Hubert Klinkel freut sich über den Besuch, das sagen unzweifelhaft die freundlichen Augen des weißbärtigen Mannes, als er den Reporter vor seinem Haus in der Handthaler Dorfmitte begrüßt. Er fragt zuvorkommend, ob ein Kaffee genehm sei, der Reporter bejaht, aber fügt an, dass er in etwas mehr als einer Stunde zum nächsten Termin müsse, vielleicht könnte man doch erst den Rundgang über das Anwesen machen? Klinkel seufzt. Diese Eile, dieser Druck. Hektik hier, Hektik da. Keine Zeit, keine Muße.
Wie er, der 81-jährige Künstler, in einer Stunde sein Lebenswerk, seinen Werdegang, seine Ideen, sein Schaffen und Tun, seine Philosophie denn da näher bringen solle? Geht das überhaupt? Geht freilich nicht, aber muss, sagt der Reporter und bittet um Verständnis, bekommt es aber nicht. Stattdessen ein sanftes Lächeln, das Enttäuschung und Vergebung zugleich ausdrückt. "Na, dann kommen Sie mal mit", sagt Klinkel. "Ich bin ein Mann von gestern. Die Welt ist heute anders."
Um auf diesen Satz angemessen zu reagieren, müsste der Reporter Klinkels Angebot nun doch annehmen, es bräuchte also einen Kaffee und mindestens eine Stunde Zeit, bevor überhaupt das erste Foto in der Künstlerwerkstatt gemacht ist, um Gottes Willen, am Ende könnte sich ein tiefsinniges Gespräch entwickeln. So weit darf es nicht kommen (Termindruck), also belässt es der Reporter bei einem verlegenen "Hmm", nimmt Klinkels zweites Angebot an und kommt mit.
Das Lebenswerk eines Bildhauers
In dem Hof des Künstlers sind einige Skulpturen aufgestellt, Klinkel hat sie in den vielen Jahren seines Schaffens als Bildhauer gefertigt, einige davon hat er in den 1960er und 1970er-Jahren fertig gestellt, manche Arbeiten hat er lange Zeit unvollendet ruhen lassen und sie erst, wie er es beschreibt, nach seiner "Rückbesinnung auf die Bildhauerei" ab dem Jahr 2006 wieder aufgegriffen und vollendet.
Kunst braucht eben Zeit und dazwischen kann man seinen Horizont in eine andere Richtung erweitern, was Klinkel auch gemacht hat: Rund 30 Jahre lang hat er prägefertige Modelle für Münzen und Medaillen aus Gips modelliert. Seine Werke gewannen bei bundesweiten Wettbewerben Preise, viele seiner Münzen wurden geprägt und zum Beispiel als D-Mark-Sammel- oder Gedenkmünzen ausgegeben. Nebst Sammlerstücken waren auch ganz normale D-Mark-Münzen mit Klinkelscher Prägung im Umlauf, so etwa ein 2-Mark-Stück mit dem Konterfei Willy Brandts auf der Bildseite, die Ausgabe der Münze datiert auf das Jahr 1994 zurück.
Kunst im Geldbeutel
So ist es also gut möglich, dass der eine oder andere Leser dieses Artikels ganz unbewusst schon ein Werk des Handthaler Medailleurs Hubert Klinkel mit sich herumgetragen hat, nur um es dann beim Bäcker gegen eine Tüte Brötchen einzutauschen. Wohlgemerkt ein sehr zweckhafter Tausch, wenn der Magen knurrte, denn so schön die Münze auch gestaltet war, es dürften nur wenige probiert haben, sie zu essen.
Nun war aber auch Hubert Klinkel längst nicht satt, was seine Entwicklung als Künstler angeht, er suchte sich immer wieder neue Herausforderungen. Er hält ein kleines, rundliches Gefäß in der Hand. "Was Sie hier sehen, ist keine gewöhnliche Teeschale", erklärt er. Es handle sich um eine Chawan, wie die Teeschalen in Japan heißen. "Ich bin sehr vertraut mit japanischer Teekeramik. Diese ganze Welt fasziniert mich", sagt Klinkel. Also habe er sich mit der Fertigungstechnik intensiv auseinandergesetzt und begann in den 1990er-Jahren nach langer Vorbereitung damit, selbst Chawan herzustellen. Er sei deswegen natürlich nicht zum Zen-Menschen geworden oder zum Japaner, "aber mich interessiert diese Keramik".
Was Keramik betrifft, hat Klinkel Ende der 1980er-Jahre damit begonnen, das Töpfern zu erlernen. Er stellte Irdenware (bei niedriger Temperatur gebrannte Keramikgefäße) nach dem Formenkanon der Altbayerischen Hafnerware her, die von ihm getöpferten Teller, Töpfe, Krüge und Schüsseln hat er in seiner Glasur-Werkstatt perfektionistisch vollendet, manchmal dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis er die richtige Farbgebung einer Glasur ausgearbeitet hatte, erzählt er. Er zeigt dem Reporter eine Auswahl seiner Werke, die in Regalen seiner Werkstatt hinten im Garten aufgereiht sind.
Entscheidungsfrage: Maler oder Bildhauer?
Dass der in Cochem an der Mosel (Rheinland-Pfalz) geborene Klinkel ein Leben als Künstler wählen würde, das war ihm übrigens früh schon "ganz klar", wie er erzählt. Er habe nur nicht gewusst: "Will ich Maler werden oder Bildhauer?" Als er dann auf dem Titelbild einer Kunstzeitschrift die elegante Plastik eines Kopfes erblickte, war Klinkel wie vom Blitz getroffen. "Wer hat das gemacht?", fragte er sich. Der gesuchte Künstler, den Klinkel damals für sich entdeckte, hieß Hans Wimmer und er war Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Nun musste Klinkel nicht mehr grübeln, ob er Maler werden wollte, denn für ihn stand fest, dass er Wimmer als Lehrmeister haben wollte. Es traf sich gut, dass dieser Wimmer in Nürnberg lehrte, aber "für den wäre ich um die ganze Welt gereist", sagt Klinkel. Schließlich habe er dem renommierten Professor einen Brief geschrieben und gefragt, ob er sich vorstellen dürfe. Dann fuhr er nach Nürnberg, wurde in die Akademie aufgenommen und schließlich Meisterschüler bei Hans Wimmer.
Die liebe Zeit
Seit 1992 wohnt Hubert Klinkel nun mit seiner Frau Brigitte, die seit 1987 als Märchenerzählerin arbeitet, in Handthal. Die Wirkungsstätte der vergangenen fast 30 Jahre zeugt in jeder Ecke von dem künstlerischen Schaffensdrang des Paares. Gefragt, ob er sich in seinem hohen Alter noch einmal der Bildhauerei zuwenden wolle, erklärt Hubert Klinkel: "Ich überlege, ob ich noch eine neue Plastik anfertige. Ich brauche aber sehr lange." Da bemerkt der Reporter, dass er spät dran ist und findet es ganz unangenehm, dass er das Gespräch etwas abrupt abbrechen muss. Dabei gab es noch so viel zu erzählen. "Dann nehmen Sie sich wenigstens die Zeit beim Schreiben", sagt Klinkel, lächelt und winkt freundlich zum Abschied.