
202 jüdische Kinder, Frauen und Männer waren es, die von den Nationalsozialisten am 27. November 1941 von Würzburg aus über Nürnberg nach Riga gebracht wurden – es war die erste von insgesamt neun Deportationen. Seit über 20 Jahren gedenken die Gemeinschaft Sant'Egidio, die Israelische Kultusgemeinde und die katholische und evangelische Kirche gemeinsam an diese erste Deportation. An diesem Montag beteiligten sich trotz Kälte und Schneeregen etwa 200 Menschen und liefen mit Kerzen in der Hand vom DenkOrt Deportationen am Hauptbahnhof schweigend durch die Innenstadt zum Rathaus, um das Gedenken öffentlich sichtbar zu machen.

"Zukunft braucht Erinnerung" lautete wie bereits im letzten Jahr das Motto der Veranstaltung, an der der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zum ersten Mal seit längerer Zeit nicht teilnehmen konnte: Er begleitet seit Sonntag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Reise nach Israel.
Aufruf von Würzburgs OB Schuchardt zum Einsatz gegen jeglichen Antisemitismus
Eine Vertreterin der israelitischen Gemeinde verlas Schusters Grußwort auf der Bühne im Innenhof des Rathauses: "Juden und Nichtjuden, religiöse und nicht religiöse Würzburgerinnen und Würzburger" seien am 82. Jahrestag der ersten Deportation im Gedenken vereint, hieß es darin. Insgesamt wurden bei den neun Deportationen bis Ende 1944 mehr als zweitausend Jüdinnen und Juden aus Unterfranken von Würzburg aus in die Vernichtungslager in Osteuropa geschickt, nur wenige überlebten.

"Wir sind auch hier, um ein Zeichen gegen jede Form von Rassismus und Hass zu setzen", sagte anschließend Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Er zeigte sich bestürzt über die neue Welle von antisemitischen Übergriffen in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober: "Was ist mit unserem Land passiert, dass sich jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger hier nicht mehr sicher fühlen können?", fragte Schuchardt und rief dazu auf, sich nicht nur in Festtagsreden, sondern vor allem im Alltag gegen jeglichen Antisemitismus einzusetzen.

Ähnliche Worte fanden der evangelische Dekan Wenrich Slenczka und Bischof Franz Jung, die vor Beginn des Schweigemarschs am Bahnhofsvorplatz sprachen. "Alte Stereotype werden zu neuem Leben erweckt. (…) Jeder Angriff gegen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist wie ein Angriff auf uns selbst, denn wir sind untrennbar eine Familie", betonte Jung. Die Geschehnisse des 27. November 1941 seien auch 82 Jahre später eine Mahnung, die nicht in Vergessenheit geraten dürfe.
Das Motto „Zukunft braucht Erinnerung“ ist eine „menschliche Weisheit“, die durch den aktuellen, explosionsartigen und weltweiten Anstieg von Antisemitismus widerlegt ist. Sollten wir uns nicht eingestehen, dass menschliche Weisheit hier nicht zum Ziel führt. Im Psalm 46 heißt es: „Ein feste Burg ist unser Gott!“ „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken“ (Ps. 46,2+3).