
Begriffe wie "klimaneutrales" und "nachhaltiges Wirtschaften" gehören längst zu modernen Slogans für Firmen. Mit Abschluss des Pariser Klimaabkommens haben etliche Vertragsstaaten und Unternehmen erstmals Klimaziele für sich festgelegt. Laut einer Studie des Edelman Trust Instituts zum Thema Klimawandel sind allerdings zwei Drittel der Menschen in Deutschland der Meinung, dass die Betriebe ihren selbst gesetzten Klimaverpflichtungen nur mäßig nachkommen. Unternehmen und Wirtschaft haben ein Vertrauensproblem.
Bernd Schäfer, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Buntfarbenfabrik Deifel in Schweinfurt, hat Verständnis für das Misstrauen in die Industrie. "Es hängt natürlich viel mit mangelnder Kommunikation zusammen", glaubt er. Angefangen mit Trockenfarben für den Malerbedarf, stellt die Buntfarbenfabrik Deifel heute hoch konzentriert eingefärbte Kunststoffgranulate und Pigmente für die Einfärbung von thermoplastischen Kunststoffen her.
Um glaubwürdig zu sein, müssen Unternehmen bei ihrer CO₂-Bilanz genau hinsehen. Dafür sei es wichtig, alle Prozesse von vorne bis hinten zu betrachten, sagt Schäfer. 2020 hat der Betrieb Deifel es sich deshalb anlässlich seines 100-jährigen Bestehens zum Ziel gesetzt, bis 2021 klimaneutral zu produzieren. Für dieses Vorhaben wurde das Unternehmen jüngst mit dem Energie-Spar-Preis der Stadt Schweinfurt ausgezeichnet. Jährlich spart das Unternehmen 245 Tonnen CO₂ ein.
Unternehmen produziert CO₂-Neutral
Doch um überhaupt CO₂-neutral produzieren zu können, musste die Firma zunächst zusammen mit dem Anbieter ClimatePartner aus München Treibhausgase ermitteln und den CO₂-Fußabdruck berechnen. Wer den Footprint kenne, wisse, wo Emissionen entstehen und wie hoch diese seien, erklärt Schäfer. Die Daten wurden in einem detaillierten Bericht gesammelt, wodurch sich Schlüsse ziehen und konkrete Handlungen für das Unternehmen und den Klimaschutz ableiten ließen. Zudem kane Schäfer anhand des Berichts überprüfen, ob die Ziele erreicht und in welchen Bereichen Fortschritte erzielt wurden oder wo Emissionen noch stärker reduziert werden sollten. Die Emissionen werden auf verschiedenen Wegen ausgeglichen.

Strom ist für den Betrieb einer der Hauptfaktoren im Produktionsprozess und letztlich eine große Quelle für CO₂. "Wir arbeiten mit Kunststoff, heizen ihn auf, kühlen ihn wieder runter und stellen so am Ende hoch konzentriertes Kunststoffgranulat her", erklärt Schäfer. Etwa 450.000 Kilowatt benötigt der Betrieb jährlich. Um den Bedarf nachhaltig zu decken, hat die Firma 2021 eine Solaranlage auf der Produktionshalle installiert. Mit der Anlage habe die Firma zirka 18 Prozent des gesamten Strombedarfs gedeckt und umgerechnet um die 37 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart.
Weil er den Großteil seines Strombedarfs – zirka 365.000 Kilowattstunden – nicht selbst produzieren kann, kauft Schäfer bereits seit 2019 ökologisch produzierten Strom über seinen Anbieter. Dadurch spare der Betrieb um die 190 Tonnen CO₂ pro Jahr. Bescheinigt wird das wiederum über Zertifikate. Doch gerade diese Zertifikate wirken nach außen hin oft eher wie eine Art moderner Ablasshandel und werden von Klimaschützern als "Greenwashing" und intransparent kritisiert. "Am Anfang war ich der gleichen Ansicht", sagt Schäfer. Seiner Meinung nach gebe es so etwas wie CO₂-neutrales Wirtschaften noch nicht. Er spreche daher lieber von "CO₂-bewusstem Wirtschaften", da es in jedem Unternehmensprozess immer noch eine Rest-CO₂-Bilanz gebe, die sich nicht vermeiden ließe.

"Solange nicht alle Unternehmen, Dienstleister, Produkte, Handwerker, kurz die gesamte Lieferkette klimaneutral sind, kann man selbst auch nicht klimaneutral sein." Ziel müsse deshalb immer sein, so Schäfer, irgendwann die gesamte Wertschöpfungskette klimaneutral zu gestalten. "Solange dies nicht möglich ist, gleicht man die offenen Emissionen aus, indem man entsprechende Klimaschutzprojekte wie den Bau von Windrädern unterstützt." Es müsse nur sichergestellt werden, dass das Geld auch dort ankommt, wofür es bestimmt sei. Zudem würden auch ökologisch produzierter Strom aus Wind- und Wasserkraft nie hundertprozentig CO₂-neutral sein, ist er sich sicher. "Auch ein Wasserkraftwerk muss gebaut werden."
Technische Innovation und Verantwortung
Für ein Unternehmen wie die Buntfarbenfabrik Deifel bedeute das, dass sie regelmäßig Prozesse hinterfragen und prüfen müsse, ob und wie die CO₂-Bilanz künftig verbessert werden könne. Zum Beispiel beim Thema Heizen: "Eine Alternative zum Gas, wäre für uns die Umstellung auf Fernwärme", sagt Schäfer. Die ersten Gespräche mit der Stadt Schweinfurt haben bereits 2021 begonnen. Fernwärme sei zwar auch nicht zu 100 Prozent klimaneutral, schneide im Vergleich zu Erdgas aber besser ab. "Wenn wir auf Fernwärme umstellen, dann können wir unseren CO₂-Fußabdruck um weitere 30 Tonnen pro Jahr reduzieren."
Auch die zunehmende Digitalisierung helfe Unternehmen dabei, CO₂ einzusparen. "Wir vermeiden den unnötigen Ausdruck von Dokumenten und versenden wesentlich mehr Unterlagen per E-Mail." Die Einführung von Web-Meetings und verstärkt telefonischer Kundenbetreuung würden zudem emissionsreiche Geschäftsreisen ersetzt. "Vor Corona bin ich geschäftlich zirka 30.000 Kilometer pro Jahr gefahren." Während und nach der Pandemie seien nicht mehr als 7000 Kilometer zusammengekommen, was einer Einsparung von sechs Tonnen CO₂ pro Jahr entspreche, so Schäfer. Aber auch in der Produktion würden moderne Maschinen durch die Digitalisierung immer stärker miteinander vernetzt und dadurch Energie und letztlich auch Emissionen eingespart werden.
Eine wichtige Rolle spiele aber auch die Zukunft der Mobilität, sagt Schäfer. Die meisten seiner Angestellten müssten aufgrund der Entfernung und schlechter ÖPNV-Verbindungen mit dem Auto zur Betriebstätte fahren. Deshalb setzen Michael und Bernd Schäfer auf Anreize. Wir bieten unseren Mitarbeitern das Modell des Job-Rad-Leasings an. Aktuell würden acht von insgesamt 43 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf zurückgreifen und das Auto zugunsten des Rads stehen lassen.
Wie Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit zusammenpassen
"Ich glaube, Unternehmen müssen sich davon lösen, dass sich alles, was man investiert, nach zwei Jahren rechnet. Investitionen in den Klimaschutz macht man aus Überzeugung und nicht nur aus Rentabilitätsgründen", sagt Schäfer. Neben den finanziellen Nachteilen besäßen aber auch mittelständische Unternehmen einen Vorteil. "Als eigenständiges Familienunternehmen hat man keine Aktionäre und Investoren, die den maximalen Ertrag aus dem Unternehmen ziehen wollen." Als kontinuierlicher Prozess sei Klimaschutz auch für kleine Unternehmen finanzierbar. "Wir wollen zeigen, dass es geht."
"Wir führen das Unternehmen nun in der vierten Generation und fühlen uns in der Verantwortung", sagt Schäfer. Generell wünsche sich der Unternehmer weniger staatliche Regulierungen und schnellere Genehmigungsverfahren bei Windrädern oder anderen Klimaschutzmaßnahmen. Als Unternehmen, das in der Kunststoffbranche tätig ist, stehe man häufig in der Kritik, Klima und vor allem die Umwelt zu belasten. Natürlich ließe sich nicht alles sofort umsetzen, aber alle müssten ihr Möglichstes tun und einen Beitrag leisten. Den Gewinn von 2500 Euro des Energie-Spar-Preises der Stadt wolle man einer gemeinnützigen Organisation im Raum Schweinfurt spenden.