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Karlstadt
Glosse über abenteuerliche Zugfahrten zwischen Würzburg und Karlstadt: Holt mich hier raus!
Die jüngsten Erlebnisse auf der Bahnstrecke Würzburg-Lohr geben Anlass zu der Frage: Lieber Schaffner werden oder doch Lokführer? Hauptsache, man mag Überraschungen.
Fährt der RE durchs Maintal? Oder doch über die ICE-Strecke nach Lohr? Das wissen manchmal nicht einmal die Lokführer bis kurz vor der Abfahrt. (Symbolbild)
Foto: Uwe Miethe | Fährt der RE durchs Maintal? Oder doch über die ICE-Strecke nach Lohr? Das wissen manchmal nicht einmal die Lokführer bis kurz vor der Abfahrt. (Symbolbild)
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 05.07.2024 02:44 Uhr

Zugverspätungen sind eigentlich längst nicht mehr der Rede wert. Sie lassen Gesprächspartner eher gähnen. Spannender ist schon die Nachricht, dass ein Zug pünktlich war. Erlebnisse der besonderen Art aber verspricht derzeit die Strecke Würzburg-Lohr.

An einem Freitagabend in Würzburg verkündet die Anzeigetafel "Bitte nicht einsteigen". Dennoch füllt sich der RE 54 um 21.36 Uhr nach Frankfurt zusehends. Welcher Profi-Fahrgast lässt sich schon von der Anzeigetafel ins Bockshorn jagen! Fünf Minuten vor Abfahrt folgt die Durchsage: Nächster Halt ist Lohr Bahnhof. Der fährt also über die ICE-Strecke. Ziel ist aber Karlstadt. Mist! Hatte die Bahn-App nicht versprochen, dass der RE 54 durchs Maintal zuckelt?

Also aussteigen und auf den nächsten Zug warten, der eine Stunde später fährt. Die Dame in der Reiseauskunft versprüht allerdings nicht gerade Zuversicht: "Nach unserer Information fährt der dann über Karlstadt. Erkundigen Sie sich aber zur Sicherheit noch beim Fahrdienstleiter." Als der Zug einfährt, scheint der Lokführer die beste Adresse zu sein. Er kurbelt tatsächlich nach einem Klopfzeichen die Seitenscheibe runter und "glaubt" zumindest, dass er im Maintal fahren wird. Wörtlich: "Zu 95 Prozent." Macht die Bahn nicht gerade Werbung für den Job als Lokführer? Wie wär's mit "Du liebst Überraschungen? Werde Lokführer!"

Wenn die Schiene hingerichtet wird

Die Fahrt von Karlstadt nach Würzburg zuvor war nicht weniger abenteuerlich: Kurz vor Thüngersheim bleibt der Zug stehen. Schon nach ungefähr zehn Minuten sprudelt es aus den Bordlautsprechern: "Der Zug vor uns hat eine Schiene kaputtgemacht. Es wird versucht, sie wieder (wörtlich!) hinzurichten." Nun, nach einer Hinrichtung ist das Opfer in der Regel tot. Der Schaffner wird's schon nicht so gemeint haben. Was wohl vor den inneren Augen der Fahrgäste abläuft? Ein Bautrupp, der mit schweren Eisenhebeln eine Schiene wieder geradebiegt?

Für wenig Zuversicht sorgt die Vermutung des Schaffners, es könne locker eine Stunde dauern, bis die Schiene wieder ganz ist. In einem Waggon funktioniert offenbar die Klimaanlage nicht und die Menschen fächeln sich mit analogem Lesestoff Luft zu. Da kommt man ins Grübeln, ob irgendwann die Thüngersheimer Feuerwehr und das Rote Kreuz zu Hilfe kommen. Heißen Tee braucht im Moment aber niemand. Und durch geschlossene Fenster und Türen – auch irgendwie schwierig. Der Bitte, die Türen zu öffnen und einen aus diesem Gefängnis zu entlassen, darf der Schaffer nicht nachkommen.

Hilfe, holt mich hier raus! Was bei RTL der Dschungel ist, könnte beim Lokalfernsehen dieser Zug sein. Doch so weit kommt es nicht mehr. Heftiger Applaus brandet in den Waggons auf, als der Zug nach nur 20 Minuten wieder anrollt. DB-Schaffner Superstar! Also doch nicht Lokführer.

 
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