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Gramschatz
"Andere kriegen in meinem Alter Kinder, ich kriege Krebs": Alexander Stark stirbt mit nur 35 Jahren - und schrieb zuvor ein Buch
Alexander Stark aus Rimpar starb mit nur 35 Jahren an Darmkrebs. Aus einem Tagebuch wurde ein richtiges Buch. In "Einmal in 100 Jahren" gibt er Einblicke in sein Krebsleiden.
Herbert Stark hat seinen Sohn Alexander an Krebs verloren. Dieser hat während seiner Erkrankung ein Buch geschrieben. 
Foto: Thomas Obermeier | Herbert Stark hat seinen Sohn Alexander an Krebs verloren. Dieser hat während seiner Erkrankung ein Buch geschrieben. 
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 06.03.2024 02:55 Uhr

Die Grabrede, die Thorsten Stark für seinen kleinen Bruder Alexander schrieb, ist herzzerreißend: "Deine Rhetorik und Eloquenz in Kombination mit deiner Empathie und Warmherzigkeit haben dich als Dichter, Denker und Philosoph zu einem so einzigartig liebenswerten Menschen gemacht."

Dass Alexander Stark ein Denker und Philosoph war, wird spätestens auch denen bewusst, die ihn nicht kannten, wenn sie sein Buch lesen. Unter dem Titel "Einmal in 100 Jahren", schrieb er seine Geschichte auf, die traurig enden musste. Alexander Stark starb mit nur 35 Jahren an Krebs.

Nach 16 Chemos und einer schweren Darm-Operation stellten Ärzte Heilung in Aussicht

Im Haus seiner Eltern in Gramschatz hängen zahlreiche Familienbilder. Glückliche Gesichter füllen die Wände - Erinnerungen an bessere, schönere Zeiten. Auf dem Esszimmertisch haben Herbert und Reinhilde Stark eine kleine Gedenkstätte für ihren Sohn errichtet. Kerzen und Blumen umrahmen verschiedene Fotos des Verstorbenen. Die Trauer ist deutlich spürbar, immer wieder fängt Mutter Reinhilde bei den Erzählungen an zu weinen.

Ihr Sohn stand mitten im Leben, als er am 14. April 2020 die niederschmetternde Diagnose Darmkrebs erhielt. Seit einem Jahr war er verheiratet, liebte seinen Job als Lehrer, hatte so viele Pläne für die Zukunft. Schon kurz nach der Nachricht, tat er das, was er am besten konnte: Schreiben, um diesen Schicksalsschlag irgendwie zu verarbeiten. Er begann ein Tagebuch zu führen, in welchem er all seine Gefühle und Gedanken festhielt - anfangs noch ohne der Idee, dies in einem Buch zu veröffentlichen. "Andere kriegen in meinem Alter Kinder, ich kriege Krebs. Geht beides mit K los. Das war's dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten", lautet ein Absatz. 

Alexander Stark - auf dem Bild mit seiner Frau Christine - stand mitten im Leben, als er die Diagnose Darmkrebs erhielt. 
Foto: Christine Stark | Alexander Stark - auf dem Bild mit seiner Frau Christine - stand mitten im Leben, als er die Diagnose Darmkrebs erhielt. 

Was in der Zeit darauf folgte, war ein Wechselbad der Gefühle. Alexander Stark hatte mittlerweile mehrere Chemos und eine schwere Darm-Operation hinter sich gebracht, als die Ärzte im Sommer 2021 erstmals das Wort "tumorfrei" in den Mund genommen haben. In dieser Zeit, so erzählt es sein Vater, beschloss Alexander, das Tagebuch in einem Buch zusammenzufassen und es aus Dankbarkeit seiner Familie und seinen Freunden zu schenken. Der Titel des Buches zeigt heute deutlich, wie groß seine Hoffnung war: "Heilsame Pause" - ein Buch mit einem positiven Ende.

Der Buchtitel und das Ende veränderten sich mit der Zeit

"Meine Krankheit war wie das Leben. Jedes Mal, wenn ich mich auf eine Situation eingestellt hatte, änderte sie sich. Jedes Mal, wenn ich dachte, die Lage wäre aussichtslos, wurde sie aussichtsreich. Jedes Mal, wenn ich fest glaubte, es fast geschafft zu haben, erhielt ich einen Dämpfer", schreibt Alexander Stark in seinem Buch. 

In einer Nachuntersuchung wurden kurze Zeit darauf neue Metastasen in der Leber entdeckt und nach erneuten Chemos wurde ihm das halbe Organ entfernt. Sein "grenzenloser Optimismus", wie Vater Herbert Stark sagt, hat wieder einen Rückschlag erlitten und sein Sohn beschloss schließlich, seinem Buch einen anderen Titel zu geben: "Einmal in 100 Jahren". In seinem Buch schreibt Stark dazu: "Und dann sagt der Mann, der seit schätzungsweise dreißig Jahren Enddarmoperationen durchführte, einen Satz, den ich vom kleinen Zeh bis in die Haarspitze spürte: So etwas wie bei Ihnen gibt es vielleicht einmal in hundert Jahren."

Und so beschloss der junge Lehrer, das Buch zu veröffentlichen. Aus der Selbsttherapie wurde die Idee, mit dem Buch anderen Patientinnen oder Patienten oder deren Familien beizustehen, "sie irgendwie zu bestärken", sagt Herbert Stark. Die 150 Seiten seien gefüllt mit seinen Emotionen, Gefühlen, Trauer und Stärke. "Nach der Veröffentlichung haben wir zusammen mit Alexander sehr oft über dieses Buch gesprochen. Das tat ihm sehr gut und uns auch."

Die letzten Wochen verbrachte Alexander Stark im Elternhaus

Im Januar 2023 kam dann bei einer weiteren Nachuntersuchung die letzte niederschmetternde Nachricht: Inoperable Metastasen in der Lunge. Zur Lebensverlängerung wäre nur noch eine palliative Chemo eine Möglichkeit gewesen. "Das war für Alexander und auch für unsere Familie keine Option", so der Vater. 

Ende April zog der Sohn dann wieder zurück in sein Elternhaus, mit dabei seine ganze Familie: seine Frau und seine Brüder mit Frauen und Kind. Fünf Wochen lang lebten sie alle unter einem Dach, das Wohnzimmer wurde dabei zum Schlafzimmer umfunktioniert, um die letzten Tage für den Sterbenskranken so angenehm wie möglich zu gestalten.

"An dem Punkt, an dem viele Menschen umfallen, heulen, toben oder schreien würden, hat Alexander seine letzten Tage und Wochen selbstständig organisiert", sagt Reinhilde Stark über die Zeit. "So merkwürdig es auch klingen mag, obwohl es die schlimmste Zeit meines Lebens war, waren da auch wunderbare Momente dabei. So tiefe Momente, die man sonst vermutlich niemals erlebt. Da hat er sich verewigt bei uns", fügt ihr Mann an.

Der gesamte Erlös des Buches geht an die Deutsche Krebshilfe

Die letzten drei Tage verbrachte die Familie schließlich auf der Palliativstation des Juliusspitals. Am 29. Mai 2023 ging der letzte Atemzug durch Alexander Starks Lunge. Seine Familie war bis zuletzt an seiner Seite. 

Schon kurz darauf beschlossen seine Eltern, den Buchverkauf fortzusetzen und den gesamten Erlös an die Deutsche Krebshilfe zu spenden. "Wir wissen, dass er sich gefreut hätte", sagt Reinhilde Stark. Als ihr Sohn noch lebte, haben sie und ihr Mann das Buch gelesen. Seit seinem Tod können es beide nicht mehr öffnen.

Das Buch "Einmal in 100 Jahren - Einblicke in mein Krebsleiden" von Alexander Stark gibt es unter anderem auf www.epubli.com zu kaufen. Den gesamten Erlös spendet die Familie an die Deutsche Krebshilfe. 

 
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