
Braucht Würzburg ein Fußball-Fanprojekt, auch wenn die Würzburger Kickers in der viertklassigen Regionalliga kicken? Die Frage wurde nach langen Diskussionen noch in diesem Frühjahr mit Ja beantwortet. Jetzt stellt sie sich erneut: Der Jugendhilfe-Ausschuss des Kreistags Würzburg hat gerade beschlossen, dass der Landkreis aus der Finanzierung des Fanprojekts aussteigt.
Das 2021 gestartete Projekt richtet sich an Anhängerinnen und Anhänger der Würzburger Kickers. Auch wenn es um den vergleichsweise kleinen Betrag von 20.000 Euro geht, könnte der aktuelle Beschluss das Ende bedeuten. Und, wie Philipp Beitzel von der bei der Deutschen Sportjugend angesiedelten Koordinierungsstelle für Fanprojekte (KOS) sagt: Er könnte ein "beunruhigendes Signal" für die Sozialarbeit im Fußball-Umfeld in ganz Deutschland sein.
Worum geht es eigentlich und was steht auf der Kippe? Ein Überblick:
Was ist ein Fanprojekt und was machen die Fanprojekte in Deutschland?
Die derzeit 70 Fanprojekte in Deutschland sind allesamt Einrichtungen der Jugendhilfe in den Kommunen. Sprich: Sie sollen unabhängig von den jeweiligen Vereinen agieren und dürfen deshalb auch nicht von den Klubs finanziert werden. Das gilt für Bayern München genauso wie für die Würzburger Kickers. In Würzburg fungiert das Diakonische Werk als Träger der Einrichtung.
Ausgebildete Sozialarbeiter, in Würzburg sind es zwei, kümmern sich um Fans und sogenannte Ultras: Gruppen, die sonst schwierig mit Sozialarbeit zu erreichen wären, in denen es aber auch viele Jugendliche in schwierigen Lebensumständen gibt. Es geht um Hilfe in der Schule und im Alltag und bei Konflikten mit dem Gesetz. Kurzum: zu verhindern, dass Jugendliche auf die schiefe Bahn geraten. In Würzburg gibt es einen offenen Fantreff im Stadtteil Heidingsfeld, mit Aktivitäten und Bildungsangeboten.
Rund um die Fußballspiele sind die Mitarbeiter des Fanprojekts im Einsatz, um Gewalt im Ansatz zu verhindern. Sie fungieren als Ansprechpartner für Fans und für die Polizei. "Szenebedingt besteht nur eine eingeschränkte Bereitschaft der Ultras, mit der Polizei zu kommunizieren", heißt es bei der Pressestelle der Würzburger Polizei. Das Projekt schaffe genau hier "eine Brücke zwischen den Fans, dem Verein und letztendlich auch der Polizei" und könne bei Konflikten vermitteln helfen. Die Warnung der Polizei: "Mit dem Wegfall des Fanprojekts würde diese etablierte Kommunikationsmöglichkeit wegbrechen."
Was kostet das Würzburger Fanprojekt?
Die Kosten in Würzburg: 200.000 Euro im Jahr. Die Hälfte davon bezahlt der Deutsche Fußball-Bund (DFB). 50.000 Euro kommen vom Freistaat Bayern, 30.000 Euro steuert die Stadt Würzburg bei. Der Landkreis Würzburg war in diesem Jahr mit 20.000 Euro beteiligt. Dass sich Kreis und Stadt an der Finanzierung beteiligen, ist die Ausnahme. In Aachen gibt es eine ähnliche Konstellation. Auch dort ist das Argument, dass nicht nur Fans aus dem Stadtgebiet, sondern auch aus dem Umland betreut werden.

Warum richtet sich das Projekt nur an Fans der Würzburger Kickers?
Weil es rund um den Verein eine entsprechende Fanszene gibt, zielt das Projekt auf Anhängerinnen und Anhänger der Kickers. Der Wunsch dazu kam einst aus Kickers-Fankreisen selbst. Die Arbeit basiert auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeitern und Anhängerschaft. Ein einzelnes Projekt bei unterschiedlichen, rivalisierenden Vereinen aufzubauen, ist so gut wie unmöglich.
Was bedeutet der Ausstieg des Landkreises Würzburg?
Der Landkreis trägt zwar den geringsten Anteil an der Finanzierung. Doch Stand jetzt Stand bedeutet das Ende der finanziellen Beteiligung das Aus für das Fanprojekt. Die Förderung durch DFB und Freistaat ist an die kommunale Beteiligung gekoppelt. Die Stadt Würzburg erklärt auf Nachfrage: "Im ersten Quartal 2025 wird die Frage der Fortführung der städtischen Finanzierung des Projekts unter den neuen Bedingungen erneut diskutiert."
Die Kickers spielen nur noch in der Regionalliga – braucht es da ein Fanprojekt?
Ob Regionalliga oder höhere Liga: Aus Sicht des DFB braucht es das Projekt in Würzburg - auch wenn es derzeit das einzige in Bayern ist, das sich an die Anhängerinnen und Anhänger eines Regionalligisten richtet.
Von den bundesweit insgesamt 70 Fanprojekten gebe es rund 20 Projekte, die sich an Fans von Viertligisten richten, sagt Philipp Beitzel von der Koordinierungsstelle Fanprojekte: "Die inhaltliche Arbeit ist von der Spielklasse unabhängig." Entscheidend sei die Größe der Fanszene. Beitzel spricht von 300 bis 400 jungen und jugendlichen Fans, die in Würzburg durch das Angebot angesprochen werden können.
Welche Kritik gibt es am Würzburger Fanprojekt?
Der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden unter 21 Jahren unter allen betreuten Personen ist, laut Statistik der vergangenen Saison, geringer als der Anteil der Älteren. Das kam nicht nur im Jugendhilfe-Ausschuss des Landkreises zur Sprache. Auch vom Sozialreferat der Stadt Würzburg heißt es, dass "die Mehrheit der erreichten Klientinnen und Klienten nicht mehr im Schwerpunktalter der Jugendlichen" liege.
Von Seiten des Fanprojekts heißt es dazu, der Kontakt zur gesamten Fanszene sei nötig, um auch bei den Jüngeren Vertrauen zu schaffen. Beitzel erinnert daran, dass für die Hauptgeldgeber DFB und Freistaat auch andere Aspekte eine Rolle spielen: "Aus deren Sicht geht es auch um die Sicherheit bei Fußballspielen. Hier hat das Fanprojekt eine zentrale Rolle als Vermittler im Netzwerk, beispielsweise Richtung Verein oder Polizei." Die Kommunen seien am Ende die Profiteure, so der Fanszenen-Experte: "Sie bekommen für relativ wenig Aufwand ein gut ausgestattetes Jugendhilfe-Projekt, bei dem Land und Fußball den Großteil der Kosten tragen."
Aus für das Würzburger Projekt - was wäre die Folge?
"Wenn das Projekt einmal weg ist, kommt es nicht wieder", ist Beitzel sicher. Bundesweit würde die Schließung registriert werden. "Mich schockt, wie unsere Arbeit von der Politik infrage gestellt wird", sagte KOS-Leiter Michael Gabriel kürzlich gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Es fehle offenbar "das tiefere Verständnis von Fußball als gesellschaftlichem Massenphänomen".
DFB und Deutsche Fußball-Liga (DFL) hatten erst in diesem Oktober in einer gemeinsamen Erklärung den Wert der Fanprojekte eigens betont. Zuletzt waren Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts verurteilt worden, weil sie vor Gericht mit der Sorge um das Vertrauensverhältnis die Aussage verweigerten, um Fans nicht zu belasten. Als Reaktion darauf gab es bundesweit Proteste in den Stadien. In dieser Stimmung, so Beitzel, hätte das Aus für das Würzburger Projekts eine besondere Symbolkraft.