Seit Jahren ist die Forensik am Bezirkskrankenhaus Schloss Wernecküberbelegt. Psychisch kranke und drogenabhängige Straftäter, die vom Gericht als nicht oder nur teilweise schuldfähig eingestuft werden, sind hier unter strengen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. In der bayerischen Forensik sind übrigens fast nur Männer Patienten.
Die Erweiterung der Forensik in Werneck kostet 35,5 Millionen Euro
Um für Entspannung bei der Platznot und für noch bessere Therapiemöglichkeiten zu sorgen, erweitert jetzt der Bezirk Unterfranken für 35,5 Millionen Euro das bisherige Forensikgebäude im Schlosspark.
"Maßregelvollzug" nennt man im Gegensatz zum Strafvollzug die Unterbringung der forensischen Patienten, die eben nicht Insassen – wie in einem Gefängnis – genannt werden. Die Therapie steht hier im Mittelpunkt. Es sind Patienten, die nach den Paragrafen 63 und 64 des Strafgesetzbuchs hier sind: Die "63er", weil sie psychisch krank sind, deshalb eine Tat begangen haben und bei denen die Gefahr besteht, dass sie es wieder tun. Die "64er", weil für sie als Drogen- oder Alkoholabhängige das Gleiche gilt.
Der Maßregelvollzug ist eine staatliche Aufgabe, die der Freistaat Bayern den Bezirken übertragen hat, erläuterte beim Spatenstich zum Erweiterungsbau Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel. Angegliedert ist diese Unterbringung und Therapie an die psychiatrischen Krankenhäuser und Entziehungsanstalten. Deshalb tritt auch der Bezirk Unterfranken als Bauherr für den Erweiterungsbau im Wernecker Schlossareal auf, die Kosten trägt der Freistaat.
Zwei Ziele: Patienten behandeln und Sicherheit der Bevölkerung garantieren
Ziel der Forensik ist es zum einen, die Störungen der Patienten zu behandeln und sie auf ein straffreies Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Zum anderen ist die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren – eine doppelte Herausforderung für die Bezirke, wie Dotzel sagte.
Das jetzige forensische Krankenhaus, der Bau J, wurde 2004 gebaut und war ursprünglich für 44 Betten konzipiert, dann auf 62 Patienten ausgerichtet. Die Überbelegung ließ schon 2014 bei den Verantwortlichen an eine Erweiterung denken, trotz Schaffung einer zusätzlichen offenen Station 2007 in Modulbauweise neben dem Haus, erinnerte Forensik-Leiter Dr. Roland Schaumann. 2017 beschloss dann der Bezirkstag, den Erweiterungsbau mit 48 Betten sowie einem größeren Raumangebot für Therapien, besonders für Sport und Bewegung.
Bau gut 9,5 Millionen teurer als geplant
Ursprünglich mit 26 Millionen Euro kalkuliert, verteuerte sich das Vorhaben während der Planung auf voraussichtliche 35,5 Millionen Euro. Die Gründe laut Dotzel und Architekt Tobias Schwarz von ATP Architekten und Ingenieure (Nürnberg): Immer neue Sicherheitsanforderungen staatlicherseits, ein mittlerweile anderer Umgang mit den Patienten, was andere Therapien und Räume verlangt, und eine über 15-prozentige Preissteigerung am Bau.
Wie sehr eine Überbelegung des forensischen Krankenhauses – übrigens in allen Häusern in Deutschland – den Heilungsprozess behindert und Patienten wie Mitarbeiter belastet, erläuterte Landtagsabgeordneter Steffen Vogel (CSU, Haßberge). Er ist seit 2016 Vorsitzender des damals neu installierten Beirats des Maßregelvollzugs in Werneck.
Wenn Patienten in Einzelzimmern zu zweit oder gar zu dritt wohnen müssen, sitzen sie zu nahe aufeinander, das Aggressionspotential steigt. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, ihre Bürgerinnen und Bürger in ihrer Erkrankung zu heilen mit dem Ziel, dass sie nicht mehr straffällig werden, sagte Vogel. Die 35 Millionen Euro seien daher gut angelegtes Geld.
Töpper: Der Wert des Individuums wird bejaht
Es gehe darum, wie eine Gesellschaftsordnung mit solchen Menschen umgehe, unterstrich auch Landrat Florian Töpper mit Hinweis auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das unterscheide demokratische von totalitären Staaten und Gesellschaften: Bei uns werde der Wert des Individuums bejaht, der Umgang und die Unterbringung der psychisch kranken Straftäter entsprechend im Maßregelvollzug und nicht im Strafvollzug geregelt.
"Die Forensik hat sich verändert", konstatierte Dr. Dorothea Gaudernack, Leiterin des Bayerischen Amts für Maßregelvollzug und damit die Fachaufsicht der Forensik. Der Zustrom von drogensüchtigen Patienten nach Paragraf 64 dürfe nicht ungebremst weitergehen, der Freistaat Bayern drängt beim Bund auf eine Reform. Denn eine Überbelegung wirke sich auf das Stationsklima aus, gerade bei kleinen Kliniken. Diese haben eine Aufnahmeverpflichtung, können also eingewiesene Patienten nicht ablehnen.
Auch die Patientenstruktur habe sich verändert, so Gaudernack. Psychisch Kranke nach Paragraf 63 seien häufig schwerstkrank und bekämen erstmals hier im Maßregelvollzug überhaupt eine Therapie. Wichtig sei daher die Haltung, die die Beschäftigten einnehmen. Als Herausforderung bezeichnete sie allerdings den Fachkräftemangel sowie das Spannungsfeld von Sicherheit der Bevölkerung und Freiheit der Patienten. Der Erweiterungsbau gehe auf diese Bedürfnisse ein.