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Würzburg
100 Jahre Yehuda Amichai: Witwe und Kinder des Dichters als Gäste bei Festakt zum runden Geburtstag in Würzburg
Yehuda Amichai ist der weltweit bekannteste Dichter aus Würzburg. Die Stadt feierte den runden Geburtstag mit einem Festakt, an dem neben der Familie aus Zentralratspräsident Schuster teilnahm.
Beim Festakt im Würzburger Ratssaal: Hana Sokolov-Amichai (Mitte), die Witwe Yehuda Amichais, mit OB Christian Schuchardt und Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Links im Bild Emanuella Amichai, die Tochter des Dichters. 
Foto: Daniel Peter | Beim Festakt im Würzburger Ratssaal: Hana Sokolov-Amichai (Mitte), die Witwe Yehuda Amichais, mit OB Christian Schuchardt und Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 18.05.2024 02:41 Uhr

Die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des großen israelischen Dichters und Autors Yehuda Amichai (1924-2000)  haben am Montag mit einem Festakt mit rund 150 geladenen Gästen im Ratssaal begonnen. "Damit schließt sich für mich ein Kreis. Yehudas Leben war aufgeteilt zwischen seiner Geburtsstadt Würzburg und Jerusalem, wo er gestorben ist", sagte Amichais Witwe Hana Sokolov-Amichai. Sie trug sich zusammen mit ihren beiden Kindern Emanuella und David Amichai und der israelischen Generalkonsulin Talya Lador-Fresher in das Goldene Buch der Stadt ein.

Yehuda Amichai, in Würzburg als Ludwig Pfeuffer am 3. Mai 1924 geboren und mit seiner gesamten Familie aufgrund der antisemitischen Verfolgung nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1936 nach Palästina ausgewandert, lebte in Jerusalem. Seine Geburtsstadt hat er seit den 1950er Jahren häufig besucht, die durch den weltbekannten Literaten bestehende Verbindung zwischen Würzburg und Jerusalem kam in den Ansprachen im Ratssaal immer wieder zur Sprache. "Wenn man sich seine Gedichte genau ansieht, findet man darin viele Erinnerungen, Bilder und Ideen aus Würzburg", sagte Hana Sokolov-Amichai.

Yehuda Amichai (1924-2000), hier auf einem Foto aus dem Jahr 1991. 
Foto: Norbert Schwarzott | Yehuda Amichai (1924-2000), hier auf einem Foto aus dem Jahr 1991. 

"Ich spreche als echter Würzburger. In Amichais Werken erkenne ich meine Kindheit wieder", sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden. Als Würzburger sei Amichais Roman "Nicht von jetzt, nicht von hier", der nach einem Besuch des Autors in Würzburg im Jahr 1957 entstanden ist und in beiden Städten spielt, für ihn zum Begleiter und zur Erinnerungshilfe geworden, so Schuster, und: "Seine Gedichte ziehe ich nicht selten heran, wenn ich eine Atempause brauche."

Josef Schuster: Amichai gehört in jeden Lehrplan

Deutschlands Vergangenheit könne nur aufgearbeitet und bewältigt werden, wenn sie nicht verdrängt werde – das ist für Schuster eine der zentralen Botschaften in den Werken von Yehuda Amichai. "In Zeiten, in denen sich menschenverachtende und ausgrenzende Worte und Taten gegen Juden, Migranten und andere als fremd markierte Menschen wieder Bahn brechen, gehört Amichai in jeden schulischen Lehrplan und in jede Uni- und Privatbibliothek."

Auch den Wunsch nach einem "tragfähigen Frieden im Nahen Osten" formulierte der Zentralrats-Präsident. Die interkulturellen Feierlichkeiten in Würzburg anlässlich des Geburtstags ihres Vaters bezeichnete Emanuella Amichai in ihrem Teil der Festrede als Beweis dafür, dass auch in den gerade schwierigen und komplexen Zeiten "Mitgefühl, Menschlichkeit, Liebe und Hoffnung einen Wert in dieser Welt haben".

Die Witwe Hana Sokolov-Amichai, die beiden Kinder des Dichters, Emanuella und David, und die israelische Generalkonsulin für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher (von links) trugen sich ins Goldene Buch der Stadt Würzburg ein. 
Foto: Daniel Peter | Die Witwe Hana Sokolov-Amichai, die beiden Kinder des Dichters, Emanuella und David, und die israelische Generalkonsulin für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher (von links) trugen sich ins Goldene Buch der Stadt ...

Sie ist künstlerisch verantwortlich für eine Performance der Theatergruppe "Anachnu" der hebräischen Universität Jerusalem an diesem Mittwoch um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei. Jüdische, arabische und palästinensische Studierende stehen in dem Ensemble gemeinsam auf der Bühne. "Sie zeigen uns immer wieder, dass es Hoffnung und einen Weg gibt, miteinander ins Gespräch zu kommen", so Emanuella Amichai.

Yehuda-Amichai-Preis wird erstmals vergeben

Ihr Bruder David Amichai, der zum vierten Mal in Würzburg ist, verwarf angesichts des großen Wandgemäldes mit Szenen aus der Würzburger Stadtgeschichte seine geplante Rede: "Dieses Gemälde ist eine Botschaft der Hoffnung. Ich fühle mich in Würzburg mehr und mehr zu Hause und spüre die Präsenz meines Vaters hier." Würzburger Bekannte und Freunde von Yehuda Amichai, wie Rosa Grimm, Daniel Osthoff und Burkhard Hose, machte er bei dieser Gelegenheit zu Mitgliedern der "erweiterten Familie Amichai". Burkhard Hose stellte anschließend die Festschrift vor, die zum 100. Geburtstag von Yehuda Amichai erschienen ist.

Zu Beginn des Festakts hatte Oberbürgermeister Christian Schuchardt die Gäste im Ratssaal begrüßt. "Lassen Sie uns stolz sein auf Yehuda Amichai und ihn bei aller Nachdenklichkeit gemeinsam feiern", sagte der OB und wies auf den mit 15.000 Euro dotierten Yehuda-Amichai-Literaturpreis hin, den die Stadt in diesem Herbst zum ersten Mal vergeben wird.

 
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Mitgefühl, Menschlichkeit, Liebe und Hoffnung

    kommen mMn fortschreitend zu kurz in einer Welt, die stattdessen auf rücksichtslose Gewinnmaximierung, Abgrenzung, Feindseligkeit und Unterdrückung setzt. Und wer ständig mit so etwas klarkommen muss, wird selten etwas anderes weitergeben...

    Menschen wie Jehuda Amichai sind Lichter der Hoffnung. Frage ist oft genug, ob man diese Lichter im nebligen Grau des Alltags oder gar durch den Tränenschleier noch sehen kann. Die Regierenden lassen - zumindest gefühlt - die Gierigen und die Spalter viel zu sehr machen, kümmern sich viel zu wenig um die Humanität und beklagen sich dann (zumindest in der Öffentlichkeit) bitterlich über die resultierenden Zustände. Könnte das daher kommen, dass auch in der Politik viel zuviele Menschen ihren größten Vorteil darin erblicken, die oben genannten (Anti-)Ziele zu verfolgen?

    Ich fürchte sehr, das "Nie wieder" ist "schon wieder" im Kommen. Dazugelernt hat anscheinend niemand.
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