Enkeltrick-Betrüger und Schockanrufer werden immer dreister, aber mitunter wissen Betroffene clever und mit Phantasie zu reagieren. Dies zeigt das kluge Verhalten einer Rentnerin aus Würzburg, durch die im vergangenen Oktober zwei Betrüger gestellt wurden. Vor der der Großen Jugendkammer des Landgerichts Würzburg waren die beiden jetzt angeklagt.
Anruf von angeblichen Polizisten: Kaution für Tochter gefordert
Als die damals 83-jährige Seniorin im Herbst von den Betrügern angerufen wurde, reagierte sie geistesgegenwärtig. Die beiden Männer, die sich als Polizisten ausgaben und von einem Callcenter in Krakau aus gesteuert wurden, verlangten am Telefon von der Rentnerin 42.000 Euro Kaution. Ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Ohne Geldzahlung müsse sie für längere Zeit in Haft, hatten wechselnde Anrufer - angeblich "von der Polizei" - gesagt. Im Hintergrund war herzzerreißendes Weinen und Schluchzen zu hören - "bitte schick das Geld".
Tatsächlich aber lebt die Würzburgerin allein. Sie hatte den Schwindel sofort erkannt - allein schon, weil sie gar keine Tochter hat. Die Frau bat die Betrüger um etwas Zeit. Sie müsse sich erst um ihren pflegebedürftigen Ehemann kümmern, gab sie vor. Sie müsse das Geld dann nur noch zusammensuchen, es sei auf mehrere Verstecke verteilt.
Statt Geld und Schmuck leere Gurkengläser und Klopapierrollen in die Tasche gepackt
Die Zeit für den erfundenen Windelwechsel bei ihrem Mann nutzte die Seniorin, um die echte Polizei zu verständigen. Bei weiteren Gesprächen mit den Schockanrufern gab sie sich bewusst "leicht verwirrt", um weitere Zeit zu gewinnen. Die Anrufer nannten ihr einen Mann, der das Geld abholen würde, und zeigten ihr auf dem Smartphone von ihm ein Bild. Doch in die Tüte für jenen "Paul" steckte die Seniorin statt der verlangten Geldbündel und Schmuckstücke leere Gurkengläser und Klopapierrollen.
Wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagt
Die beiden betrügerischen "Abholer" standen jetzt in Würzburg von der Großen Jugendkammer des Landgerichts - angeklagt wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in insgesamt sieben Fällen. Der inzwischen 16-jährige Angeklagte erhielt eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Der Jugendliche, der keine Schulbildung hat, hatte während der Untersuchungshaft erfahren, dass er inzwischen Vater geworden war. Der 23-Jährige wurde zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Geständnis zu Prozessbeginn: Auswärtigen Opfern blieb Aussage erspart
Dass die Strafen nicht höher ausfielen, so das Gericht, gehe auf eine "Verständigung" bei Prozessbeginn zurück. Die Richter hatten die Mindest- und Höchststrafe für den Fall genannt, dass die Angeklagten ein umfassendes Geständnis ablegen würden. Auf mindestens fünf Tage angesetzt, verkürzte sich der Prozess damit. Weiteren, auswärtigen Opfern blieb damit die Aussage vor Gericht erspart. Sie wäre für die meist betagten Betroffenen, so die Richter, mit erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen verbunden gewesen.
So sagte vor Gericht nur die Würzburger Seniorin aus. Sie hatte gleich nach der Übergabe der "Kaution" einen der beiden Betrüger bis zur Festnahme durch die Polizei verfolgt. Unterstützt wurde sie von einem Handwerker, der auf einem Nachbargrundstück gearbeitet hatte. Er kannte die Rentnerin flüchtig, beobachtete die Übergabe und begriff, dass da etwas nicht stimmte. Der zweite Abholer hatte zunächst entkommen können, lief der Rentnerin aber wenig später dann zufällig über den Weg.
Witwe aus Wiesentheid um 30.000 Euro gebracht
Die beiden Festgenommenen hatten mehrere Smartphones bei sich, auf den vielen "Kunden"-Daten gespeichert waren. Außerdem Einspielungen von falschen Polizisten, Staats- und Rechtsanwälten, die den Opfern den jeweiligen Abholer vorstellten und sich für die zügige Bereitstellung des Geldes bedankten. Die Ermittlungen der Würzburger Polizei führten schnell zu zahlreichen ungeklärten ähnlichen Fällen in der Region und bundesweit.
So war in Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) eine 85-jährige Witwe betroffen. 40.000 Euro sollte sie als Kaution für eine Enkelin nach einem angeblichen schweren Unfall zahlen. Die Seniorin konnte nur 30.000 Euro aufbringen. Damit gaben sich die Anrufer - angeblich "die Polizei in Bamberg" - zufrieden.
Geldübergabe am Hintereingang des Amtsgerichts in Lörrach
In Lörrach hatte ein angeblicher Rechtsanwalt einen eingeschüchterten 67-Jährigen zur Übergabe von 54.000 Euro an den Hintereingang des Amtsgerichts bestellt. Der Rentner brachte seine gesamten Ersparnisse dorthin, den wartenden Betrüger hielt er für einen Mitarbeiter des Gerichts.
In Saarbrücken hatte ein 63-Jähriger bereits 60.000 Euro bei der Bank abgehoben. Die vereinbarte Übergabe auf dem Parkplatz eines Supermarkts scheiterte daran, dass der Rentner unbedingt erst ein Foto vom Abholer machen wollte. Das lehnte dieser ebenso ab wie eine Quittung. Weil der Betrüger weder schreiben, noch lesen kann, wurde die Geldübergabe – zum Glück für den skeptischen Rentner – abgebrochen.
In Kaiserslautern dagegen gaben die Angeklagten nicht auf, als eine 81-Jährige versicherte, sie könne die geforderten 40.000 Euro nicht besorgen. Einer der Beschuldigten klingelte bei ihr an der Wohnungstür, die Kaution könne auch in Schmuck "bezahlt" werden. Dreist bot er seine Hilfe bei der Suche nach Schmuck oder Münzen an. Die Rentnerin beteuerte, nichts Wertvolles im Haus zu haben und ließ ihn nicht herein.
Vorsitzender Richter: "Das war eine große Schweinerei"
Der Vorsitzende Richter Michael Schaller sprach bei der Urteilsbegründung von "großer Schweinerei". Der Staatsanwalt hatte das Vorgehen der Angeklagten als "besonders verwerfliche Begehungsweise" bezeichnet. Schaller wurde deutlicher: "Da kommen junge Burschen angefahren", die in ihrem Leben bislang nichts auf die Reihe bekommen hätten. Und dann würden sie Senioren in einer geradezu "industriellen Organisation" um die Ersparnisse bringen.
Die Rolle der Abholer dürfe man, so das Würzburger Gericht, nicht vorschnell "verharmlosen" und nur "am unteren Rand der Banden-Hierarchie" sehen. Zwar seien Abholer nur im Auftrag anderer unterwegs. Doch ohne sie würde das Betrugskonzept mit den tückisch angelegten Anrufen nicht aufgehen, sagte Schaller. Der Hinweis galt einem Verteidiger, der die Angeklagten mehr in der Rolle von Laufburschen als von internationalen Betrügern gesehen hatte.
Hoffentlich kommen die Verwandten der Betrüger nicht zurück und bedanken sich.
..."Das war Spitze" und seinen berühmten Luftsprung machen 😉 (Statt Geld und Schmuck leere Gurkengläser und Klopapierrollen in die Tasche gepackt)
Einfach Klasse, die Reaktion der 83-jährigen Frau 👍😁