In der Bundespolizei wünscht man sich eine schnelle Ausrüstung mit Köperkameras, sogenannten Bodycams. Hintergrund sind aktuelle Zahlen, die ein höheres Gewaltpotenzial in Zügen und Bahnhöfen nahelegen – auch in der Region.
Obwohl die Gesamtzahl der Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeiinspektion Würzburg abnimmt, ist das Einsatzgebiet der Beamten ein heißes Pflaster. So kam es laut polizeilicher Eingangsstatistik in den Zügen und Bahnhöfen der Region im vergangenen Jahr insgesamt zu 244 Körperverletzungen – fast 70 mehr als noch 2016. Zudem wurden Bundespolizisten 23-mal selbst Opfer von Widerstandshandlungen oder tätlichen Angriffen. Ein Anstieg um über 40 Prozent.
„Bodycams dienen dem Schutz der Polizeibeamten, da sie in vielen Fällen eine abschreckende Wirkung auf aggressive Personen haben. Zudem können die Aufzeichnungen ein nützliches Beweismittel sein“, sagt Fabian Hüppe, Pressesprecher in der Bundespolizeiinspektion Würzburg, die für Bahnanlagen in ganz Unter- und Teilen Oberfrankens zuständig ist. Daher wäre „eine flächendeckende Einführung der Kameras aus unserer Sicht wünschenswert“, so Hüppe, „auch in der Bundespolizeiinspektion Würzburg“.
„Verwunderliche“ Entscheidung im Innenministerium
Deutlicher wird der in Bayern für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Kameras müssten „dringend und zwingend“ eingeführt werden, sagt Andreas Roßkopf im Gespräch mit dieser Redaktion. Doch zuletzt gab es dabei eine Verzögerung, deren Begleitumstände Roßkopf „verwunderlich“ nennt.
Er bezieht sich auf Vorgänge im Bundesinnenministerium, über die zuerst „Der Spiegel“ im Dezember berichtet hatte: In mehreren Bundesländern hatte demnach die Bundespolizei über Monate hinweg zwei Bodycam-Modelle einem Alltagstest unterzogen. In einem Zwischenbericht sei einer der getesteten Kameras – einem Modell des Herstellers Reveal – attestiert worden, dass sie geeignet sei. Auch Roßkopf sagt: „Eine der beiden getesteten Kameras sind bei der Bahn und anderen Sicherheitsdiensten im Einsatz und laufen gut.“
Laut „Spiegel“ entschied sich das Ministerium aber für eine teurere Kamera des Herstellers Motorola, die gar nicht am Test teilgenommen hatte und laut GdP bei keiner europäischen Polizei im Einsatz ist. Spekulationen um eine unsaubere Vergabe wurden laut. Anfragen zu dem Sachverhalt, die diese Redaktion an das Bundespolizeipräsidium und das Innenministerium gestellt hat, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Testlauf in Berlin
Bereits im Dezember hatte der Hauptpersonalrat der Bundespolizei mit seinem Veto die Anschaffung der Kameras gestoppt. Hauptgrund: Zweifel am Mitarbeiterdatenschutz. „Es muss sichergestellt werden, dass durch die Kameras keine Überwachung durch den Dienstherrn stattfindet“, erklärt Roßkopf. „Wir wollen die Kameras nicht verhindern, sondern das Beste für die Kollegen.“ Fragen zu Speicherfristen, Tonaufzeichnungen und Zugriffsrechten für Vorgesetzte müssten dafür ebenso geklärt werden wie die Frage nach der Eignung. „Die Handhabung, etwa bei schlechter Witterung oder beim Rennen, muss noch getestet werden.“
Letzteres geschieht gerade am Berliner Hauptbahnhof, wo seit Mitte Januar ein dreimonatiger Testlauf quasi nachgeholt wird. Polizeigewerkschafter Roßkopf rechnet damit, dass bayerische Bundespolizisten frühestens Mitte des Jahres mit den Körperkameras ausgestattet werden.
Angriffe in Unterfranken
Unterdessen setzen sich Angriffe auf Bundespolizisten in der Region auch im neuen Jahr fort. Erst am frühen Dienstagmorgen wurde ein Beamter am Bahnhof Retzbach-Zellingen (Lkr. Main-Spessart) von zwei 18-Jährigen attackiert, die vorher verbotenerweise die Gleise überquert hatten. Laut Pressemitteilung konnte er die ersten Attacken abwehren und hatte anschließend Glück, dass ihm ein zufällig eintreffender Kollege der Landespolizei zu Hilfe kam. Wenige Stunden später wollten zwei Bundespolizisten im Würzburger Hauptbahnhof einen 32-Jährigen kontrollieren. Als dieser flüchten wollte, aber von den Beamten gestellt wurde, schlug er auf sie ein. Alle drei Bundespolizisten mussten sich ärztlich behandeln lassen.