
Hochkonzentriert und tief über ihr Werk gebeugt, sitzt Christine Kummer da. Sie nimmt einen grünen Stift aus einem Set, begutachtet ihn kritisch und legt ihn dann wieder an seinen Platz. Letztlich entscheidet sie sich dann doch für ein dunkleres Grün – der Tannenbaum, den sie im Auftrag des bayerischen Staatsministeriums für eine offizielle Weihnachtskarte malt, soll schließlich authentisch aussehen. Christine Kummer ist Künstlerin. Sie ist aber nicht irgendeine Künstlerin. Die 37-jährige Eßfelderin hat das Down-Syndrom, das ist ihr wichtig.
"Das ist ein Teil von mir. Ich finde es ist wichtig, das auch zu schreiben", antwortet Christine Kummer auf die Frage, wie sie sich selbst beschreiben würde. Dass sie so offen mit ihrer Behinderung umgehen kann, verdankt sie auch der Offenen Behindertenarbeit (OBA) in Schweinfurt. Seit fast 20 Jahren kommt sie regelmäßig in die Einrichtung. Der soziale Umgang dort hat sie geprägt, wie sie sagt.
„Wir wollen erreichen, dass in der Gesellschaft auch Behinderungen zu dem zählen, was als ‚Normalität‘ gesehen wird“, sagt Reinhold Stiller, Leiter der OBA in Schweinfurt. "Jeder ist wichtig in der Gesellschaft, ist ein Teil des großen Ganzen." Das sei aber nicht immer so gewesen, was sich auch auf die Arbeit der OBA ausgewirkt habe.
Gegründet wurde die Offene Behindertenarbeit im Jahr 1975 – für Eltern und Angehörige von Menschen mit Behinderung, nicht für die Betroffenen selbst. „Die OBA wurde damals gegründet, weil es keine Alternative zur Entlastung der Eltern gab“, erklärt OBA-Leiter Reinhold Stiller. Menschen mit Behinderung seien früher als Fremdkörper in der Gesellschaft wahrgenommen worden. Auch als OBA habe man hier einen Weg gehen müssen. So habe man sich früher etwa bei Freizeiten zurückgezogen, sei irgendwo außerhalb untergekommen. "Wir haben uns nicht getraut, wollten das der Gesellschaft nicht zumuten", so Stiller.
Inklusion für alle Menschen
Auch wenn heute längst nicht alles perfekt liefe, sei man inzwischen weiter. Es gehe nicht mehr darum, vermeintliche Fremdkörper in die Gesellschaft zu integrieren. Sondern vielmehr darum, Inklusion für alle Menschen zu betreiben, schließlich wolle jeder Mensch auf seine Art und Weise an der Gesellschaft teilhaben. Die Bereitschaft dazu sei bei den Menschen vorhanden, auch wenn die Gesellschaft weiter lernen müsse.

Eben jene gesellschaftliche Teilhabe ist es, die die OBA Schweinfurt ermöglichen möchte. Sie bietet Freizeit-Clubs für Kinder mit und ohne Behinderung, organisiert gemeinsames Adventsbasteln, Plätzchenbacken und Freizeiten. Auch altersgerechte Angebote für Jugendliche hat die OBA im Programm. So gibt es seit einigen Jahren immer wieder Disco-Abende in Kooperation mit dem Schweinfurter Jugendtreff Kom,ma, die jungen Menschen ermöglichen, zu angesagter Musik Party zu machen oder diese am DJ-Pult gar selber einmal aufzulegen.

Der Austausch in der OBA habe ihr schon als junge Frau Selbstvertrauen gegeben, sagt Christine Kummer. Hier habe sie sich entfalten können und versuche nun ihr Hobby zum Beruf zu machen. "Kunst ist ein schöner Beruf. Beim Malen kann ich entspannen und Ruhe finden." Durch die OBA habe sie die Möglichkeit, sich fachlich weiterzubilden und sich mit gleichgesinnten Menschen auszutauschen. "Ich mag es, dass ich hier etwas lerne."