Für die Studentin muss es – sollte die Anklage zutreffend sein – viele Jahre lang die Hölle gewesen sein: Zwischen ihrem sechsten und zehnten Lebensjahr soll sich ein entfernt Verwandter, als er während der Abwesenheit der Eltern auf das Mädchen aufpassen sollte, immer wieder sexuell an dem Kind vergangen haben, womöglich mehrere Dutzend Mal. Als sie in die Pubertät kam, habe er das Interesse verloren.
Lange behielt die Jugendliche ihr Wissen um die Übergriffe des "Onkels" für sich, erzählte dann schließlich vertrauten Gleichaltrigen – etwa der besten Freundin und ihrem damaligen Freund – von dem Missbrauch, stets unter dem Siegel der Verschwiegenheit, bevor sie sich vor knapp zwei Jahren erstmals auch ihren Eltern öffnete. Gemeinsam gingen sie dann im März 2021 zur Polizei und erstatteten Anzeige.
Zeugin: Der mutmaßliche Täter habe im gleichen Dorf gelebt
Am zweiten Tag des Prozesses wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gegen den 58-jährigen Verwandten vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt wurden "die beste Freundin" und der Ex-Freund als Zeugen gehört. Erst als das mutmaßliche Opfer im Alter zwischen elf und 13 war, habe das Mädchen erzählt, was ihr als Grundschülerin von 2006 bis 2010 widerfahren sei, sagt ihre "beste Freundin" aus. Ihr Aufpasser habe sie damals "vergewaltigt".
Details habe die heute 23-jährige Studentin damals nicht berichtet, so die Zeugin. Aber: "Ich war schockiert und mir war bewusst, dass etwas ganz Schlimmes passiert sein muss." Sie habe versprechen müssen, niemandem davon zu erzählen und ihre Aufgabe darin gesehen, "dass sie jemanden hat, dem sie vertrauen kann". Der Täter sei "im Alter von unseren Eltern gewesen" und lebe im gleichen Dorf. Zur Polizei zu gehen, sei "eine Riesenüberwindung" für die Freundin gewesen.
Angeklagter als "Verwandter" oder "Freund der Eltern" bezeichnet
Auch ihrem heute 25-jährigen Ex-Freund hatte sich das Mädchen vertraut. Mit ihren Eltern habe sie sich damals nicht zu reden getraut, aus Angst, dass ihr nicht geglaubt werden könnte. Als "Verwandten" oder "Freund der Eltern" habe sie den Mann bezeichnet. "Ich war sehr geschockt", sagt der Zeuge. Nach der Trennung habe er ihr geraten, zur Polizei zu gehen. Er habe ihr jedoch versprochen, mit niemandem darüber zu sprechen.
Ein Polizeibeamter schildert, wie die heute 23-Jährige, die in dem Verfahren auch als Nebenklägerin auftritt, bei ihrer Anzeige immer wieder Weinanfälle hatte. Die Videovernehmung wurde im Gerichtssaal abgespielt. Laut Anklage soll der 58-Jährige das Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren in rund 40 Fällen schwer sexuell missbraucht haben. Unter anderem habe er auch seinen erigierten Penis, Sexstellungen anhand ihrer Barbiepuppen, sowie pornografische Filme und Abbildungen gezeigt.
Pädophilie? Angeklagter verweigerte Gutachten
Vom psychiatrischen Sachverständigen hat sich der Angeklagte nicht begutachten lassen, weshalb dieser "keine Möglichkeit hatte, zu einer Prognose zu kommen". Sein Verhalten in der Verhandlung sei unauffällig, es gebe keinen Hinweis auf eine psychotische Störung, und Schizophrenie könne er ausschließen, so der Gutachter. Eine Prognose sei nicht möglich. Eine "Verdachtsprognose" könne auf "Störung der Sexualpräferenz" lauten – Pädophilie. Doch ohne echte Angaben des Probanden sei nichts sicher diagnostizierbar. Aber: Eine aufgehobene oder eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten verneint der Psychiater.
Der Angeklagte weist alle Anklagevorwürfe zurück. Der Prozess wird am 2. Februar fortgesetzt.