Sie gilt als älteste Zahnarztpraxis Würzburgs: die Praxis Dr. Behr-Dr. Trojanski in der Sanderau, geführt in der dritten Generation von Andrea Behr. Begonnen hat die Geschichte der Zahnarztpraxis Behr vor 100 Jahren in Grombühl: Am 15. Mai 1922 eröffnete Andrea Behrs Großvater, Andreas Behr, seine Praxis in der Petrinistraße 4. "Es war keine Bestellpraxis, in der die Patienten zu bestimmten Zeiten Termine für die Behandlung bekamen", erzählt Andrea Behr beim Gespräch in ihrer Praxis. "Mein Großvater stand am Fenster und hat gewartet, bis ein Patient kam."
War das Problem des Patienten eine braune Stelle am Zahn, wurde diese herausgebohrt und eine Amalgamfüllung "mit dem Daumen reingedrückt", so die 53-Jährige. Allgemein sei damals nicht viel Aufhebens bei der Zahnbehandlung gemacht worden: Nach der Plombe kam die Zange zum Einsatz; waren nicht mehr allzu viele Zähne übrig, wurde eine Prothese eingesetzt. Auch die Gerätschaften waren nichts für Zartbesaitete: "Wir haben noch einen Tretbohrer aus der damaligen Praxis im Keller, der ähnlich aussieht wie eine alte Nähmaschine", sagt Behr. "Er hat nur eine geringe Umdrehung, was beim Bohren zu einer großen Erschütterung führt."
Bei schmerzhafteren Eingriffen sei Oma Wilhelmine Behr aus der Wohnung in die Praxis gekommen und hätte den Kopf des Patienten gehalten, schildert Andrea Behr. Dass die Betäubungsmöglichkeiten damals insbesondere für kleinere Eingriffe eingeschränkt waren, sei auch eine Belastung für die Zahnärzte gewesen: "In unserem Beruf hat man es immer mit Angst und Schmerz zu tun."
1923 kam Andrea Behrs Vater, Richard Behr, auf die Welt. Als junger Erwachsener musste er im Zweiten Weltkrieg als Soldat ausrücken; 1946 kam er aus Stalingrad in das völlig zerstörte Würzburg zurück. Ihr Vater sei schnell in den Familienbetrieb der Praxis mit eingesprungen, erzählt Andrea Behr. In den 50er Jahren zog die Praxis in die Wagnerstraße um, bis sie 1975 in die heutigen Räumlichkeiten in der Egloffsteinstraße kam.
Vom Komplett-Dienstleistungsgedanken zur Work-Life-Balance
Für sie sei die Praxis wie ein zweites Zuhause gewesen, in das sie nach der Schule ging, erinnert sich Andrea Behr. "Die Praxis bestand aus einem einzigen Raum, der Rezeption, Behandlungs- und Wartezimmer in einem war." Lediglich zum Röntgen habe es einen zusätzlichen Raum gegeben. Sie habe alle Patienten gekannt und das Team ihres Vaters wie Familie empfunden. "Ich bin ein Einzelkind – die Helferinnen waren wie Schwestern für mich", so Behr.
Das Schlagwort "Work-Life-Balance" habe es damals allerdings noch nicht gegeben – "ich bin mit einem Komplett-Dienstleistungsgedanken aufgewachsen", sagt Behr. Wenn etwa am Sonntag ein Notfall-Patient angerufen habe, um behandelt zu werden, sei die Familie selbstverständlich in die Praxis gefahren. Dennoch habe ihr Berufswunsch nie zur Debatte gestanden: "Zahnmedizin zu studieren, war mein fester Plan", so Behr, die von 2008 bis 2014 für die CSU Mitglied im Würzburger Stadtrat war und für die Bayerische Landtagswahl 2023 als CSU-Direktkandidatin für den Stimmkreis Würzburg antritt. Ehe sie ihr Studium in Würzburg begann, absolvierte sie eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. 1997 übernahm sie zusammen mit ihrem Ehemann, Dr. André Trojanski, die Praxis ihres Vaters.
Im Zentrum der heutigen Praxis steht die ganzheitliche Zahnmedizin
Seitdem hat sich der Beruf des Zahnarztes weiter stark gewandelt. Während es zu Zeiten ihres Vaters viel darum ging, neue Techniken anzuwenden, die auf dem Gebiet des Zahnerhalts als revolutionär galten, widmen sich Andrea Behr und André Trojanski der ganzheitlichen Zahnmedizin – ein Ansatz, für den sich auch schon der Großvater und Vater interessierten. "Jeder Zahn steht in Beziehung zu einem Organ", erklärt Behr, die Schneidezähne zum Beispiel in einer Wechselbeziehung zu den Nieren und der Blase. Erkenntnisse, die vor 30 Jahren oft noch lächelnd abgetan worden seien, rückten in der Zahnmedizin heute mehr und mehr ins Bewusstsein, so Behr.
Ein Quantensprung in technischer Hinsicht sei die 3-D-Diagnostik gewesen, die seit etwa fünf Jahren in Praxen im Einsatz sei: So könne etwa eine Krone innerhalb einer Stunde gefertigt werden – während man früher wochenlang darauf hätte warten müssen. "Nachdem der Mund gescannt wurde, fräst eine CNC-Fräse aus einem Block die Krone heraus", erklärt Behr.
Auch in Sachen Wurzelbehandlung habe sich viel getan. Dadurch, dass man diese heute unter dem Mikroskop durchführen könne, sei ein viel genaueres Arbeiten als früher möglich. Insgesamt sei heute zudem eine weitgehend schmerzfreie Behandlung möglich – zum Beispiel durch den Einsatz von Lachgas, was auch bei Patientinnen und Patienten mit Spritzenphobie sowie bei Kindern eine gute Alternative zu Spritzen sei. "Im Gegensatz zu früher gibt es heute Lachgas-Masken mit Erdbeer- oder Kaugummi-Duft", erklärt Behr. Akupunktur wiederum könne zum Beispiel Patienten helfen, die beim Zahnarzt unter Würgereiz litten.
"Unser Beruf ist nicht nur bloßes Handwerk", betont Behr. "Vor uns sitzen Menschen, die den Mund aufmachen und uns damit einen intimen Bereich ihres Körpers anvertrauen." Neben guten handwerklichen Fähigkeiten sei für den Zahnarzt-Beruf daher auch Menschlichkeit und Mitgefühl mit dem Patienten wichtig. "Man sollte Menschen schon mögen", sagt Behr und lacht.
Neues Projekt in Guatemala: eine feste zahnärztliche Station in einer Schule
Sie selbst fasziniere an ihrem Beruf, dass man Menschen helfen und auch mit wenig viel bewirken könne. Diese Erfahrung macht die Mutter von drei Kindern seit einiger Zeit auch außerhalb ihrer Praxis mit dem Projekt "Ärzte ohne Grenzen". Zusammen mit ihrem Mann, Tochter Katharina und Sohn Alexander behandelt sie einige Wochen im Jahr ehrenamtlich Patientinnen und Patienten in Lateinamerika, die normalerweise keinen Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung haben. Bisher war die Familie mit dem Projekt in Bolivien, Ecuador und Guatemala. In Guatemala will sie nun eine feste zahnärztliche Station in einer Schule aufbauen, "das ist unser neues Baby", so Behr.
Dafür, dass die Praxis auch in der vierten Generation in der Familie bleibt, könnte Tochter Katharina sorgen. Sie hat nach ihrer Ecuador-Erfahrung mit "Ärzte ohne Grenzen" den Beruf der Rettungssanitäterin gegen ein Zahnmedizinstudium getauscht.
Als Kind einmal die Bekanntschaft mit der 'Nähmaschine' gemacht, unvergessen.....brrrrrrr.