Abschiedsschmerz macht sich breit, räumt Reinhold Stiller, Leiter "Offene Behindertenarbeit" des Diakonischen Werkes Schweinfurt ein. Zum einen, weil das Haus in der Oberen Straße, in der die OBA ihre Räume hat, den Eigentümer wechselte und der nicht verlängerte Mietvertrag zum 31. Mai endet. Zum anderen, weil er selbst zeitgleich in den Ruhestand geht. Zunächst 18 Jahre bei der Diakonie in beengten Verhältnissen untergebracht, ging für die OBA vor knapp zehn Jahren mit dem "OBA-Haus" ein Wunsch in Erfüllung, so Stiller.
Dieses Kapitel ist bald Geschichte. "Wir haben stadtnahe Räume in Aussicht", noch fehle die Unterschrift, weshalb die neue Adresse nicht ganz in trockenen Tüchern sei und noch nicht veröffentlicht werden könne, so Stiller. "Es ist nicht einfach in Schweinfurt geeignete Räume zu finden, die von Mietpreis und Barrierefreiheit passen." Elf Objekte habe man unter die Lupe genommen, aber "wir sind zuversichtlich, dass wir bald die neue Adresse der OBA verkünden können".
Umzug auf der Zielgeraden, aber vielleicht muss es eine Zwischenlösung geben
Wann es mit dem Umzug klappt, hänge auch davon ab, wie zügig die neuen Räume fertig werden, ergänzt Erzieherin Ingrid Licha. "Vielleicht wird es eine Zwischenlösung geben müssen." Das Thema Umzug scheint auf der Zielgeraden, aber noch mit einigen Fragezeichen versehen zu sein.
Genauso wichtig wie die Suche nach neuen Räumen, war für die OBA die Arbeit mit behinderten Menschen in der Pandemie fortsetzen zu können. Freizeit- und Bildungsarbeit, in deren Rahmen Talente gefördert werden, Theater oder einfach nur ein Brettspiel gespielt wird. Yoga, musikalische und sportliche Angebote, Freizeiten und Ausflüge sind Teil des breitgefächerten OBA-Programms. Dazu kommt die Säule "Beratung". Da gibt es technische Gespräche über den behindertengerechten Umbau von Fahrzeugen. Aber auch schwierige Gespräche, wenn etwa Eltern an Grenzen kommen, die Betreuung erwachsener Kinder mit Handicap nicht mehr selber leisten können und die Stunde da ist, deren Umzug in ein Wohnheim in die Wege zu leiten. Themen, bei denen Beratungsbedarf besteht, gibt es viele, weiß Reinhold Stiller aus langjähriger Erfahrung.
"Im Hinblick auf Freizeitangebote haben wir viel umstrukturiert und coronatauglich gemacht", so Ingrid Licha. Online-Angebote in der Behindertenarbeit, wo oft Assistenz nötig sei, funktionieren nur unzureichend. "Oft fehlen die Endgeräte, um Online-Angebote wahrnehmen zu können." Erste Gehversuche in der Pandemie wurden im wahrsten Sinn des Wortes bei Spaziergängen und Einzeltreffen mit Behinderten unternommen. Vor allem FH-Praktikantin Sarah Kimmel und Ehrenamtliche – die OBA hat etwa 50 davon – haben sich eingebracht, so Licha.
Theatergruppe freut sich schon endlich wieder "live" spielen zu können
Treffen in Kleinstgruppen waren der nächste Schritt. "Wir haben einen großen Raum, können gut lüften, das Hygienekonzept ist vom Ordnungsamt abgenommen." Zweimal wöchentlich wird aktuell der Feierabendtreff mit bis zu fünf Leuten angeboten. Dienstags, von 16.30 bis 18.30 Uhr, und freitags, von 16 bis 18 Uhr, macht Sarah Kimmel Angebote. Auch Musik- und Theatergruppe sind in Kleingruppen aktiv, eine Zeitungsgruppe erstellt unter dem Titel "OBA Kurz & Gut" ein Magazin mit News, Infos und Interviews.
"Die Theatergruppe, eigentlich acht Schauspieler und Schauspielerinnen, wurde aufgeteilt. Jede Gruppe probt ihre Sketche. Wenn es wieder möglich ist, bringen wir die Gruppen zusammen und können das Stück zeigen", erläutert Licha das Konzept, denn wichtig sei den Menschen ein Stück Normalität bieten zu können.
Malen, Musik machen, das macht Spaß und gibt Selbstwertgefühl. Vor allem, wenn die Bilder der OBA-Kunstwerkstatt im Rahmen von Ausstellungen zu sehen sind. Nicht nur im OBA-Schaufenster in der Oberen Straße, sondern zur Zeit auch im Impfzentrum. Demnächst werden Bilder aus der OBA-Kunstwerkstatt leihweise die Flure eines Lebenshilfe-Wohnheims farbig machen.
Mit Citymanager Thomas Herrmann ist man im Gespräch. Es geht um Möglichkeiten, Leerstände in der Innenstadt mit Bildern aus der Kunstwerkstatt und Objekten aus der OBA-Papierwerkstatt aufzuhübschen. Da der Umzug ansteht, kann man zur Zeit direkt in der OBA gegen eine Spende nette Kunstwerke erstehen.
Kleingruppen-Treffen sind möglich, weil die Arbeit der OBA in der Pandemie einer Tagespflege-Einrichtung gleichgestellt ist und durch ihre Angebote die Teilhabe von Menschen mit Behinderung sicherstellt. So können unabhängig vom Inzidenzwert eigenverantwortlich Gruppen-Angebote für bis zu fünf Personen gemacht werden.
Etwa 500 Menschen zwischen 6 Jahren und Anfang 70 unterschiedlichster Behinderungsgrade, so schätzt Reinhold Stiller, nutzen die Angebote der Offenen Behindertenarbeit. "Manchmal haben wir dreimal einen neuen Plan gemacht, bis es losging", so Ingrid Licha über die Schwierigkeiten, in und mit der Pandemie Angebote auszuarbeiten. "Einige OBA in Bayern haben im vergangenen Jahr zugemacht, alles auf den Herbst verschoben." In Schweinfurt ging man einen anderen Weg, hatte nur kurz zu und startete dann mit dem Angebot "Wir gehen zu zweit spazieren".
Auch das Thema "Leichte Sprache" ist im Focus der OBA-Arbeit. Aus dem 2016 gegründeten OBA-Rat, der die Mitbestimmung behinderter Menschen hinsichtlich der OBA-Arbeit sichert, ist eine Prüfgruppe hervorgegangen. Flyer, wie der von "Frauen helfen Frauen" in Schweinfurt, werden von der Prüfgruppe hinsichtlich eventueller sprachlichen Barrieren untersucht. Auch das OBA- Jahresprogramm wird von der Prüfgruppe auf "verbale Stolpersteine" hin abgesucht und es werden Vorschläge für leicht verständliche Formulierungen gemacht.
Ein Angebot, das die OBA auch nach außen trägt und Betrieben, Vereinen und Institutionen anbietet, deren Flyer oder Broschüren sozusagen in "leichte Sprache" übertragen zu lassen. "Menschen mit Behinderung eine Plattform geben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, Talente zu entfalten", so fassen die Verantwortlichen die Arbeit der OBA zusammen, die in Zeiten in denen sonst nichts geht, für Menschen mit Behinderung besonders wichtig ist.