
Widerlich, ekelhaft. Das sind Worte, die die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung mehrmals verwendet. Die Kombination aus den Bildern, den Videos und den Chats in pädophilen Kreisen, die sich die Prozessbeteiligten vor dem Landgericht Schweinfurt ansehen und anhören mussten, seien sogar "überdurchschnittlich ekelhaft", sagt die Richterin. Und sie spricht an diesem Dienstag im Landgericht Schweinfurt damit immer wieder direkt den Angeklagten an, der regungslos neben seinem Verteidiger sitzt.
Was sie meint: die unzähligen Bilder und Videos mit teils schweren sexuellen Gewalthandlungen an Kleinkindern, die der 39-Jährige aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld zwischen Juli 2022 und März 2023 an seine Chatpartner geschickt haben soll. Und die er laut Anklage teils auch selbst von ihnen einforderte. Mehr als 3500 Dateien mit sexueller Gewalt gegen Kinder fanden die Ermittler auf den Datenträgern des Mannes.
Angeklagter findet Zuspruch bei Mann aus Stuttgart
Der 39-Jährige stritt all das auch nicht ab. In den Chats, die die Kammer am Schweinfurter Landgericht im Verlauf dieses Verfahrens verlas, fragte er immer wieder gezielt, worauf sein Gegenüber stehe, was er denn mit den Kindern machen würde, die da auf den Bildern seien. Er prahlte, wie er seinen – wie sich heraus stellte nicht existenten - Sohn regelmäßig missbrauche. Zweimal schlug er vor, man könne sich ja gemeinsam einen geeigneten Jungen suchen, was die Chatpartner dann ablehnten.
Auf Zuspruch stieß der Angeklagte dann bei einem Mann aus Stuttgart. Gemeinsam sollen sie laut Anklage einen Plan gefasst haben, einen Jungen zu suchen, ihn zu vergewaltigen und dann zu töten. Der Kontakt brach im November 2022 ab, zu einem Treffen soll es nicht gekommen sein.
Staatsanwaltschaft spricht von Verabredung zum Mord
Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt sah darin – neben dem Besitz und der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte – einen weiteren Straftatbestand: die Verabredung zum Mord.
An diesem Vorwurf hielt die Staatsanwaltschaft auch bis zuletzt fest. Beide Männer seien einschlägig vorbestraft. Zudem habe der Angeklagte, "die hohe Hürde, Hand an ein Kind anzulegen, schon überschritten". Und beide seien außerhalb des Chats aktiv geworden: Der Mann aus Stuttgart habe sich dort als Babysitter registrieren lassen, um an Kinder zu kommen. Der Angeklagte aus Rhön-Grabfeld fotografierte bis kurz vor seiner Inhaftierung heimlich Schüler auf ihrem Schulweg.
"Hier stand jemand kurz davor, in der realen Welt tätig zu werden", sagte die Staatsanwältin. Von einem "strafbefreienden Rücktritt" sei deshalb auszugehen, weil der Kontakt zwischen den Männern abgebrochen und er somit untätig geblieben sei.
Richterin: Plan der beiden Männer "befremdlich", aber ohne Details
So weit geht das Gericht nicht: Die Schwurgerichtskammer sieht den Tatbestand erst gar nicht erfüllt. "Alle sind sich einig, dass es keine Verurteilung dazu geben kann", sagt die Richterin und spricht den 39-Jährige von dem Vorwurf frei.
Die Männer hätten bestritten, dass ihr Plan ernstgemeint gewesen sei. Stattdessen "nur eine Fantasie, was für Außenstehende schon befremdlich sein mag", führt die Richterin weiter aus. Es seien keine Details aufgetaucht, kein Tatzeitraum, kein potenzieller Tatort. Es habe zwar Telefonate zwischen den beiden Männern gegeben. Was dabei besprochen wurde, sei unklar.
Anders bei den gefundenen Inhalten auf den Datenträgern: Das Landgericht spricht den 39-Jährigen schuldig der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte in 117 Fällen, jeweils in Tateinheit mit dem Besitz kinderpornografischer Inhalte. Das Urteil: Fünf Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe.
Damit ist die Kammer nah an der Gesamtstrafe von sechs Jahren, die die Staatsanwältin für den Angeklagten gefordert hatte. Sie nannte ihn "eine tickende Zeitbombe, die durch eine Verurteilung eine Zeit lang ruhiggestellt" werde.
Kammer hofft auf Einsicht durch Therapie
Der Verteidiger plädierte auf vier Jahre Haft. Sein Mandant könne in der Haft nur eine dreijährige Therapie machen: "Es bringt nichts, in ewig lange einzusperren."
Die Freiheitsstrafe, erklärt die Richterin bei der Urteilsbegründung, diene zwar der Resozialisierung. Sie sei aber auch Strafe besonders für "faktisch unbelehrbare Täter". Der Angeklagten hatte unter anderem wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs bereits im Gefängnis gesessen und stand zum Tatzeitpunkt unter Führungsaufsicht.
Eine Sicherungsverwahrung oder zumindest ihren Vorbehalt könne das Gericht nicht anordnen, so die Richterin. In diesem Fall sei dies juristisch nicht möglich. "Wir sehen auch das ein oder andere, das wir beunruhigend finden." Dennoch habe die Kammer die Hoffnung, dass von dem 39-Jährigen jetzt mehr Einsicht komme und die Therapie in der Haft erfolgreich ist.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Hinweis: Die Redaktion versucht, das Wort "Kinderpornografie" zu vermeiden, weil es verharmlosend ist. Es handelt sich dabei um eine schwere Straftat, bei der Kinder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. In diesem Text ist die Rede von "dem Besitz/der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte", weil der Gesetzgeber den Tatbestand so nennt.