
Wer eine Immobilie ersteigert, kann ein Schnäppchen unter dem Marktwert machen. Immer wieder stehen an den Amtsgerichten in Unterfranken solche Versteigerungen von Häusern oder Wohnungen an. Doch der Immobilienexperte Stephan Kippes warnt: "Zwangsversteigerungen sind Hochrisikoveranstaltungen". Mit der richtigen Vorbereitung könnten Interessenten bei Zwangsversteigerungen allerdings manchen Unsicherheiten entgegenwirken, sagt der Professor für Immobilienmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HFWU).
Der 62-Jährige ist Geschäftsführer des Immobilienverbands IVD-Süd. Für Bieterinnen und Bieter hat er sieben konkrete Tipps für die Vorbereitung:
1. Mit Absagen rechnen und nicht auf die Immobilie versteifen
Unter Immobilien-Experten gibt es eine Faustformel: Nur ungefähr die Hälfte der angesetzten Versteigerungstermine findet wirklich statt. Bei einer Zwangsversteigerung können Häuser und Wohnungen aus verschiedenen Gründen unter den Hammer kommen, etwa bei Überschuldung, Arbeitsplatzverlust oder Krankheit. Auch bei Uneinigkeit zwischen mehreren Eigentümern kann eine Teilungsversteigerung angesetzt werden, häufig bei Erbengemeinschaften oder Scheidungen.
In vielen Fällen einigen sich die Parteien vorab und der Termin am Amtsgericht wird abgesagt. Wer sich als potenzieller Bieter oder Bieterin schockverliebt hat, könnte enttäuscht werden.
2. Das Objekt vor Ort anschauen
Normalerweise gibt es keine Gelegenheit, die Immobilie vor der Versteigerung von innen zu besichtigen. Daher rät der Immobilien-Experte: Interessenten sollten sich das Objekt von außen anschauen. "Vielleicht kann man auch einen Espresso am Stehcafé gegenüber trinken und ein bisschen mit den Nachbarn ins Gespräch kommen", sagt Stefan Kippes.
Wo es möglich ist, sollten potenzielle Bieterinnen und Bieter auch mal um das Haus herumlaufen oder einen Blick über den Gartenzaun werfen. Mehr aber auch nicht, lautet die dringende Empfehlung des studierten Betriebswirts: Vom Klingen bei den derzeitigen Besitzern rät Kippes ab. Das gehe zu weit.
3. Das Gutachten gründlich lesen und Mietverhältnisse prüfen
Soll ein Haus oder eine Wohnung versteigert werden, gibt das zuständige Amtsgericht ein Gutachten in Auftrag. Interessentinnen und Interessenten können es einsehen, um sich vor der Versteigerung einen Eindruck von der Immobilie zu machen. Immobilien-Experte Kippes rät, dieses Gutachten gründlich zu lesen. Es sollte auch Details zu etwaigen Bauschäden oder Renovierungsbedürftigkeit enthalten.
Dem Amtsgericht Würzburg zufolge sind Besitzer allerdings nicht dazu gezwungen, dem Gutachter Zutritt zu der Immobilie zu gewähren. Konnte der Sachverständige das Haus oder die Wohnung für das Gutachten nicht betreten, sollte dies daraus hervorgehen, sagt Kippes.
Außerdem wichtig: Ist die Immobilie vermietet? Denn wenn das Haus bei der Versteigerung seinen Besitzer wechselt, bleibt das aktuelle Mietverhältnis bestehen. "Wenn ich nicht weiß, wie die Vermietungsverhältnisse sind, würde ich bei der Versteigerung nicht einsteigen", sagt der Experte.
4. Das Grundbuch einsehen
Einsicht in Teile der Versteigerungsakte und in einen Grundbuchauszug sind (in der Regel nach Terminvereinbarung) bei Amtsgerichten möglich. Die Gelegenheit sollte man wahrnehmen, sagt Kippes. Denn im Grundbuch ist vermerkt, ob auf dem Haus eine Grundschuld lastet, die vom neuen Eigentümer beglichen werden muss. Auch Wegerechte sind im Grundbuch eingetragen. Darin könnte zum Beispiel geregelt sein, dass andere Personen das betreffende Grundstück durchfahren dürfen.

5. Makler über das Angebot schauen lassen
Wer eine Immobilie kauft, bindet sich meist viele Jahre oder mehrere Jahrzehnte daran. Wer sich unsicher ist, könne einen Makler oder eine Maklerin vorher auf die wenigen verfügbaren Informationen zu der angebotenen Immobilie schauen lassen. Der Marketing-Experte rät, eine solche Experten-Meinung einzuholen.
Auch mit den Abläufen am Termin der Versteigerung seien Makler vertraut. Denn es gib formale Hürden: Wer ein Gebot abgeben will, muss beispielsweise vorher eine sogenannte Bietsicherheit vorlegen – etwa als vorherige Überweisung an das zuständige Gericht oder eine Bankbürgschaft.
Bei rechtlich vertrackten Fragen zum Grundbuch kann es Kippes zufolge sinnvoll sein, sich von einem Anwalt oder einer Anwältin beraten zu lassen.
6. Ein Limit setzen – und daran festhalten
Immobilien-Profi Stephan Kippes empfiehlt Interessenten, die Finanzierung des Immobilienkaufs "akribisch zu planen". In einem "kleinen Businessplan" müssten vor der Versteigerung einige Fragen geklärt werden: Welchen Anteil am Kaufpreis muss ich mit einem Kredit finanzieren? Wie hoch muss mein Budget für die Sanierung oder Renovierung sein? Will ich die Immobilie vermieten oder selbst darin wohnen? Dann müsse man errechnen, was einem die Immobilie wert ist.
"Bieter sollten sich für die Versteigerung ein Limit setzen – und dann auch unbedingt dabei bleiben", sagt der Experte.
7. Keine Schnäppchen erwarten
"Eine Zwangsversteigerung ist wie ein Gebrauchtwagen-Kauf ohne Probefahrt", vergleicht der Experte. Man könne vorher nicht an die Wände klopfen oder riechen, ob es im Keller schimmelt. Bieterinnen und Bieter müssen sich bewusst machen, dass sie sich auf dieses Risiko einlassen.
Es mag in Ausnahmefällen auch Schnäppchen geben, meint Kippes. Teilweise gebe es aber einen Grund, dass die Immobilien auf dem regulären Markt noch keinen Käufer gefunden hat. Zumal der Meistbietende auch nicht immer der neue Eigentümer der Immobilie wird. Denn zum Schutz des Eigentümers gibt es gesetzliche Regelungen, die sicherstellen sollen, dass Häuser und Wohnungen nicht verschleudert werden. Ein Beispiel: Bei einem Meistgebot von weniger als der Hälfte des Verkehrswertes ist das Amtsgericht gesetzlich gezwungen, bei einem ersten Versteigerungstermin noch keinen Zuschlag zu geben.