Johannes Heibel, Vorsitzender der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, hat am Donnerstag Anzeige bei den zuständigen Stellen im Vatikan in Rom gestellt. Ein Geistlicher wird in zwei Fällen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Allerdings ist nicht das der Grund der Anzeige des Sozialpädagogen Heibel aus Siershahn (Westerwaldkreis), vielmehr der Verdacht der fahrlässigen Unterlassung einer Amtshandlung.
Wenn dieser Geistliche vor 16 Jahren anders gehandelt hätte, wäre womöglich im Bistum Würzburg ein sexueller Übergriff gegen einen damals elfjährigen Jungen verhindert worden. Der von Heibel angezeigte Geistliche habe damals Hinweise nicht weiter verfolgt, die ihn bezüglich der pädophilen Neigungen eines jungen Priesters in einem „Dreiergespräch“ übermittelt worden seien.
Dieser junge Priester bemühte sich unter anderem im Bistum Würzburg um eine Pfarrei. Und dieser junge Priester hat, als ihm eine Pfarrei übertragen wurde, kurz darauf einen Schüler sexuell missbraucht.
Bistum Würzburg soll vorab informiert worden sein
Laut Recherchen von Heibel und dieser Redaktion soll der Geistliche und der damalige Generalvikar des Bistums Würzburg vor der Einstellung des jungen Priesters informiert worden sein, dass dieser bereits in den 1990er Jahren in Österreich im Stift Klosterneuburg einen Jungen missbraucht hat. Dieser Fall wurde mittlerweile vom Stift bestätigt und von einer vom Stift einberufenen Kommission untersucht. Auch das Opfer aus Österreich hat dieser Redaktion gegenüber sich zu den Vorkommnissen geäußert.
Was Johannes Heibel dem Würzburger Geistlichen vorwirft, ist, dass er in seiner Funktion als Personalreferent diesen Hinweis über den sexuellen Missbrauch in Österreich ignoriert habe. So wurde dem jungen Priester im Bistum Würzburg eine Pfarrei übertragen – und dort geschah kurz darauf der weitere Missbrauch.
Verurteilter Täter lebt als Ruhestandspriester im Bereich des Bistums
Der Priester war damals geständig, den Schüler missbraucht zu haben, zeigte sich selbst an und wurde 2002 zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er lebt heute als Ruhestandspriester zusammen mit seiner Haushälterin im Bereich des Bistums Würzburg – und das, obwohl er nicht inkardiniert, also laut Bistum Würzburg nicht aufgenommen worden sei. Er soll den Angaben zufolge in Rumänien geweiht worden sein.
Sozialpädagoge Heibel, der sich seit über 25 Jahren für Opfer sexueller Gewalt einsetzt, wirft dem Geistlichen darüber hinaus vor, dass er nach Bekanntwerden des Missbrauchs „verschleiert“ habe, dass es bereits den Übergriff in Österreich gab. Denn Heibel ist sich sicher, dass das Bistum Würzburg darüber Bescheid wusste.
Bistum Würzburg verneint „Dreiergespräch“
Das Bistum Würzburg hat dies auf Anfrage dieser Redaktion vor knapp einem Jahr verneint. Der Informant jedoch, der ebenfalls Geistlicher und mit dem Missbrauchstäter bekannt ist, gab dem Bistum und auch dieser Redaktion sein „priesterliches Ehrenwort“, dass er bei einem „Dreiergespräch“ dem jetzt angezeigten Geistlichen und dem damaligen Generalvikar alles über den Übergriff in Österreich im Stift Klosterneuburg gesagt habe – und das vor der Anstellung des jungen Priesters.
Der von Heibel angezeigte Geistliche ist 2013 selbst des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden: Alexandra W. sagt, dass sie von ihm im Exerzitienheim Himmelspforten vergewaltigt worden sei. Dieser Vorwurf sorgte ab 2016 für Schlagzeilen.
Kürzlich ist ein weiterer Anfangsverdacht wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Geistlichen bekannt geworden. Der Betroffene soll ein ehemaliger Schüler des Kilianeums in Würzburg sein. Er hat gegenüber Thomas Förster, dem Ansprechpartner der Diözese für Opfer sexuellen Missbrauchs, diesen Vorwurf erhoben. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat ihre Ermittlungen wegen Verjährung eingestellt – und auch deshalb, weil der mutmaßlich Geschädigte keine weitergehenden Angaben gemacht hätte, teilte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach im September gegenüber dieser Redaktion mit.
Nicht nur gegen den Geistlichen des Bistums Würzburg hat Johannes Heibel Anzeige in Rom wegen des Verdachts der fahrlässigen Unterlassung einer Amtshandlung gestellt, sondern unter anderem auch gegen den Propst von Stift Klosterneuburg und Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien – wegen deren Umgang mit dem Missbrauchsfall in Österreich.
Lächerlich erscheint die Anzeige gegen Kardinal Schönborn - das erscheint nicht mehr als Publicity zu sein. Heibel weiß das natürlich, aber was tut man nicht alles für eine Schlagzeile in deutschen Zeitungen. Den Opfern wird so sicher nicht geholfen.