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Würzburg
Alle hören Spotify, aber wer verdient daran? So gehen unterfränkische Bands mit dem Streamingportal um
Bis zu 120.000 Songs werden täglich bei Spotify hochgeladen. Das ist es schwer, aufzufallen. Warum die Plattform dennoch auch für kleine Bands unverzichtbar geworden ist.
'Drei Millionen Streams bringen grade mal die Kosten für Aufnahmen, Mischen, Mastern und die restliche Arbeitszeit für einen einzigen Song rein', sagt Songwriter Matze Rossi.
Foto: Steffen Krapf | "Drei Millionen Streams bringen grade mal die Kosten für Aufnahmen, Mischen, Mastern und die restliche Arbeitszeit für einen einzigen Song rein", sagt Songwriter Matze Rossi.
Marc Hoinkis
 |  aktualisiert: 15.07.2024 02:39 Uhr

Benjamin Haupt, Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken, kennt die Herausforderungen: Auch lokale Bands müssen sich Phänomenen wie Streaming und Social Media stellen. Haupt berät Musikerinnen und Musiker zu Fragen rund um das Musikbusiness und organisiert Workshops zu Songwriting oder Strukturen in der Musikszene. Auch für Fördergelder für Musikaufnahmen ist er zuständig.

"Für Kunstschaffende, die im Musikgeschäft durchstarten wollen, ist Spotify eigentlich unverzichtbar", sagt Haupt. Die Plattform habe eine Monopolstellung erreicht: Ohne sie sei es fast unmöglich, ein breites Publikum zu erreichen. Doch das Hochladen der Musik allein reiche nicht. "Aufmerksamkeit bekommt man hauptsächlich über Instagram und Tiktok. Wer auf diesen Plattformen hohe Klickzahlen erzielt, gilt als relevant und erhält Geschäftschancen."

'Aufmerksamkeit bekommt man hauptsächlich über Instagram und Tiktok.' Benjamin Haupt, selbst Gitarrist und Songschreiber, ist Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken.
Foto: Alex Chepa | "Aufmerksamkeit bekommt man hauptsächlich über Instagram und Tiktok." Benjamin Haupt, selbst Gitarrist und Songschreiber, ist Popularmusikbeauftragter des Bezirks Unterfranken.

Auf Spotify erlangt man Sichtbarkeit hauptsächlich durch Platzierungen in beliebten Playlists wie "New Music Friday". Doch das ist nicht einfach, da unterschiedlichen Quellen zufolge täglich zwischen 50.000 und 120.000 Songs hochgeladen werden. Einige Accounts verlangen sogar Geld dafür, dass Bands in ihre Listen aufgenommen werden.

Spotify zahlt nur noch ab 1000 Streams pro Jahr pro Song Tantiemen

Das Hochladen eigener Musik an sich ist simpel. Aber Spotify hat kürzlich sein Lizenzmodell geändert und zahlt nur noch ab 1000 Streams pro Jahr pro Song Tantiemen. Laut diversen Fachportalen zahlt die Firma im Durchschnitt zwischen 0,003 und 0,005 US-Dollar pro Stream. Aber die 1000-Streams-Hürde minimiert die Einnahmen für viele Musikerinnen und Musiker.

"Während Top-Artists immer mehr verdienen, gehen viele andere leer aus", sagt Benjamin Haupt. Trotzdem biete Spotify eine riesige Plattform, um Musik einem großen Publikum zugänglich zu machen, auch wenn das System oft als ausbeuterisch gesehen werde. "In der klassischen Musikszene hat Spotify übrigens weniger Einfluss, da die Konzertkultur stark bleibt. Klassische Musik wird eher im Konzerthaus als zu Hause gehört."

Kleine und mittelgroße Bands verdienen Geld hauptsächlich durch Live-Auftritte. "Der Fokus hat sich von 'Tour spielen, um Platte zu bewerben' zu 'Platte machen, um Tour zu bewerben' und nun zu 'Content kreieren, um wahrgenommen zu werden' verschoben", so Haupt. "Social Media spielt eine größere Rolle bei der Füllung von Clubs als die Musik selbst."

Für die meisten ist Spotify mehr Werbeplattform als Einnahmequelle

Die Würzburger Reggaeband Roots Flavor ist lokal zwar bekannt, aber auf Spotify nicht sehr verbreitet. Bandmitglied Christian Geiger sagt: "Die Musik auf dieser Plattform ist lediglich Promo-Material. So müssen wir keine großen Anhänge per Mail oder gar CDs per Post verschicken, sondern ein Link genügt, um sich bei Veranstaltern zu bewerben." Auch die Fans könnten schneller die Musik finden. "Geld verdienen wir damit natürlich nicht. Da unsere Musik zudem kein Massenprodukt und die Auswahl riesig ist, gleicht es dann eher der Suche nach der Nadel im Heuhaufen."

Auch die Rocksängerin Steffi List aus Geldersheim (Lkr. Schweinfurt), die 2008 bei Stefan Raabs Castingshow SSDSDSSWEMUGABRTLAD den 3. Platz belegte, sieht Spotify eher als Werbeplattform, denn als Einnahmequelle. Sie steckt ihre Energie lieber in Liveauftritte. "Mit meinen Verdiensten bei Spotify kann ich ein paar Mal im Jahr gut essen gehen", verrät die Sängerin. Aber es würde Jahre brauchen, die Kosten für die Studioaufnahme eines Songs aus Streamingeinnahmen zu decken.

'Mit meinen Verdiensten bei Spotify kann ich ein paar Mal im Jahr gut essen gehen', sagt die Rocksängerin Steffi List.
Foto: Ivana Biscan | "Mit meinen Verdiensten bei Spotify kann ich ein paar Mal im Jahr gut essen gehen", sagt die Rocksängerin Steffi List.

An den Verkaufszahlen ihrer eigenen Einspielungen sieht Steffi List, dass der Streamingdienst die physischen Datenträger immer mehr verdrängt. "Dabei geht die Wertigkeit einer Platte oder CD verloren, da man nichts mehr in der Hand hat, kein Booklet oder Cover betrachten kann."

Der Songwriter Matze Rossi, einst Frontmann der Punkband Tagtraum, hat über 23.000 monatliche Hörer auf Spotify. "Bildlich gesprochen schwimme ich in diesem Haifischbecken als kleiner glücklicher Clownfisch und freue mich, dass meine Musik überall gehört werden kann und wird", sagt er. Allerdings kann auch er nicht wirklich etwas Gutes über die Vergütungspolitik von Spotify sagen, denn auch er verdient dabei nicht besonders viel Geld – Ausnahme ist sein Hit "Wenn ich mal", der es in eine offizielle Spotify-Playlist geschafft hat.

Da kommen dann schonmal drei Millionen Streams zusammen und auch dementsprechend ein paar Euro. Allerdings: "Die drei Millionen Streams bringen gerade mal die Kosten für Aufnahmen, Mischen, Mastern und die restliche Arbeitszeit für einen einzigen Song rein", sagt Matze Rossi.

 
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