Der tragische Tod der 50jähigen Bäuerin Gerlinde G. bei Uffenheim hatte 2009 für viel Aufsehen in Franken gesorgt. Der 24-jährige Knecht hatte selbst die Retter in den verschneiten Wald gerufen, wo er mit seiner Chefin Baumfäll-Arbeiten durchführte. Sanitäter und Polizisten fanden ihn bei der leblosen Frau mit dem blutverschmierten Kopf. Er machte unentwegt - aber letztlich vergeblich - Wiederbelebungsversuche.
Gefälschte Unterschrift
War die Frau von einem herabfallenden Ast erschlagen worden? Der Knecht erzählte, das Holzstück sei so groß und schwer gewesen, dass er es in drei Stücke sägen musste, ehe er die Bäuerin befreien konnte.
Aber ein paar Tage später wurde der Knecht festgenommen. Plötzlich auftauchende Papiere erweckten den Anschein, als habe die Bäuerin ihm - wie zuvor versprochen - kurz vor ihrem Tod den Hof übergeben. Doch die Unterschrift unter den Papieren war falsch. Das Schreiben war in aller Eile nach dem Tod der Frau mit ihrem (nachgemachten) Namenszug versehen worden.
Tagebuch gab Auskunft
Schließlich ergaben Tagebuch-Eintragungen, dass sie ihre öffentlich geäußerte Absicht geändert hatte, inzwischen unzufrieden über ihren Arbeiter war und ihm den Hof kurz vor dem Vorfall nicht mehr übergeben wollte. Das Gericht sah darin ein starkes Mordmotiv. Ein Kripo-Beamter urteilte damals kurz und knapp: „Er wollte sich den Hof offensichtlich mit jedem Mittel unter den Nagel reißen.“ Im Prozess gab E. die Fälschung zu, bestritt aber den Mord.
Hat er die Frau mit einem Ast erschlagen? An dem Platz, an dem Sanitäter und Polizisten die sterbende Frau liegen sahen, war wenig Blut im Verhältnis zu ihren schweren Schädelverletzungen. Beim Verletzungsmuster am Schädel der Frau hielten Gutachter sowohl einen herabstürzenden Ast als auch einen harten Schlag von hinten als Ursache für denkbar.
Dennoch war für das Landgericht Nürnberg der Fall klar: Es stellte das Motiv in den Mittelpunkt. Stefan E. wurde wegen Mordes verurteilt.
Ziel: Freispruch
Doch sieben Jahre später nun kommt wieder Bewegung in den Fall. Die Würzburger Verteidiger Jan Paulsen und Norman Jacob junior bestätigen jetzt auf Anfrage, dass sie die Wiederaufnahme des Falles beantragt haben: „Unser Ziel ist ein Freispruch unseres Mandanten,“ sagen sie. Sie bauen offenbar vor allem auf neue entlastende Gutachten, die Aussagen ihres Mandanten stützen.
Für eine der selten vorkommenden Wiederaufnahmen müssen neue Beweise vorliegen, die den Fall in einem anderen Licht erscheinen lassen als zuvor. Gericht und Staatsanwalt prüfen dies und können vor einer Entscheidung auch eigene Gutachten in Auftrag geben, um zu prüfen, ob die neuen Fakten wirklich von entscheidender Bedeutung sind. Erst dann könnte es einen neuen Prozess geben- Der würde dann nicht in Nürnberg, sondern in Regensburg stattfinden.
Landgericht prüft Antrag
Am Landgericht Regensburg bestätigte Pressesprecher Holger Blum auf Anfrage, dass der Antrag der Würzburger Verteidiger vorliegt und derzeit geprüft wird. Bis zu einer Entscheidung könnten einige Monate vergehen.
Der renommierte Würzburger Strafverteidiger Norman Jacob hatte E. im Prozess in Nürnberg verteidigt. Noch Jahre nach dem Urteil und dem (erfolglosen) Antrag auf Revision war er überzeugt: „Das Urteil ist falsch. Der Mann sitzt zu Unrecht hinter Gittern. “ Auch eine gescheiterte Revision nach dem Urteil konnte seine Meinung nicht ändern.
Jahrelange Nachforschung
Jacobs jahrelange Nachforschungen und von ihm in Auftrag gegebene Gutachten förderten offenbar die neue Fakten zutage, die seine These stützen. Ob sie das Gericht überzeugen, dem verurteilten Mörder eine zweite Chance zu geben, muss sich erst zeigen. Gerichtssprecher Blum wollte sich nicht festlegen, bis wann mit einer Entscheidung über eine Wiederaufnahme zu rechnen ist. Die Prüfung ist langwierig, im berühmten Fall Gustl Mollath beispielsweise vergingen vom Antrag auf Wiederaufnahme bis zum neuen Prozess 14 Monate.