen fortgesetzt. Das Urteil - das einmal für Anfang Dezember anvisiert war  – dürfte wohl erst im kommenden Frühjahr fallen.

 
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Kommentare
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  • J. W.
    Mehr Hilfsangebote für Menschen, die mit ihrem Kind überfordert sind, mehr Unterstützung, mehr Geld für Bildung und ein Mehr an Hinschauen, was um uns herum passiert, würde unserer Gesellschaft guttun. Vielleicht hätte zumindest dem Kind geholfen werden können, wenn jemand seine/ihre Hilfe angeboten hätte.
    Sehr, sehr traurig.
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  • R. R.
    Beide 8-10 Jahre Knast
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