Einmal wieder etwas anfassen, das man kaufen könnte – das fühlt sich wirklich gut an. Und so streichen etliche Hände über die Waren, die auf Ständern wieder vor den Geschäften in Schweinfurts Innenstadt stehen. Dann ein Blick in den Laden – hat er wirklich offen, und was heißt das überhaupt, Termin-Shopping oder Click & Meet, wie man es von der Politik aus so schön genannt hat? Die Kunden sind verunsichert, während sich die Händler mit Kontaktlisten abquälen. Das wird schon nach einer kurzen Shopping-Tour durch die Stadt mehr als deutlich.
Wie Termin-Shopping funktioniert
Nachdem Schweinfurt am Wochenende über die Inzidenz von 50 geklettert ist, gelten hier nach dem Stufenplan der Staatsregierung andere, härtere Regeln. Die Geschäfte können bei einer Inzidenz bis zu 100 generell öffnen. Aber nur mit Terminvergaben und einer engeren Quadratmater-Begrenzung. Ein Kunde pro angefangenen 40 Quadratmetern ist erlaubt. Wäre die Inzidenz unter 50, dann wäre es ein Kunde pro zehn Quadratmetern. Und: Jeder, der hier einkauft, muss einen Termin haben. Entweder telefonisch oder via E-Mail ausgemacht – oder direkt vor Ort. Das macht die Sache etwas leichter, etwas kundenfreundlicher. Wer eintreten mag, geht durch die Türe und wird dort von einem Verkäufer erwartet, der auf das hinweist, was jetzt gilt.
Jeder Kunde muss Kontaktangaben hinterlassen Name, Telefon, Uhrzeit des Einkaufs. Dann kann das Shoppen losgehen. Zeitfenster gibt es bei den befragten Händlern nicht. Sie haben anhand der Personenliste im Blick, wie viele Kunden sich im Laden aufhalten. Notfalls muss jemand etwas warten. Wer als Kunde auf Nummer sicher gehen will, bucht vorab seinen Termin. Wer spontan sein will, probiert es direkt. Und das funktioniert ganz gut, so der erste Eindruck.
Was Einzelhändler vor den Regeln halten
Axel Schöll, Kreisvorsitzender des Handelsverbands Bayern, hat sich eigens noch einmal beim Ordnungsamt der Stadt rückversichert. Terminvorgaben vor Ort seien in Ordnung, so die Antwort. Und nach Ansicht des Geschäftsmanns auch das einzig vertretbare. Die Stimmung, die bei ihm an diesem ersten Öffnungstag unter Ausnahmebedingungen mitschwingt, teilen auch andere: Freude auf der einen, Verärgerung und Zweifel am Sinn von Stufenplan und Inzidenz-Grenzen auf der anderen Seite.
Sonntag war Stichtag für das, was jetzt in Schweinfurt gilt, eben die Öffnung unter verschärften Bedingungen. Das Wort Click & Meet mag Schöll nicht wirklich. Er spricht lieber von Termin-Shoppen, das sei wenigstens verständlich, die Kunden wären ohnehin verunsichert. Die Botschaft des Einzelhandels an diesem Tag ist für ihn klar: Wir haben geöffnet! Doch wie es so weitergehen kann, daran hat Schöll größte Zweifel. Den Stufenplan hält er für "völligen Blödsinn", der ein Chaos ohne Ende produziere.
Die Entscheidungen für Öffnungen bestimmter Branchen sei ebenso wenig nachvollziehbar. Sein Vorschlag? Bis zu einer Inzidenz von 100 einfach zurück zu der Regelung im Frühjahr, als pro 20 Quadratmeter ein Kunde kommen durfte – ohne Kontaktdaten und so weiter. Der Handel werde für eine bessere Lösung kämpfen, sagt Schöll beim Interview in seine Schuhgeschäft. "Tun sie das", meint eine Kundin, die gerade ihre Kontaktdaten hinterlässt.
Sie kam spontan, ebenso wie eine Kundin vorher, die zufällig in Schweinfurt war und "es einfach mal probiert hat". Sie hatte Glück. Vier Kunden dürfen maximal gleichzeitig im Laden sein, es war noch Luft. Auch anderen Kunden in anderen Geschäften geht es an diesem Montag so. Überall das gleiche Bild, mehr Menschen in den Straßen, freundliche Verkäufer, Kunden zwischen Interesse und Ratlosigkeit, ein paar Warteschlagen und viel, viel Erklärungsbedarf.
Die Regelung jetzt ist auch für Alexander Jordan vom "Lieblingsladen" am Markt eine "große Katastrophe". Man trägt sie mit Fassung, freut sich trotzdem über die Öffnung und hat sogar die Zahl der Kunden reduziert, damit sich diese noch sicherer fühlen. Acht wären erlaubt, auf sechs beschränkt man sich selbst. Die meisten, die sich einen Termin gesichert haben, sind Stammkunden.
Hier Listen, dort ganz normaler Einkauf
Ein paar Häuser weiter: Auch hier steht jemand an einer Liste, Philipp Stein vom Modehaus Wöhrl hat im Blick, wie viele Kunden aktuell im Haus sind. 90 dürften es theoretisch sein. Tatsächlich sind am Vormittag zwischen 25 und 30 Kunden im Laden, viele davon auch nach spontaner Terminvergabe am Eingang. "Ein Wahnsinnsaufwand", sagt Stein.
Es fühlt sich irgendwie seltsam an. Während die einen mit Listen hantieren müssen und nur wenige Kunden in den Laden lassen dürfen, steht einige Meter weiter eine lange Warteschlage im Discounter Tedi am Wichtermannplatz vor der Kasse, strömen die Menschen in die Lebensmittelmärkte, kaufen in Bäckereien ein oder bummeln durch die seit heute geöffneten Buchläden.
Welche Rolle spielt Würzburg?
Noch seltsamer wird es bei einem Blick in den Schweinfurter Hafen. Ein Großteil liegt auf Schweinfurter Gemarkung und fällt damit unter die schärferen Bestimmungen für den Einzelhandel, fernab von Gartencentern, Blumenläden oder Baumärkten. Der andere Teil liegt auf Sennfelder Gebiet, also im Landkreis, der unter der Marke von 50 liegt. Hier durfte ganz normal geöffnet werden.
Ob sich die Wiedereröffnung mit angezogener Handbremse für den Schweinfurter Einzelhandel rentiert? Man wird sehen, sagt Axel Schöll. Abzuwarten bleibt auch, ob und wie sehr es Shopping-Tourismus Richtung Würzburg geben werde. Denn dort durften die Händler ganz normal öffnen.