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Würzburg
Bahn-Mitarbeiter aus Würzburg sprechen Klartext: Zu viele Verspätungen, Übergriffe und keine Besserung in Sicht
Kürzlich wurden interne Chats von Mitarbeitern der Bahn veröffentlicht. Bei vielen herrscht großer Unmut. Beschäftige aus Würzburg erzählen, wie sie auf den Konzern blicken.
Kürzlich veröffentlichte anonyme Chats von Bahn-Beschäftigen brachten den Unmut seitens des Personals über die Zustände beim Konzern zutage (Archivfoto).
Foto: Thomas Obermeier | Kürzlich veröffentlichte anonyme Chats von Bahn-Beschäftigen brachten den Unmut seitens des Personals über die Zustände beim Konzern zutage (Archivfoto).
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Nargis Silva
 |  aktualisiert: 11.08.2024 02:34 Uhr

Zu viel Stress und desaströse Zustände: Etliche Bahn-Mitarbeitende beklagen sich in privaten Chats über den Konzern. Diese wurden kürzlich von der Süddeutschen-Zeitung veröffentlicht. Auch Bahn-Mitarbeiter aus Würzburg berichten von Unmut aufgrund von Missmanagement bei der Deutschen Bahn (DB). Zuletzt zeigten zahlreiche Pannen während der Europameisterschaft, wie schlecht es um das deutsche Bahnsystem steht: Überfüllte Züge, ausgefallene Klimaanlagen, dazu Baustellen und Oberleitungsschäden.

In den anonymen Chats, die die Süddeutsche Zeitung offenlegte, beschwerten sich die Mitarbeitenden über fehlende Kühlung in der Bordgastronomie, den Mangel an Ware und zu wenig Personal. Nun wurde auch bekannt gegeben, dass die DB bis 2030 rund 30.000 Stellen kürzen will. Der Grund: Im ersten Halbjahr verzeichnete der Konzern einen Verlust in Milliardenhöhe. Offiziellen Angaben zufolge aufgrund von Streiks, Extremwetter und Baustellen.

Angestellter der Bahn hinterfragt Maßnahmen

Einen Einblick in die internen Abläufe der Bahn hat Peter G. (Name von der Redaktion geändert), der im Würzburger Raum im Bereich infrastrukturelle Instandhaltung arbeitet. 2020, sagt G., versprach eine Reorganisationsmaßnahme der DB, viele Prozesse effizienter zu gestalten und die Chefetagen zu entschlacken. Doch genau das Gegenteil sei eingetreten: "Anstatt wie angekündigt, flachere Hierarchien zu schaffen und Abläufe zu beschleunigen, wurden sinnvolle Schnittstellen zerstört und die Anzahl der Führungskräfte erhöht."

Eine Folge der Maßnahme sei auch gewesen, dass nun sämtliche Projekte von Frankfurt aus zentral gesteuert werden: "Früher konnten wir eigenständiger über die Verteilung der Gelder entscheiden. Jetzt aber fehlt den Entscheidungsträgern das Know-how vor Ort. Vieles wird an der Praxis vorbei entschieden."

Rede ist von ineffizienter Ressourcenverteilung bei der Deutschen Bahn

So gebe es beispielsweise sehr langlebige Bahn-Anlagen, die selten erneuert werden müssen. Gelder, die für deren Erneuerung zur Verfügung stehen, könnten nicht umverteilt werden, wenn sie nicht benötigt werden: "Und woanders fehlt dann das Geld, zum Beispiel für ein neues Stellwerk." Die ineffiziente Verteilung der Ressourcen führe zu viel Frust und unnötigen Kosten, was sich letztlich auch auf den Service der Kundschaft negativ niederschlage.

Seit Jahren beobachte G. außerdem, dass die Koordination zwischen den Fachdiensten schlecht läuft: "Man macht vieles doppelt. Wenn wir Baustellen im Fachbereich 'Fahrbahn' ansetzen, der Arbeiten an Weichen und am Gleis macht, werden andere Fachbereiche häufig nicht informiert. So muss ein Abschnitt oft unnötigerweise zweimal gesperrt werden." Zu spüren bekommen das auch Kundinnen und Kunden durch Verzögerungen bei der Weiterfahrt. Den Unmut der Mitarbeitenden in den veröffentlichten Chats könne G. gut nachvollziehen.

Arbeitszeitverdichtung bei der Bahn auf Kosten der Mitarbeiter und Kunden

Besonders der angekündigte Stellenabbau bereitet vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DB Sorgen. So erzählt Sascha K. (Name von der Redaktion geändert), der bei der DB als Zugreiniger tätig ist, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Jahren seiner Tätigkeit für den Konzern für ihn und viele seiner Kolleginnen und Kollegen verschlechtert hätten.

Ein konkretes Beispiel für das Missmanagement bei der Bahn sei die Zeitplanung für Reinigungskräfte: "Früher hatten wir etwa eine Stunde Zeit, um einen Zug zu reinigen. Heute müssen die gleichen Aufgaben in nur 37 Minuten erledigt werden." Dies habe zur Folge, dass die Arbeiter unter enormem Druck stehen und die Qualität der Reinigung leidet. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass für die Toilettenreinigung wenig Zeit bleibt, Tische nicht gewischt oder Gänge sowie Bereiche unter den Sitzen nicht kontrolliert werden können. Das verärgere die Kunden. Ihren Frust habe K. auch schon abbekommen.

Großer Unmut herrscht bei den Mitarbeitenden auch beim Thema Sicherheit. K. sagt, dass immer wieder von Übergriffen des Zugbegleitpersonals berichtet wird, insbesondere rund um größere Fußballereignisse. Das habe er selbst auch schon erlebt. Gerade auf solchen Fahrten wären mehr Sicherheitspersonal und Polizeipräsenz nötig, um die körperliche Unversehrtheit des Personals und der Kundschaft zu garantieren.

Hilferuf der DB-Beschäftigen "unüberhörbar"

Die Pressestelle der DB hat sich auf Anfrage dieser Redaktion zu den Chatverläufen nicht geäußert. Mit Blick auf den Stellenabbau hieß es, dass der Konzern wirtschaftlicher und effizienter werden müsse. Damit gehe etwa einher, dass nicht alle Stellen, die zum Beispiel durch Rentenabgänge freiwerden, nachbesetzt werden. 

Frank Hauenstein, Vorstandsmitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, sagt auf Anfrage dieser Redaktion, dass der Hilferuf der DB-Beschäftigen unüberhörbar sei: "Es macht deutlich, dass etwas hinsichtlich Personalmangel, Überstunden und immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen passieren muss". Wenn konzernseitig von Stellenabbau gesprochen werde, verunsichere das zusätzlich: "Für uns ist klar, es darf keine weiteren Belastungen geben, sondern es muss viel mehr eine Trendwende hin zu besseren Arbeitsbedingungen geben. Das werden wir und unsere betrieblichen Interessenvertreter weiter einfordern."

 
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  • Christiane Schmitt
    Als in einem Zug mal der Wasserhahn in einer Toilette kaputt war, informierte den Schaffner und er meinte, die Fahrgäste würden nicht die Reaktion der Lichtschranke abwarten wollen und zerstören regelmäßig die Wasserhähne. Allerdings könne da kein Mechaniker kommen, der ganze Zug müsste in die Werkstatt. Manche Klos sehen auch, nicht nur in der Bahn, unterirdisch aus. Manche kapieren nicht, dass man sein Papier in eine Klappe des Papierbehälters wirft, spülen nicht oder hinterlassen sonstigen Dreck, s.o., man wirft im Abteil einfach seinen Abfall auf den Boden oder stopft ihn zwischen Sitzritzen. Viele stellen ihr Gepäck, das vorher auf dreckiger Straße stand, auf die Sitze oder legen, z. B. bei den Viererplätzen, ihre Füße mit Schuhen ab. Viel Dreck wäre zu vermeiden und die Putzleute hätten nicht ganz so viel zu tun. Personalreduzierung und Kürzung der Arbeitszeit für die gleiche Arbeit führen sicher zur Verbesserung. Das ist eine Frechheit der Bahn, schlechtes Gästeverhalten nicht.
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  • Horst Blatz
    Die Boni der Bahn Manager einfach streichen (die Zuteilung scheint sich eh verselbstständigt zu haben) oder gleich ganz auf das Management verzichten.
    Schlechter kann der Service ja kaum werden, aber Finanzmittel für Personal wären verfügbar.
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  • Paul Schüpfer
    Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Wenn die Bahnvorstände ein Party zur Fusion der DB InfraGO AG feiern und sich das 1,7 Mio Euro kosten lassen( https://www.spiegel.de/panorama/deutsche-bahn-kontroverse-um-hohe-kosten-fuer-partys-a-e553dc41-7bf9-47aa-8a8d-0e28476ada2f) und wenn sie für Erfüllung der Frauenquote Prämien bekommen, sagt das fast alles. Kunden zählen nicht.
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  • Jürgen Huller
    Was soll auch anderes herauskommen, wenn Jahrzehnte lang nur Brummbrumm-Autominister im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus residierten. Und was für Koryphäen! Dobrindt, Scheuer, ...

    Bei der Digitalisierung sieht es ja hierzulande auch nicht besser aus.

    Man kann alles eine Zeit lang am laufen halten, aber irgendwann zeigt sich eben der Verschleiß . Nicht, dass es da nicht genug Mahner in der Vergangenheit gegeben hätte.

    Alles für das Auto, war und ist die Devise. Deshalb ist die Bahn eben so, wie sie jetzt ist. Wenig überraschend.
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  • Erika Hirsch
    Würzburg-Nürnberg ...
    bei der Hinfahrt nach NBG um 14 Uhr 3 vor 4 Toiletten nicht mehr benutzbar.

    Nürnberg-Würzburg 3 Tage später...
    um 12 Uhr verteilt auf 2 Sitzreihen 5 leere Flaschen nach dem die Fahrgäste in NBG ausgestiegen waren. Noch bevor ich mein Gebäck verstaut hatte (danach hätte ich die Flaschen in den Abfall befördert) liefen mehre neue Bahngäste auf der suche nach einem Sitzplatz vorbei. Dann kam ein junges Paar und entsorgte die Flaschen kurzerhand auf den Boden, dort rollten sie dann lustig herum.

    Ebenfalls im gleichen (überfüllten) Zug ein Zugbegleiter der mit großer Geduld und Freundlichkeit einem älteren Mann erklärt hat das und warum er im falschen Zug sitzt .

    Immer dabei Fahrräder und Koffer die zwischen die Sitzreihen bzw. vor den Ausgängen gestellt werden (Sicherheit?) obwohl sie vorher vom Personal (wenn es denn zur Kontrolle kommt) aufgefordert wurden diese zu entfernen.
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  • Barbara Fersch
    leider muss man immer wieder sagen... "willkommen in der Steinzeit" vom 21. Jahrhundert ist hier nicht mehr viel übrig.....Pannen , Verspätunen, Personalmangel , auch Unwetter machen der Bahn zu schaffen, doch so wie die momentane Situation sich zeigt, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Wie soll das noch funktionieren mit 3o.000 Stellenabbau ?? Woher kommen wohl die zahlreichen technischen Probleme?? Die Züge werden wohl kaum noch regelmässiger Wartung unterzogen, weil auch hier das Personal fehlt! Sprechen Sie doch mal mit einem Zugführer, mit Begleitpersonal.... Wie kann es sein, dass ein Zug der von München nach Kiel fahren soll, während der Fahrt eine Meldung kommt, dass der Zug in Hamburg endet, weil sich ein Zugführer krank gemeldet hat ?? Hier ist null Spielraum an Personal vorhanden, und dann werden 30.000 Beschäftigte entlassen? Sorry hier läuft einiges schief.
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  • Klaus B. Fiederling
    ich finde, das ganze wird immer auf die Beschäftigten losgelassen. Die Armen müssen das Ausbaden, was die oberen 10 000 bei der Bahn versemmeln. Das ist leider aber nicht nur bei der Bahn so, sondern auch in vielen anderen Betrieben. Falsches Management führt halt zu leeren Kassen. Das schlimme bei der DB ist halt auch die Unpünktlichkeit. Es wäre sehr schön gerade mit dem 49 Euroticket Deutschlandweit bis Salzburg reisen zu können, wenn da nicht die Unpünktlichkeit der DB wäre. Man müsste mehr Personal als Lokführer und Beschäftigte im Servicebereich haben als in der großen Blase der Schreibtischtäter bei der DB.
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  • Peter Koch
    Dadurch, dass die Bahn 30000 Stellen streichen will erspart sie vielen Leuten Stress und Frust. Man muss das nur mal positiv sehen und schon passt es.
    Und der Herr Hauenstein irrt sich gewaltig, der Hilferuf der DB-Beschäftigen ist überhörbar. Wenn das nicht so wäre, dann müssten die Herren Wissing und Lutz ja reagieren. Von Scholz ganz zu schweigen.
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  • Walter Stöckl-Manger
    Nanana, wer wird denn gleich so zynisch sein?😉
    Aber im Ernst: Von den vielen Fehlbesetzungen der Ampel ist Volker Wissing eine der ärgerlichsten: Typisch FDP-arrogant, dabei ebenso ahnungslos wie desinteressiert an seinem Ressort. Von vielen schlechten Verkehrsministern der Republik vielleicht der Schlechteste. (Der Posten hätte hierzulande allerdings ehrlicherweise eh stets Autobahnminister heißen müssen, und passt unser Volker allerbestens.)
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  • Klaus B. Fiederling
    ein Bekannter von mir sagte mal über Politiker: "Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!" Aber halt wieviel??? Hektoliterweise würde wohl pro Politiker nicht ausreichen
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Stimmt - @ Peter Koch -

    und andersrum wird es auch seitens des Personals weniger Beschwerden geben nach dem Motto "kein Mensch, kein Problem". Alles bestens also XD

    Im Ernst - ich habe das ganz dumme Gefühl, dass sich auch die Bahn-Reform unter meine Definition des Begriffes fassen lässt:

    "Reform bedeutet, alles wird teurer, nichts besser, und die Leute, die sich vorher schon die Taschen voll gemacht haben, kriegen noch mehr vom Kuchen."

    Wobei in diesem Spezialfall erschwerend hinzukommt, Klimakrise hin, CO2-Ausstoß her, in D will man von ganz oben her gar keine gute Bahn, weil das sonst eine Katastrophe für Auto- und Straßenbau sowie die Mineralölmultis wäre...

    Gegenbeispiel: die Schweiz. Da läuft es bestens für die "Öffis" (bzw. deren Benutzer/innen). Warum wohl?
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