Dieser Dienstagmorgen beginnt vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt mit Filmmaterial, das nur schwer zu ertragen ist. Ohne Ton und nur wenige Sekunden schauen sich die Verfahrensbeteiligten die Videos an, die der Mann auf der Anklagebank, ein 39-Jähriger aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, mit Chatpartnern hin und her geschickt haben soll.
Im Voraus hatte man sich darauf geeinigt, das Material, das auch schwere sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder zeigen soll, nicht in voller Länge zu sichten. "Okay, reicht", ist im Saal immer wieder zu hören, dann wird ausgemacht.
Mehr als 3500 Bilder und Videos mit kinderpornografischem Inhalt gefunden
Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass der Angeklagte die Gewaltvideos selbst angefertigt habe, hatte ein Ermittler bei Prozessbeginn vor dem Landgericht gesagt. Mehr als 3500 kinderpornografische Bilder und Videos hatten die Beamten auf Datenträgern des 39-Jährigen gefunden, ein Teil davon stammte aus Chats auf Plattformen wie "Telegram" oder "Knuddels".
Angeklagt ist der Mann nicht nur für deren Besitz und die Verbreitung. Sondern auch, weil er mit einem Chatpartner aus dem Raum Stuttgart ein Treffen geplant haben soll, bei dem man offenbar einen "geeigneten Jungen" suchen, vergewaltigen und töten wollte. Weil der Kontakt abgerissen war und die Polizei inzwischen die Wohnung des Chatpartners durchsucht hatte, kam es nie zu diesem Treffen, das die Beschuldigten nun vor Gericht als "reine Fantasie" und "nicht ernstgemeint" bezeichnen.
Angeklagter bereits wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt
Der Angeklagte steht nicht zum ersten Mal vor Gericht: Weil er zweimal ein Treffen mit einem zwölfjährigen Jungen im Wald initiiert und sich an ihm vergangen hatte, verurteilte das Landgericht Schweinfurt den 39-Jährigen bereits im Jahr 2016 unter anderem wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.
Noch während der Haft folgte der nächste Prozess wegen kinderpornografischen Materials, das man auf seinem Handy gefunden hatte. Als er im November 2021 entlassen wurde, dauerte es offenbar nur wenige Monate, bis er erneut Straftaten begangen haben soll. Dabei hatte er eigentlich strenge Auflagen zu erfüllen und stand unter Führungsaufsicht.
Anders als die damaligen Gutachter attestiert der Sachverständige im aktuellen Prozess dem 39-Jährigen eine Pädophilie. Dabei stehe der Angeklagte nicht ausschließlich auf Kinder, die Pädophilie sei eher ein "Nebenstrom", erklärt der Gutachter. Einen unterdurchschnittlichen IQ, wie ihn ein anderer Gutachter zuvor festgestellt hatte, kann er nicht erkennen. Er sehe keine Voraussetzungen zur Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit oder gar vollen Schuldunfähigkeit und somit auch nicht für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung.
Sachverständiger spricht von außergewöhnlicher Brutalität
Ob es sich bei dem Angeklagten um einen "Hang-Täter" handelt, der aufgrund eines Hangs immer wieder Straftaten begeht, kann der Gutachter nicht mit hinreichender Sicherheit sagen. Das Rückfallrisiko des 39-Jährigen schätzt er als mittel bis hoch ein – gerade im Hinblick auf "sehr schlechte Außenbedingungen": ausgeschlossen von der Familie, keine intakte Beziehung zu einem Erwachsenen, Schulden. Beide Faktoren haben Einfluss auf die Entscheidung über eine mögliche Sicherungsverwahrung.
Die Äußerungen im Chat wertet der Gutachter als "Prahlen" unter Pädophilen, nicht als ernsthaften Plan: "Dass sich Pädophile offen über Gewaltfantasien austauschen, ist ja kein Geheimnis." Der Umfang der Brutalität sei jedoch außergewöhnlich. "Hier sitzt ein großer, kräftiger Mann vor einem, der sich nur einfach ausdrücken kann, der sehr unsicher ist und sich schwertut, über seine Sexualität zu sprechen", sagt der Sachverständige. "Er wollte von anderen Pädophilen Anerkennung."
Das Verfahren wird am 30. Januar um 9 Uhr fortgesetzt. Dann ist auch mit einem Urteil zu rechnen.
Nicht das erste Mal dass sich ein Gutachter in der Beurteilung eines Pädophilen getäuscht hätte.