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Würzburg
25 Jahre Erthal-Sozialwerk Fahrradservice Würzburg: Das steckt hinter dem inklusiven Fahrradreparaturdienst
Beim Fahrradservice des Erthal-Sozialwerks in Würzburg finden Menschen mit Beeinträchtigung und psychischer Erkrankung Beschäftigung und ein Einkommen – und retten Fahrräder.
25 Jahre Erthal-Sozialwerk Fahrradservice. (Von links) Michael Jauch, Thorsten Mathe, Sebastian Jokisch und Hermann Lutz.
Foto: Heiko Becker | 25 Jahre Erthal-Sozialwerk Fahrradservice. (Von links) Michael Jauch, Thorsten Mathe, Sebastian Jokisch und Hermann Lutz.
Milla Dorst
 |  aktualisiert: 04.09.2023 03:05 Uhr

Der Fahrradservice des Erthal-Sozialwerks in der Würzburger Sanderstraße ist seit vielen Jahren stadtbekannt. Und leistet einen wichtigen Beitrag zur Inklusion von Menschen mit psychischer Erkrankung und Behinderung. Hier können sie eine sinnvolle Tätigkeit ausüben, sich in einem stabilen sozialen Umfeld bewegen und ihre Fähigkeiten ausbauen.

Der Fahrradladen war eines der Angebote des Erthal-Sozialwerkes, um den psychisch erkrankten Menschen und den Menschen mit Behinderung eine Arbeit zu ermöglichen. Das Projekt begann 1998 mit zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Ich habe es gleich gemacht", sagt Hermann Lutz. Er war bis Juni dieses Jahres der Werkstattleiter des Fahrradservice in der Würzburger Sanderstraße. Für ihn war es "eine aufregende Zeit". Er und Roland Fischer, auch ehemaliger Werkstattleiter, hätten ihre "Sache so gemacht, wie wir dachten, es wäre richtig". Teilweise auch ehrenamtlich.

"Ich wollte den Job erstmal für drei Jahre machen, dann sind es fast 40 Jahre geworden". Lutz und Fischer haben versucht, mit wenig Geld einen Laden hochzuziehen. Die Räumlichkeiten in der Sanderstraße wurden von der Stadt zur Verfügung gestellt, den Rest mussten sie selbst machen. "Wir haben immer gut zu tun gehabt", sagt Lutz. Ein Teil nach dem Anderen kam dazu. Auf den etwa 450 Quadratmetern war es möglich, sich zu vergrößern und weiterzuentwickeln.

"Wir wollen den Menschen, die hier arbeiten, auf Augenhöhe begegnen."

"Wir wollen den Menschen, die hier arbeiten, auf Augenhöhe begegnen", sagt Michael Jauch, der Leiter der Werkstätten mit psychischer Erkrankung und Behinderung (WfbM) des Erthal-Sozialwerks. Wichtig sei ihnen, dass keine Hierarchien entstehen. "Die Mitarbeitenden gehen immer mit, wenn Schulungen oder Messen stattfinden. Natürlich nur, wenn sie wollen", so Jauch. In den Wintermonaten, in denen nicht mehr so viel Betrieb sei, gäbe es täglich eine morgendliche 15-Minuten-Schulung. Auch wenn größere Firmen wie Bosch Schulungen anbieten, dürfen die Mitarbeitenden daran teilnehmen.

Einer der Mitarbeiter, Sebastian Jokisch, sagt: "Das sind schon sehr viele Eindrücke auf einmal, aber es ist interessant und man lernt sehr viel." Dennoch "geht es ohne die Hilfe von ausgebildeten Mechanikern manchmal dann doch nicht", so Jokisch. Spezialisiert hat sich Jokisch auf die Arbeit mit E-Bikes, aber im Verkauf sei er auch gerne tätig. "Es ist wichtig, an solchen Schulungen teilzunehmen, um mit anderen Fahrradreparaturläden mithalten zu können", so Lutz.

Sebastian Jokisch arbeitet schon das sechste Jahr in der Fahrradwerkstatt und ist spezialisiert auf E-Bikes.
Foto: Heiko Becker | Sebastian Jokisch arbeitet schon das sechste Jahr in der Fahrradwerkstatt und ist spezialisiert auf E-Bikes.

Erste Fahrradwaschstraße in ganz Unterfranken

Der Unterschied zu anderen Werkstätten sei der, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich die Arbeit selbst aussuchen dürfen. Es darf in allen Bereichen gearbeitet werden, egal ob im Verkauf, im Lager oder hinten in der Garage. "Es ist auch für die Mitarbeitenden ein Stückchen Freiheit. Die Verantwortung gegenüber anderen Mitarbeitern wächst dadurch", meint Lutz.
Auch auf Selbstständigkeit werde großen Wert gelegt. Von Produkten bestellen bis hin zu deren Verkauf - all das zähle zu ihren Aufgaben.

Der Fahrradladen ist ein Bereich, in dem eher die leistungsstarken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erthal-Sozialwerks arbeiten, weil es von der Technik her anspruchsvoll ist. "Es braucht handwerkliches Geschick", so Jauch, der stolz darauf ist, dass "wir damals die erste Fahrradwaschstraße in ganz Unterfranken anbieten konnten." Ein Alleinstellungsmerkmal des Fahrradservice.

Jauch: "Inklusion gelingt dann, wenn man irgendwo hingeht und sich nicht die Frage stellt, wen habe ich denn jetzt vor mir."

"Es soll keine typische Werkstatt sein, wo alles an einem Platz ist. Wir wollen da sein, wo die Arbeit ist. Und auch da sein, wo andere Menschen sind, dort wo Inklusion stattfindet", sagt Jauch. Der Fahrradladen sei hierfür ein gutes Beispiel, dass es funktioniert. Der Kunde komme herein und sehe nicht, dass es eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist, sondern einfach ein Fahrradladen. "Inklusion gelingt dann, wenn man irgendwo hingeht und sich nicht die Frage stellt, wen habe ich denn jetzt vor mir", so Jauch.

Der Fahrradservice ist bekannt für seine Reparaturdienste in der Würzburger Sanderstraße.
Foto: Heiko Becker | Der Fahrradservice ist bekannt für seine Reparaturdienste in der Würzburger Sanderstraße.

Jokisch: "Der Fahrradladen ist für mich ein Stück Heimat geworden"

Jokisch arbeitet schon das sechste Jahr in der Fahrradwerkstatt, davor hat er im sozialen Bereich gearbeitet. "Am Anfang habe ich geschraubt, dann bin ich an die Kasse. Jetzt mache ich alles", sagt er.
"Ich finde es schön, dass man eine Routine hat, das hat mir in den Jahren davor gefehlt. Für mich ist das ein Stück Heimat geworden". 

Der Fahrradservice des Erthal-Sozialwerks bieten ein umfangreiches Angebot an. Vom Fahrradcheck bis hin zur vollautomatischen Fahrradwäsche gibt es einiges zu entdecken. Nicht nur Reparaturen werden hier vorgenommen. Fahrräder können auch gekauft werden. Ob neu, gebraucht, elektrifiziert oder zur Miete -für jeden gibt es die passende Lösung. Nur eine Sache habe sich in den 25 Jahren nicht verändert, nämlich die Konzeption des Fahrradladens: Hier arbeiten bereits von Anfang an Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand zusammen.

 
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  • Peter Howora
    Danke, dass es euch gibt! Vor genau 2 Jahren war ich an meinem ersten Tag im Heimaturlaub mit meinem Fahrrad bei euch und ihr habt euch sofort um mich gekümmert. Das Rad hatte ich bei Ebay gekauft und im Frauenland abgeholt. Ich war öfter bei euch und habe Fahrradzubehör gekauft. Liebe Grüße aus dem mexikanischen Hochland. Übrigens: das Rad steht in der Garage meiner Tochter in Zell und wartet auf meinen nächsten Heimaturlaub.
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