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Schweinfurt
Wie Jochen Keßler-Rosa seine Ämter als Pfarrer und als Manager der Diakonie unter einem Hut gebracht hat
Nach 30 Jahren bei der Diakonie übergibt Pfarrer Jochen Keßler-Rosa die Leitung in jüngere Hände. Er bewertet seine Arbeit als "professionell zwischen den Stühlen".
Jochen Keßler-Rosa hat sich mit der Diakonie auch für die Vesperkirche eingesetzt. 2018 predigte er im Abschlussgottesdienst. Im Juli wird er von der Diakonie offiziell verabschiedet.
Foto: Vladimir Budin | Jochen Keßler-Rosa hat sich mit der Diakonie auch für die Vesperkirche eingesetzt. 2018 predigte er im Abschlussgottesdienst. Im Juli wird er von der Diakonie offiziell verabschiedet.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 09.02.2024 05:07 Uhr

Dekan Oliver Bruckmann hatte in einem feierlichen Gottesdienst in St. Johannis Jochen Keßler-Rosa zum 1. März von seinen Aufgaben als Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern entpflichtet. Bis Mitte des Jahres bleibt der 65-Jährige jedoch Vorstand des Diakonischen Werkes, an dessen Spitze er seit 30 Jahren steht. Er unterstützt jetzt seinen Nachfolger Carsten Bräumer beim Start in Schweinfurt. Zeit also für eine Bilanz.

Dazu sitzt Keßler-Rosa völlig entspannt im oberen Stockwerk des Verwaltungsgebäudes in der Gymnasiumstraße. In einem nüchternen Versammlungsraum, in dem lediglich ein großes Relief mit religiösen Motiven daran erinnert, dass wir uns hier im kirchlichen Rahmen bewegen. Hier finden nicht nur Besprechungen der Mitarbeiter, sondern auch Andachten statt.

Der Raum steht damit auch ein bisschen für das Diakonische Werk und seine Aufgaben schlechthin. Es hat als Wirtschaftsunternehmen mit gut 1700 Beschäftigen einerseits ökonomische, sprich weltliche, andererseits christliche ethische Werte zu vertreten. Keßler-Rosa erinnert an die "Zwei-Reiche-Lehre" Martin Luthers und sagt: "Nur wenn das in der Balance ist, gelingt uns das Leben in dieser Welt." Sich selbst sieht er als "professionell zwischen den Stühlen".

Der Vater war Banker, die Mutter kirchlich engagiert.

Keßler-Rosa wurde im Münsterland geboren. Der Vater war Banker, die Mutter kirchlich engagiert. Beide haben ihn stark geprägt. Nach familiär bedingten Umzügen nach Düsseldorf und Homburg im Taunus, kehrte Keßler-Rosa nach Münster zum Studium zurück, wo er seine Frau Susanne Rosa kennenlernte. Sie entstammt einer alteingesessenen Schweinfurter Familie und so war es sicher kein Wunder, dass das Paar seine erste Stelle in Franken, nämlich in Poppenlauer fand. Diese musste es sich teilen, weil es, heute kaum vorstellbar, in den 1980er-Jahren noch einen Überhang an Pfarrerinnen und Pfarrern gab.

Schon in der evangelischen Jugend in Homburg "war es total spannend", beispielsweise, als man sich um die Integration ehemaliger Gefangener bemühte, sagt Keßler-Rosa. Später während des Studiums lag, so geprägt, ein Schwerpunkt auf der Jugendarbeit und sozialen Themen. "Ich wollte die Welt verbessern, mit Worten und Taten." Das wollte übrigens auch sein anderthalb Jahre älterer Bruder, der sich allerdings bei der Linken engagierte, Banker wurde und sich dabei für die Menschen in der Dritten Welt mit besonderen Krediten einsetzte.

Jochen-Keßler-Rosa vor dem größten baulichen Projekt der Diakonie: dem Pflegeheim auf der Maininsel.
Foto: Karl-Heinz Körblein | Jochen-Keßler-Rosa vor dem größten baulichen Projekt der Diakonie: dem Pflegeheim auf der Maininsel.

Von Poppenlauer aus ging es für Susanne Rosa ins Augustinum, für ihn 1992 zur Diakonie. Dort sollte er sich weniger um die Zahlen als vielmehr um die Darstellung nach außen und die Seelsorge kümmern. Das ging einige Jahre gut, bis er 1999 alleiniger Geschäftsführer wurde. "Ich habe nie Angst vor Zahlen gehabt", sagt er. Da sei er vom Vater geprägt worden. "Ich bin der Meinung, dass man Geld gut nutzen muss." Das heißt für ihn auch: "Immer größer, immer weiter, geht nicht". Dass er seit 1995 eine berufsbegleitende Ausbildung "Sozialmanagement für Führungskräfte" an der Diakonie-Akademie in Stuttgart absolviert hatte, half ihm bei der nun gewachsenen Verantwortung.

Das Diakonische Werk und seine Aufgaben wuchsen rasch

Nach und nach wurden die Aufgaben erweitert. Die Diakonischen Werke in der Region Main-Rhön und in Kitzingen gaben die eigene Verwaltung auf, ließen sich von Schweinfurt aus betreuen. Dabei verstand Keßler-Rosa die Schweinfurter Diakonie stets als Dienstleiter. "Wir wollten niemanden beherrschen, wir sehen uns als eine Familie." Die örtlichen Rechtsträger blieben. Es entstand noch unter seinem Vorgänger Franz Lauerbach das "Schweinfurter Model". Die Überlegung war einfach. Die Diakonie Schweinfurt werde in Ostheim wohl kaum eine Spende bekommen und ehrenamtliches Engagement beruhe auf der Identifikation mit der Einrichtung vor Ort.

Die Zahl der Hauptamtlichen ist in der Schweinfurter Diakone seit 1994 von 200 auf 721, der Umsatz von 18,5 Millionen DM auf 33,2 Millionen Euro gewachsen. Zusammen mit den verwalteten Trägern ergibt es 72 Millionen Euro Umsatz, mit 1571 Hauptamtlichen. Diese Entwicklung erklärt Keßler-Rosa mit dem zunehmenden Bedarf in vielen Bereichen, beispielsweise in der Altenpflege. Die dürfe man nicht allein fremdem Kapital überlassen.

Mit dem Rad oder dem Elektroauto unterwegs

Ortswechsel. Es geht zur Maininsel. Keßler-Rosa, den man im Schweinfurter Stadtbild vor allem mit auffallend orangefarbenem Helm auf dem Fahrrad kennt, hat ein Elektroauto gewählt. 20 kleine Flitzer hat die Diakonie angeschafft, "auch um ein Zeichen zu setzen". Es geht zum dortigen Pflegeheim, das bislang größte Projekt der Diakonie. Es wurde 2001 eröffnet, mit 112 Plätzen. Damals gab es ausreichend Pflegekräfte, aber zu wenige Pflegeplätze, berichtet der Diakonie-Vorstand bei strahlendem Sonnenheim vor dem auch architektonisch spannenden Gebäude.

Die Liste von Baumaßnahmen ist lang, die der scheidende Geschäftsführer zusammengestellt hat. Der Umbau des Theresien-Krankenhauses Bad Kissingen zum Pflegeheim und zu einer sozial-psychiatrischen Tagesstätte oder der Bau des Seniorenhauses Kramerwiesen in Oerlenbach sind weitere Beispiele. In Oerlenbach wurden ökologisches Bauen und das Model einer Hausgemeinschaft zusammengeführt. "Man hat nicht den Eindruck, als gehe man durch ein Pflegeheim."

Wichtig ist Keßler-Rosa der Hinweis, dass er in erster Linie nicht als Bauherr gelten wolle. "Es geht vielmehr um Inhalte." Die Liste dazu ist lang. Ein zentrales Thema ist die Tagespflege, die in den letzten acht Jahren zu sechs Einrichtungen ausgebaut worden sei. Sie seien wichtig als Zwischenstation vor dem Umzug ins Heim. "Das Thema bedienen die Privaten nicht, weil damit kein Geschäft zu machen ist." Dass es gelungen ist, die städtischen Horte im Haus Marienthal zusammenzuführen, nennt er einen "Geniestreich"; bei dem die Stadträte Jochen Keßler-Rosa (CSU) und Gerd Schurz (SPD) eng zusammenarbeiteten.

Weitere Stichworte: Alphabetisierung, Verbraucher- und Energieberatung, Asyl, Wohnungslose, armutsorientierte Sozialarbeit, allein sie wurde von fünf auf 50 Mitarbeiter aufgestockt.

Viele weitere Ämter bekleidet

Auf der Rückfahrt in die Zentrale in der Gymnasiumstraße blickt der Scheidende auf viele Ämter zurück und in die Zukunft. Er war unter anderem Vorsitzender der örtlichen und unterfränkischen Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtspflege, Regionalbeauftragter der Diakonie, und er bleibt wohl noch zwei Jahre Vorsitzender des Diakonische Rats der Diakonie in Bayern, was quasi einem Vorsitzenden des Aufsichtsrats gleichkommt.

Künftig will er keine besonderen Ämter übernehmen, anderen jedoch seine Erfahrungen zur Verfügung stellen, beispielsweise im bayerischen Diakonie-Kolleg. Die offiziellen Verabschiedungen finden am 12. Juli in Kitzingen und am 16. Juli in Schweinfurt statt.

Der Politiker Keßler-Rosa

Ein Porträt Jochen Keßler-Rosas ohne einen Blick auf sein politisches Engagement wäre unvollständig. Auf der Liste der CSU wurde er 1996 in den Stadtrat gewählt, kandidierte mit Blick auf gewachsene berufliche Aufgaben für die nächste Periode jedoch nicht mehr.
Als ihn die damalige Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser gefragt habe, ob er sich als OB sehen könnte, habe er das auch gewollt, "als Fortsetzung meiner Arbeit". Es war bei einer Vorstandssitzung der CSU im Haus der DJK, als ihm klar geworden sei, dass gegen ihn gearbeitet wurde, ohne dass er dies bemerkt habe. Als in St. Kilian nominiert wurde, weitere Kandidaten waren der heutige OB Sebastian Remelé und Stadtrat Rüdiger Köhler, habe er zurückgezogen. Das Ganze habe ihn zwar gekränkt, "mein Leben jedoch nicht geändert."
Zum Bruch mit der CSU kam es nach der Eröffnung der Unterfrankenschau 2010, als die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer abfällige Bemerkungen über Migranten und Langzeitarbeitslose gemacht habe. Keßler-Rosa ging dann zu den Freien Wählern (FW), wo man frei denken könne. Für eine Periode saß er bis 2014 für die FW im Bezirkstag. Dass er bei der Stadtratswahl vor zwei Jahren knapp scheiterte, hat überrascht.
Quelle: kör
 
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