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Würzburg
Auf was kann man verzichten und doch gut leben? Ein Würzburger Stadtrat gibt Nachhaltigkeits-Tipps
Manfred Dürr sitzt für die Grünen im Stadtrat und darf sich offiziell Energiesparmeister nennen. Er möchte im Alltag vorleben, was er politisch erreichen will. Ein Besuch.
Der Würzburger Stadtrat Manfred Dürr präsentiert sein Klapprad. Er verzichtet auf ein Auto und das ist nur ein Beispiel für seine nachhaltige Lebensweise.
Foto: Daniel Peter | Der Würzburger Stadtrat Manfred Dürr präsentiert sein Klapprad. Er verzichtet auf ein Auto und das ist nur ein Beispiel für seine nachhaltige Lebensweise.
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:07 Uhr

Die Ölpreiskrise 1973 war sein politisches Erweckungserlebnis. Während die Weltwirtschaft abstürzte, ist der junge Manfred Dürr, so erzählt er es heute, durch das Haus seiner Eltern gelaufen und befestigte Sensoren an den Heizungen. Der Drang zum Energiesparen ist Dürr, der für die Grünen im Würzburger Stadtrat sitzt, seitdem nicht verloren gegangen. An einem sonnigen Morgen sitzt er in seinem Wohnzimmer und präsentiert das Strommessgerät, mit dem er noch heute den Verbrauch jeder elektronischen Neuanschaffung überprüft.

Seit über 20 Jahren lebt der 63-jährige Wahl-Würzburger mit seiner Frau Heike Fischer in einer Dreizimmer-Mietwohnung in der Zellerau. Ein liebevoll bepflanzter Balkon, auf dem sich Wildbienen in der Erde eines Blumentopfes eingenistet haben, geht vom Wohnzimmer ab. Zwischen bunten Bildern, die Heike Fischer selbst gemalt hat, sitzen die beiden auf dem Sofa und erzählen von ihrem Alltag und ihrer Mission. Das Paar sieht sich als Vorreiter eines Kulturwandels, "da wir uns als Gesellschaft einen verschwenderischen Lebensstil nicht mehr leisten können", so Dürr.

Warum Sparsamkeit kein Spaß ist

Als Stadtrat sieht sich Dürr in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ihn bedrücke, dass Öl- und Gasimporte nicht nur den Klimawandel, sondern auch den Krieg in der Ukraine anfeuern würden. Für ihn ist daher klar: "Eigentlich brauchen wir als Gesellschaft jetzt zehn Jahre Pause vom 'just for fun'!"

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Also kommt seit Jahren jeder Aspekt seines Alltags auf den Prüfstand, ob man hier und da nicht doch noch ein bisschen sparen könnte. Ob Elektrogeräte, Essensgewohnheiten oder der Wasserverbrauch, alles werde optimiert. Was für Dürr Alltag ist, könnte für manch Außenstehenden wie ein Überlebenstraining für eine kommende Klimakatastrophe wirken. So verzichtet er des Öfteren beim täglichen Duschen auf warmes Wasser und gießt die morgendlichen Haferflocken mit Wasser anstatt Milch auf.

Wie kann man Urlaub und Mobilität nachhaltig verstehen?

Dass Nachhaltigkeit aber nicht unbedingt "weniger", sondern auch einfach "anders" bedeuten kann, betont das Paar beim Thema Urlaub. Die beiden leidenschaftlichen Kanufahrer paddeln alljährlich durch die mitteleuropäischen Gewässer, wie zuletzt im Spreewald. Zu Land sind sie meist mit dem Fahrrad oder der Bahn unterwegs und auch bei längeren Strecken verzichten sie auf Flüge. Exemplarisch dafür präsentiert der 63-Jährige sein rotes Klapprad, das er häufig dabei hat, weil man es so leicht in der Bahn mitnehmen kann.

Manfred Dürr zeigt in seinem Wohnzimmer wie er Ressourcen schont. Er ist mit Fahrrad und Bahn, statt mit dem Auto unterwegs. Alte Elektronik macht er wieder fit, anstatt neue zu kaufen. Auch Linsenaufstrich macht er selbst und verzichtet auf Fleisch.
Foto: Daniel Peter | Manfred Dürr zeigt in seinem Wohnzimmer wie er Ressourcen schont. Er ist mit Fahrrad und Bahn, statt mit dem Auto unterwegs. Alte Elektronik macht er wieder fit, anstatt neue zu kaufen.

Davon hat der Ingenieur auch während seiner beruflichen Laufbahn häufig Gebrauch gemacht. 20 Jahre war er in der Windenergie-Branche beschäftigt und pendelte mit Bahn und Rad nach Ochsenfurt. Seit drei Jahren sitzt er für die Grünen im Würzburger Stadtrat und hat seinen eigentlichen Beruf inzwischen aufgegeben, um sich voll und ganz auf das Ehrenamt zu konzentrieren.

Sind ökologisch und sozial Widersprüche?

Die häufig geäußerte Kritik an seiner Partei, sie würde mit ihren Aufrufen zu mehr Sparsamkeit, diejenigen vergraulen, die eh schon wenig haben, kann Manfred Dürr nicht verstehen. Er ist überzeugt, dass sich die erneuerbaren Energien im Vergleich zur Atomkraft oder fossilen Energien langfristig als ein "globales Friedensprojekt" entwickeln würden. Und auch lokal sieht er die soziale Frage nicht vernachlässigt. Zum Beispiel beim Wohnen: "Wenn nicht energieeffizient gebaut wird, merken das die Mieter über ihre Nebenkostenals erste."

"Wenn nicht energieefizient gebaut wird, merken das die Mieter über ihre Nebenkosten als erste."
Manfred Dürr

Das sparsame Wohnen der beiden Zellerauer lässt sich auch an den Zahlen ablesen. So liegt ihr jährlicher Stromverbrauch bei nur etwa 500 Kilowattstunden im Jahr. Zum Vergleich: Bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) gilt ein Wert bis zu 1800 für zwei Personen als sehr niedrig. "Es gibt Kühlschränke mit Energieeffizienz A+, die trotzdem einen höheren Stromverbrauch haben als unser ganzer Haushalt", scherzt Dürr.

Der Lohn dafür ist ein grünes Schild am Hauseingang: "ZDF-Energiesparmeister 2007" ist darauf zu lesen. Die Plakette wurde dem Ehepaar für seinen sparsamen Lebensstil im Garten des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler verliehen.

 
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Kommentare
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  • stefan.memmel@hotmail.de
    Krass wie hier einige wieder getriggert werden, nur weil beispielhaft ein Lebensentwurf vorgestellt wird, der unserer hedonistischen Konsumgesellschaft widerspricht. Ich mach auch nicht alles so wie Herr Dürr und könnte meinen ökologischen Fußabdruck bestimmt noch ein gutes Stück verkleinern, wenn ich die ein oder andere Bequemlichkeit überwinden würde. Umso mehr ist es wichtig und richtig, dass Leute wie Herr Dürr vorangehen und zeigen, dass gutes Leben ohne fettes Auto, jährliche Fernreisen, ein technisch hochgerüsteten Multimediahaushalt und dergleichen mehr möglich ist.
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  • Zugut
    Des war mir scho eh klar. Mach ich ohne Publicity und ohne dafür noch Geld zu verdienen. Man nimmt sich nicht mehr als man braucht. Das war so früher und ist heute noch so richtig.
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  • christian@kreatil.de
    Was andere schreiben und was Sie in das Geschriebene hinein interpretieren und moralisieren, das ist manchmal ein gewaltiger Unterschied, @hentinger. Sie kommentieren ja hier auf mainpost.de sehr rege, deswegen ist mir das schon desöfteren aufgefallen.
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  • Faultier
    Man kann viel Energie sparen, indem man die Wohnung oder das Haus im Winter nur auf 21 Grad heizt.
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  • Zugut
    Herr, lass Physiker und Entwickler vom Himmel regnen und durch sie der grünen Ersatzreligion ein Ende setzen. Herr, gib uns Zuversicht und Lebensfreude durch menschliche Intelligenz. Herr, lass die grünen Schamanen sich und ihre Doppelmoral entlarven, auf dass wir wieder an uns selbst und an eine lebenswerte Zukunft glauben können. Vorsprung durch Technik!!! Amen.
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  • Albatros
    In wenigen Sätzen den Nagel auf den Kopf getroffen.
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  • christian@kreatil.de
    Des Menschen Technik hat unser Erdklima an den Rand des Abgrunds gebracht. Sie wollen uns doch nicht ernsthaft glauben machen, noch mehr von demselben würde die Probleme lösen? Der Physiker Albert Einstein hat solch ein Vorgehen als Wahnsinn bezeichnet.
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  • Zugut
    Dann müssen wir aber das wahre Problem beim Namen nennen:

    1950 2,2Milliarden Menschen
    2022 8,3 Milliarden Menschen

    Technik ist da wirklich die einzige Möglichkeit, diese schiere Masse satt zu bekommen. Und nur BIO reicht auch nicht.
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  • christian@kreatil.de
    Einspruch: Die Überbevölkerung gibt es auch dank des technischen Fortschritts (Nahrungsmittelproduktion, Hygiene, Medizin, Energie, etc )
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  • christian@kreatil.de
    Das haben Sie gesagt, @hentinger, nicht ich.
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  • Albatros
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt. Bitte bemühen Sie sich um einen vernünftigen Umgangston.
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  • Zugut
    Wenn Sie das so sehen, dann waren auch die Nahrungsmittelhilfen in der sog. Dritten Welt in den vergangenen Jahrzehnten klimaschädlich.
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  • christian@kreatil.de
    Auf jeden Fall schadet es dem Erdklima, wenn wir eine hochtechnisierte Landwirtschaft betreiben, die unter hohem Energieeinsatz, der großteils aus fossilen Energieträgern stammt, Nahrungsmittel im Überfluss produzieren, was zu einem Nahrungsüberangebot und mittel- bis langfristig zur Überpopulation führt, die ihrerseits wiederum die Emission von Klimagasen weiter ansteigen lässt. Ein Teufelskreis. Das sind erstmal die nüchternen Fakten, die man normativ bewerten mag oder nicht.
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  • Zugut
    Sie sind also gegen Nahrungsmittelhilfen. Da könnten wir zusammenkommen. Ist aber nicvt pc
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  • christian@kreatil.de
    Ich gebe hier nur die Faktenlage wider. Ob ich für oder gegen Nahrungsmittelhilfen bin, spielt keine Rolle. Die Erde wird von mehr Menschen bevölkert, als sie ohne die technische Nutzung ihrer fossilen Reserven ernähren könnte. Und die Menschen sog. „entwickelter“ Staaten führen einen Lebensstil, der die Lebensgrundlagen auf der Erde mittel- bis langfristig zerstören wird.
    Daran könnte sich nur etwas ändern, wenn jeder Mensch, vor allem in den „entwickelten“ Staaten, seinen Lebensstil radikal einschränkt. So wie Manfred Dürr. Und zugleich bin ich so realistisch, dass das nicht passieren wird. Mein persönliches Fazit: Wir befinden uns an Deck der untergehenden Titanic.
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  • Robert Habeck
    So möchte ich auf keinen Fall leben
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  • aljoscha.labeille@vcd-bayern.de
    Sie wollen bestimmt auch nicht, dass sich Diktatoren mit unseren Öl- und Gas-Dollars bzw. Rubel hochrüsten und uns mit ihrer Militärmacht und von ihnen finanzierten Söldnern, Terroristen und Hackern bedrohen oder tatsächlich zuschlagen.

    Sie wollen bestimmt auch nicht, dass immer häufiger durch Extremwetterereignisse Menschen Hab und Gut verlieren oder sogar ihr Leben. Die Wasserversorgung in Unterfranken ist teilweise schon am Limit. Wie sieht das erst in 20 oder 50 Jahren aus?

    Ich will das jedenfalls nicht und ich will dazu beitragen, dass die Menschheit nicht in eine unaufhaltbare Dauerkrise schlittert. Wer das hämisch und unsachlich kritisiert hat leider nicht kapiert, was Sache ist.
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  • christian@kreatil.de
    „Wobei - glauben Sie ernshaft daran, dass sich Putin aus der Ukraine zurückziehen wird, weil Sie zum Essen zum Italiener gehen?“

    Was ist das denn für ein unsachlicher (und auch unzulässiger) Vergleich? Etwas weniger Polemik würde ich mir von @hentinger in seinen zahlreichen Kommentaren wünschen.
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  • christian@kreatil.de
    Hm, also ich habe mir die Kommentare von vcd-mitglied nochmal durchgelesen. Wo hat er denn geschrieben, dass er durch Essen beim Italiener erreichen will, dass sich Putin aus der Ukraine zurückzieht? Das haben Sie hier aus dem Kontext gerissen und versucht ihm als scheinbar absurde Aussage unterzuschieben.
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  • Zugut
    @Hentinger
    Sie gefallen mir immer besser:)
    Danke für so viel Realismus.
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