Das mutmaßliche Opfer ist heute 23 Jahre alt und Studentin. Als sie zum ersten Mal von dem heute 58-jährigen Mann sexuell missbraucht worden sein soll, war sie gerade sechs – die Tat liegt 17 Jahre zurück. Da soll der Angeklagte, als die Eltern des Mädchens unterwegs waren und er nachmittags beim Erledigen der Hausaufgaben auf ihre Tochter aufpasste, ihr unter das T-Shirt an die Brüste gegriffen haben. Laut Anklage geschah dies, "um sich sexuell zu erregen".
Dies soll jedoch nur der Auftakt einer Reihe von viel schlimmeren, über Jahre anhaltenden sexuellen Übergriffen auf die Schülerin gewesen sein. Der Staatsanwalt wirft dem Mann vor, zwischen April 2006 und Dezember 2010, als er während der Abwesenheit der Eltern einige Stunden auf das Mädchen aufpasste, das Kind mindestens 20 Mal schwer sexuell missbraucht zu haben. Teilweise habe er ihr auch seinen erigierten Penis gezeigt. Anschließend habe er sie Spiele auf seinem Handy spielen lassen, ihr aber auch pornografische Abbildungen aus Zeitschriften oder Filme gezeigt sowie verschiedene Sexstellungen anhand ihrer Barbiepuppen.
Angeklagter: "Nichts von allem stimmt"
Was sagt der Angeklagte dazu? Er bestreitet jeglichen sexuellen Übergriff auf das Mädchen. Er habe ihr auch keine Pornos gezeigt. "Warum erzählt sie das dann, wenn gar nichts war?", fragt ihn der Vorsitzende Richter. Antwort: "Keine Ahnung." Auch auf den Hinweis des Gerichts, dass – falls die Vorwürfe zuträfen – vor der Vernehmung des Geschädigten der richtige Zeitpunkt für ein strafmilderndes Geständnis wäre, bleibt der 58-Jährige dabei: Nichts davon stimme.
Also muss die 23-Jährige, die als mutmaßliches Tatopfer auch als Nebenklägerin auftritt, in den Zeugenstand. Erst vor knapp zwei Jahren, im Frühjahr 2021, hat sie Anzeige erstattet. Anlass war eine Panikattacke, als sie in dem Dorf im Landkreis Schweinfurt, in dem ihre Familie und auch der Angeklagte wohnten, am Anwesen des 58-Jährigen nicht vorbeigehen konnte aus Angst, ihm zu begegnen. Einen Umweg habe sie genommen und sich zuhause in ihrem Zimmer verkrochen. Da erst habe sie – nachdem ihre Mutter sie bedrängte – den Mut gehabt, ihren Eltern von den schon Jahre zurückliegenden sexuellen Übergriffen des Mannes zu erzählen, der früher mal ihr "Lieblingsonkel" gewesen sei.
Eltern waren ahnungslos
"Geschockt" und "aufgelöst" seien ihre Eltern gewesen, sagt die Zeugin. Warum hat sie ihnen nicht viel früher davon berichtet? Aus Angst, ihr könnte nicht geglaubt werden, sagt sie. Ihre Mutter sagt, die Tochter habe außerdem befürchtet, "dass die Familie dann kaputtgeht, und sie ist schuld daran". Freundinnen hatte sich die heute 23-Jährige früher geöffnet. Nachdem sie es ihre Eltern gesagt hatte, erstatteten sie Strafanzeige.
Der Angeklagte ist kein echter Onkel der Nebenklägerin, geht aber in die weitere Verwandtschaft – mit der über das heikle Thema jedoch nicht gesprochen worden sei, sagt der Vater. Er habe von den sexuellen Übergriffen "nichts geahnt", darüber zu reden, scheint ihm schwer zu fallen. Die Mutter spricht im Zeugenstand Klartext über die konkreten sexuellen Handlungen, von denen ihre Tochter berichtet habe. Ihrer Schwester habe sie davon erzählt, weil diese auch Mädchen im Alter ihrer Tochter habe und der Angeklagte in Kontakt mit dieser Familie stehe.
Nach den Aussagen der Geschädigten und ihrer Eltern "hängt die Latte im Strafrahmen denkbar hoch", sagt der Oberstaatsanwalt am Ende des ersten Verhandlungstages. Er deutet damit an, dass er den gegenteiligen Aussagen des Angeklagten wohl keinen Glauben schenkt. Am Mittwoch, 25. Januar, 9 Uhr, wird der Prozess fortgesetzt.