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Würzburg/Schweinfurt
Antisemitismus: Zahlen in Bayern und Unterfranken gestiegen
Juden werden häufig beleidigt oder angegriffen. Woher das kommt, was der häufigste Hintergrund ist und was der Freistaat tut.
Die Behörden registrieren mehr Fälle von Antisemitismus – auch in der Region.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Die Behörden registrieren mehr Fälle von Antisemitismus – auch in der Region.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:59 Uhr

In Bayern gibt es immer mehr antisemitische Straftaten. Wurden 2017 noch 148 Fälle registriert, stieg die Zahl im Jahr 2018 auf 219 – der höchste Wert in den vergangenen fünf Jahren. Das teilte das Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage mit. Besonders auffällig ist demnach die Entwicklung in Unterfranken: Hier registrierten die Ermittler im vergangenen Jahr 31 Fälle und damit fast doppelt so viele wie 2017.

Antisemitismus: Zahlen in Bayern und Unterfranken gestiegen

Eine mögliche Erklärung dafür liefert der aus Würzburg stammende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Durch sein Amt habe "die Hasskriminalität gegenüber meiner Person zugenommen", sagt er. "Da ich meinen Wohnsitz in Unterfranken habe und ich diese Straftaten bei den hiesigen Polizeibehörden zur Anzeige bringe, fließen die Zahlen entsprechend in die Statistik ein."

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland
Foto: Tobias Schwarz, afp | Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland

Insgesamt habe der Antisemitismus zugenommen, betont Schuster. "Es gibt aber auch eine höhere Sensibilität in der Gesellschaft gegenüber Judenhass, weshalb antisemitische Vorfälle häufiger gemeldet werden", erklärt er.

 

Judenhass in Chatgruppe führt zu Anzeige

Der jüngste Fall in Unterfranken ist gerade einmal wenige Wochen alt: Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) berichtete über judenfeindliche Bilder, die eine 16-Jährige Schülerin aus Schweinfurt über eine WhatsApp-Gruppe zugeschickt bekam. Darunter eine Fotomontage, die Adolf Hitler neben einem dampfenden Schlot zeigt. Daneben die Aufschrift "Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude!". Als die Schülerin den Urheber der Nachrichten zur Rede stellte, hat der sie laut RIAS beschimpft. Letztendlich habe sie den Chatverlauf ihrer Lehrerin gezeigt. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigte, wurde inzwischen Anzeige erstattet.

"Ich nehme wahr, dass jeden Tag Juden angegriffen werden", sagt der bayerische Beauftragte gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle. Angefangen bei Beleidigungen bis hin zu Gewalt. Woran das liegt? "Die Rahmenbedingungen haben sich negativ entwickelt", erklärt Spaenle.

Der bayerische Beauftragte gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Der bayerische Beauftragte gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle

Er beobachte ein "Absinken der Toleranzschwelle", die "vor allem von rechts durch Geschichtsklitterung" vorangetrieben werde. Hier nennt Spaenle im Redaktionsgespräch namentlich die AfD. Gleichzeitig werde im linksextremen Spektrum das Existenzrecht Israels infrage gestellt. Hinzukomme der von Islamisten geschürte Antisemitismus.

Überwiegend rechtsextreme Motive

Tatsächlich sind laut LKA die allermeisten antisemitischen Straftaten rechtsextremistisch motiviert: 191 von den insgesamt 219 Fällen im vergangenen Jahr. Dass viele Taten auf das Konto muslimischer Flüchtlinge gehen, wie es immer wieder heißt, lässt sich zumindest aus der LKA-Statistik für Bayern nicht ableiten. Zwar werde die Religionszugehörigkeit der Täter nicht in der Datenbank erfasst, so ein Sprecher gegenüber dieser Redaktion. Allerdings befanden sich 2018 unter den ermittelten Tatverdächtigen bayernweit nur zwei Asylbewerber.

Ob sich der Trend steigender Zahlen von Antisemitismus im laufenden Jahr bestätigt, wollte ein LKA-Sprecher nicht bestätigen: "Valide und auskunftsfähige Zahlen" dazu lägen noch nicht vor. Die erst am 1. April 2019 in Bayern eingerichtete Meldestelle RIAS, die auch Antisemitismusfälle unterhalb der Strafrechtsgrenze erfasst, hat seit ihrem Bestehen bereits 48 "antisemitische Vorfälle registriert", so ein Sprecher. 36 davon fallen demnach unter die Kategorie "verletzendes Verhalten", also "sämtliche antisemitische Äußerungen" gegenüber Personen und Institutionen. Zudem berichtet RIAS über einen Fall von Bedrohung sowie einen körperlichen Angriff.

Was derbayerische Beauftragte gegen Antisemitismus tut
Ludwig Spaenle will dem Antisemitismus in Bayern mit einem Zehn-Punkte-Programm, das er bereits im vergangenen Jahr vorgestellt hat, begegnen. Ein zentraler Bestandteil des Programms ist die Pflege der Erinnerungskultur und des historischen Erbes, das Juden im Freistaats hinterlassen haben. "Juden prägen seit 1000 Jahren das Leben in Bayern mit", so CSU-Politiker Spaenle. Außerdem arbeitet er nach seinen Worten dafür, das Bewusstsein für Antisemitismus zu schärfen. Dafür sei er mit Kommunen und zahlreichen Verbänden im Gespräch.
Auf Spaenles Betreiben hin habe die Staatsregierung im Mai eine international anerkannte Definition von Antisemitismus angenommen – als erstes Regionalparlament Europas. Die von 31 Staaten beschlossene Definition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) lautet: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein." Sie ist zwar rechtlich nicht bindend, soll aber vor allem Behörden als Arbeitsgrundlage bei der Verfolgung von Straftaten dienen.
 
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  • G. L.
    Sehr geehrter Herr Dr.med. Josef Schuster,

    d a s was ein gewisser Herr Karl Lagerfeld zum entscheidenden Punkt
    gesagt hat, werden auch Sie eines Tages nicht mehr leugnen können.
    Schade dass das Theater soo lange weitergeht.
    Ich kannte Sie als direkt aufrichtigen Zeitgenossen.
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    Sie verwechseln hier Straftaten und Verdächtige. Ein Verdächtiger kann für mehrere Tagen verantwortlich sein.
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    "Tatsächlich sind laut LKA die allermeisten antisemitischen Straftaten rechtsextremistisch motiviert: 191 von den insgesamt 219 Fällen im vergangenen Jahr."

    Das würde bedeuten: Mindestens 191 der 219 antisemitischen Straftaten wären aufgeklärt worden.

    Diese Zahlen müsste die mitdenkend Redaktion anzweifeln.
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  • T. M.
    Leider nicht nur in Deutschland
    https://www.n-tv.de/politik/Antisemitische-Gewalt-nimmt-weltweit-zu-article20998735.html
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    "Darunter eine Fotomontage, die Adolf Hitler neben einem dampfenden Schlot zeigt. Daneben die Aufschrift "Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude!"."

    Jetzt klauen uns die Muslime schon die Hitler Witze!

    (Wenn ich 50Hertz/DRF4 und seine letzten Beiträge zu den Thema richtig verstanden habe, kann das nur ein Muslim gewesen sein)

    ;)
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  • T. M.
    Geben Sie doch mal den Spruch bei Google ein. Dann klicken Sie auf Bilder und dann stellen Sie das was Sie sehen in Relation zu dem was der Faschingsprinz aus Hätzfeld in einer geschlossenen Gruppe veröffentlicht hat. Der wird verurteilt mit großem Tamtam und im öffentlichen Netz können Sie noch viel mehr dieser Sachen sehen. Wie war das nochmal mit Volksverhetzung?
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  • J. S.
    Statistik zu früheren Jahren findet ...

    … GOOGLE

    Hier z.B. Zahlen ab 2010:
    https://www.br.de/nachrichten/bayern/faktenfuchs-wer-sind-die-antisemiten-in-bayern,RMU57Z7

    Es ist das „GOOGLE“ mit „L“.
    Vielleicht gibt es ja auch eine Version mit „R“, die so etwas nicht auflistet.

    . Lichtung
    manche meinen
    lechts und rinks
    kann man nicht velwechsern
    werch ein llltum
    . Ernst Jandl, 1966
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  • M. G.
    Seit wann ist diese Entwicklung feststellbar ?

    (Diese Frage ist eigentlich keine Frage. Es ist ein Zustandsbericht.)
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  • P. K.
    Seit die Rechten immer dreister in allen möglichen Medien hetzen.
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    Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • P. K.
    Seit die selbsernannt demokratischen Ultrarechten immer ungenierter Geschichtsklitterung betreiben (Höcke wegen Holocaustdenkmal, Gauland mit dem Fliegenschiss u.s.w.) nehmen antisemitische Straftaten zu.
    Den Ideologen der AfD, z.B. Kubitscheck, gelten Juden eh als nichtdeutsche Ethnie die in einen eigenen Lebensraum abzuschieben ist.
    Sagen Sie jetzt nur nicht, dass Sie ihren Vordenker nicht kennen würden.
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  • L. W.
    Ernsthaft? @ 50Hertz

    Wo Sie doch regelmäßig die jüdische Weltverschwörung zitieren!

    Sie Fan des Viktor Orban, der regelmäßig auf George Soros eindrischt nur weil der bislang eine unabhängige Hochschule in Budapest finanziert und damit unabhängige Bildung in Ungarn ermöglicht.
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  • T. M.
    Seit wann siehe hier
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus
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