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Würzburg
Aus für Sprechstunde am Würzburger König-Ludwig-Haus? Beliebter Arzt für Seltene Erkrankungen soll gehen
Aus ganz Deutschland kommen Patienten mit seltenen Knochenkrankheiten zu Dr. Lothar Seefried. Doch die Orthopädische Klinik in Würzburg will seine Abteilung wohl nicht mehr.
Orthopäde Dr. Lothar Seefried versorgt am Würzburger König-Ludwig-Haus Patienten aus ganz Deutschland, die  seltene Knochenkrankheiten haben. Doch zum Jahresende wurde ihm ein Auflösungsvertrag vorgelegt.
Foto: Patty Varasano | Orthopäde Dr. Lothar Seefried versorgt am Würzburger König-Ludwig-Haus Patienten aus ganz Deutschland, die seltene Knochenkrankheiten haben. Doch zum Jahresende wurde ihm ein Auflösungsvertrag vorgelegt.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:22 Uhr

Sie leiden an Erkrankungen mit nahezu unaussprechlichen Namen: Hypophosphatasie, Phosphatdiabetes oder Fibrodysplasia. Gemeinsam haben sie, dass ihre Krankheiten selten, einige sogar sehr selten sind. Und dass sie seit Jahren regelmäßig nach Würzburg kommen. Denn hier praktiziert an der Orthopädischen Klinik  König-Ludwig Haus mit Dr. Lothar Seefried ein international anerkannter Spezialist für seltene Muskuloskelettale Erkrankungen. Seefried leitet eine  Spezialsprechstunde für Osteologie, doch jetzt steht sein Behandlungs- und Forschungsbereich offenbar zur Disposition. Selbsthilfegruppen aus ganz Deutschland fürchten das Aus der Abteilung ihres beliebten Arztes. 

Mit der in Würzburg ansässigen Patientenorganisation "Hypophosphatasie e.V." (HPP) hatte der im Frühjahr überraschend gestorbene Vorsitzende Gerald Brandt seit Jahrzehnten die Vernetzung von Fachärzten und Experten in Würzburg betrieben. Jetzt sei Brands Lebenswerk in Gefahr, sagt Stella Semmler-Müller vom kommissarischen Vorstand des HPP-Vereins. Nach ihren Kenntnissen werde der Orthopäde Seefried von der Klinikleitung gedrängt, einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben. 

Führend bei Hypophosphatasie: Erste Studie zu Enzym-Ersatztherapie weltweit durchgeführt

Aus ganz Deutschland kommen Patientinnen und Patienten mit HPP zu Seefried und seinem Team, berichtet Semmler-Müller. Weit über hundert wären betroffen und würden nun mit ihren Problemen wieder allein gelassen. Seefrieds Abteilung seit weltweit die größte Anlaufstelle für HPP - nicht nur bei der Behandlung, sondern auch Erforschung. Gerade würde von Seefrieds Abteilung die weltweit erste Studie zu einer neuartigen Enzym-Ersatztherapie durchgeführt. Bei Hypophosphatasie führt ein Gendefekt dazu, dass Knochen und Zähne, aber auch Nervenzellen nicht richtig gebildet werden können.

Behandelt auch viele Kinder mit seltenen muskuloskelettalen Krankheiten: der Würzburger Orthopäde Dr. Lothar Seefried. 
Foto: Patty Varasano | Behandelt auch viele Kinder mit seltenen muskuloskelettalen Krankheiten: der Würzburger Orthopäde Dr. Lothar Seefried. 

Ja, er habe von der Klinikleitung des König-Ludwig-Hauses einen Auflösungsvertrag zum Jahreswechsel vorgelegt bekommen, bestätigt Dr. Lothar Seefried auf Nachfrage. Dies würde auch seine sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen, darunter eine Ärztin. Das Team finanziere er wesentlich über selbst eingeworbene Drittmittel für wissenschaftliche Projekte. Auch für die kommenden Jahre seien bereits zahlreiche Studien in Planung.

"Die Stelle von Dr. Seefried soll ersatzlos gestrichen werden, er kann dann nicht mehr für unsere Patienten tätig sein", beklagt Martha Kirchhoff, Vorsitzende des Vereins Phosphatdiabetes e.V.. Die auch Rachitis genannten Krankheit sei lange als eine Erkrankung des wachsenden Skeletts angesehen worden. Die Klinik in Würzburg gehöre zu den ganz wenigen Standorten in Deutschland, an denen sich ein multidisziplinäres Team auch um die erwachsenen Patienten kümmere, die lange vernachlässigt worden seien. Es sei ein Katastrophe, wenn das wegbrechen würde, sagt Kirchhoff. Weit über hundert Patienten wären betroffen.

Auf seltene Skeletterkrankungen wie Glasknochenkrankheit spezialisiert

Neben Hamburg und für Kinder Köln sei Würzburg eines der wichtigsten Zentren für die Glasknochenkrankheit, sagen René Bulz und Andrea König von der Deutschen Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (OI). Die aktuell hier laufenden Medikamentenstudien dürften auf keinen Fall abgebrochen werden, sagt Bulz. Und König fürchtet, "dass unter unseren Mitgliedern Panik ausbricht", wenn sie in Würzburg im Stich gelassen würden. Seefried sei international anerkannt und dabei zutiefst empathisch. Zu jeder Tages- und Nachtzeit sei er für seine Patienten erreichbar.

Ralf Fischer kommt mit seiner Tochter Sarah Jacqueline , die seit 20 Jahren an Fibrodysplasie leidet,  regelmäßig zu Dr. Lothar Seefried in die Sprechstunde.
Foto: Patty Varasano | Ralf Fischer kommt mit seiner Tochter Sarah Jacqueline , die seit 20 Jahren an Fibrodysplasie leidet,  regelmäßig zu Dr. Lothar Seefried in die Sprechstunde.

Auch die extrem seltene Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP), bei der nach und nach die Muskeln verknöchern, wird vom Würzburger Orthopäden behandelt. Bei dieser Krankheit müssten Behandlungsschritte besonders sorgfältig abgewogen werden, weil ungeeignete Maßnahmen zu einer lebenslangen Verschlechterung führen könnten, berichtet Ralf Fischer, Vorstandsvorsitzender des Vereins FOP e.V.. Auch aus Unterfranken kämen regelmäßig drei Patientinnen und Patienten zu  Seefried, die künftig für jeden Facharztbesuch nach Garmisch-Partenkirchen fahren müssten.

Vom Aus der Spezialsprechstunde an der Orthopädischen Klinik wäre auch die MPS-Gesellschaft mit Sitz in Aschaffenburg betroffen, die deutschlandweit zirka 800 Patienten vertritt, die an einer lysosomalen Speicherkrankheit leiden. In Deutschland gebe es noch nicht einmal eine Handvoll Orthopäden, die sich auf diese Erkrankung spezialisiert hätten, sagt Eva Schetter, die Familien betreut. Dr Seefried sei einer von ihnen.

Einzige Anlaufstelle für viele Betroffene: Dachorganisation der Selbsthilfeorganisationen besorgt

Bei der Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen (ACHSE) in Berlin, Dachorganisation von 130 Selbsthilfeorganisationen, schrillen die Alarmglocken. "Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung am König-Ludwig-Haus mit großer Sorge", sagt Dr. Christine Mundlos. Schriftlich habe sie sich Mitte August an Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel und an die Würzburger Uniklinik gewandt. Denn das Fachkrankenhaus steht unter der Trägerschaft des Bezirks Unterfranken und ist zugleich Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg.

Für viele der von Seefried betreuten Patientinnen und Patienten gebe es bundesweit keine gleichwertige Anlaufstelle, sagt Mundlos. Bisher habe sie auf ihre Briefe keine Antwort bekommen.

Bleiben die Kliniktüren am König-Ludwig-Haus in Würzburg für Menschen mit einer Seltenen Erkrankung schon bald verschlossen?
Foto: Fabian Gebert | Bleiben die Kliniktüren am König-Ludwig-Haus in Würzburg für Menschen mit einer Seltenen Erkrankung schon bald verschlossen?

Die Klinikleitung antwortet auf Nachfrage, dass es am König-Ludwig-Haus zwei Einheiten für die Versorgung bei Knochenstoffwechsel-Erkrankungen gebe: die Spezialsprechstunde "Osteologie" und eine klinische Studieneinheit. Doch die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen sei zu stark angewachsen, um sie in der jetzigen Struktur der Klinik abzubilden. Künftig würden unter anderem von Seefried ausgebildete Ärzte die Osteologie-Sprechstunde weiter fortführen, heißt es in einer Stellungnahme.  

Ärztlicher Direktor der Klinik: Fokussierung und Umorganisation nötig

Was die klinische Studieneinheit betrifft, werde eine engere Anbindung an das Muskuloskelettale Centrum Würzburg der Universität diskutiert, sagt der Ärztliche Direktor des König-Ludwig-Hauses, Prof. Maximilian Rudert. Man wolle Dr. Lothar Seefried damit aus dem klinischen Alltag freistellen. "Kliniken müssen sich fokussieren, also schauen: Was können wir weiterhin stemmen und wo müssen wir umorganisieren?", sagt Rudert. Die Gesundheitspolitik und die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen würden dazu zwingen. "Dabei möchten wir natürlich das Wohl unserer Patientinnen und Patienten weiterhin im Blick behalten."

Orthopäde Dr. Lothar Seefried: Behandlung und Erforschung gehören zusammen

Er selbst und sein Team würden ihre Arbeit sehr gerne in Würzburg fortsetzen, sagt Orthopäde Lothar Seefried. Seit 20 Jahren arbeitet der Osteologe am König-Ludwig-Haus. Neben der Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen fungiere er auch als Referenz für komplizierte Osteoporosefälle aus ganz Deutschland. In jedem der beiden Bereiche habe er zirka 500 Patientenkontakte im Jahr, sagt der Mediziner. Er hoffe auf eine nachhaltige Lösung, die es erlaube, seine Patienten weiter zu betreuen und die Forschung fortführen zu können. Denn beides gehöre für ihn untrennbar zusammen.

 
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  • Barbara Fersch
    sind wir mal ehrlich , ist unser Gesundheitssystem nicht auch überfordert, mit den vielen Menschen, die Täglich seit Jahren in unser Land kommen, und alle auch medizinisch versorgt werden??? Das kann doch nicht sein, dass unsere Kliniken, unser Land an die Wand gefahren wird, da sollten die Politiker endlich mal reagieren anstelle immer mehr für diejenigen zu kürzen, die ein Leben lang in diesem Land krankenversichert waren !!
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  • Susanne Orf
    Ich hoffe, dass Dr. Seefried und Team ein anderes Krankenhaus finden, das ihnen die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung stellen kann.

    Da das Team sich zu großen Teilen aus selbst eingeworbenen Drittmitteln finanziert und Dr. Seefried ein ausgezeichnetes Renommee genießt, könnten sich doch Kliniken im Würzburger Umland (KT, OCH, MSP etc.) glücklich schätzen, wenn sie hier aushelfen dürften, da sich hierdurch sicherlich auch neue Patienten für die Kliniken gewinnen lassen - von der guten Presse, die mit einem solchen Vorstoß verbunden wäre, ganz zu schweigen.
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  • Ralf Eberhardt
    Traurig, aber wahr (wird werden): derartige fachspezifische Expertise hat im kommerzialisierten und "industriealisierten" Gesundheitssystem keine Chance mehr. Konkreter formuliert: dieses Kümmern um Menschen mit seltenen Krankheiten bringt zu wenig Ertrag. Und die Menschlichkeit und die für eine Behandlung unabdingbare Zuwendung bleibt auf der Strecke. Das widerspricht im Übrigen der von Herrn Prof. Dr. Lauterbach zitierten Priorität von wissenschaftlichen Themen. Aber wahrscheinlich meint Lauterbach hier auch nur die "Wissenschaft", die ihre Wurzeln in der Pharmazie und der Gerätetechnik hat.
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  • Hélène Moreau
    Leiden diese Menschen mit seltenen Krankheiten nicht schon genug, muss man ihnen die Möglichkeit einer adäquaten Behandlung durch einen überaus beliebten und fähigen Arzt auch noch nehmen?
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  • Klaus - Peter Eschenbach
    Da fragt man sich wo unser Gesundheitssystem hingeht. Lauterbach lässt grüßen. Ist halt interessanter für die großen Konzerne Gesetze zu machen.
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  • Das Kernproblem sind die steigenden Kosten des Gesundheitssystems. Es ist nicht Lauterbachs Sch uld, dass es Widerstand gegen Beitragserhöhung zugunsten der Krankenversicherung gibt. Ihm zu unterstellen, dass er Patienten mit seltenen Erkrankungen nicht gut behandelt wissen möchte, ist eine unfaire Unterstellung.
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  • Ralf Eberhardt
    Lauterbach ist und bleibt ein Theoretiker. Das zeigt seine Ambition in Richtung Elektronischer Patientenakte und daraus abgeleiteter Studien, die vermeintlich allen helfen können. Das geht aber am Einzelnen und dessen persönlichem Schicksal vorbei. Und damit auch an vielen, die nicht in eine übergeordnete Krankheitscloud passen.
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