zurück
Werneck
Werneck: 35,5 Millionen für die Erweiterung der Forensik
Psychisch kranke und drogenabhängige Straftäter sind hier unter strengen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. Was die Forensik von einem Gefängnis unterscheidet.
Für 35,5 Millionen wird die Forensik am Bezirkskrankenhaus Schloss Werneck erweitert. Auf diesem Luftbild des Schlossparks Werneck ist die Baustelle für die Erweiterung der Forensik (rechts) bereits erkennbar. Das Bestandsgebäude wird gespiegelt daneben erweitert.
Foto: Quelle: Google Maps | Für 35,5 Millionen wird die Forensik am Bezirkskrankenhaus Schloss Werneck erweitert. Auf diesem Luftbild des Schlossparks Werneck ist die Baustelle für die Erweiterung der Forensik (rechts) bereits erkennbar.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 09.02.2024 09:00 Uhr

Seit Jahren ist die Forensik am Bezirkskrankenhaus Schloss Wernecküberbelegt. Psychisch kranke und drogenabhängige Straftäter, die vom Gericht als nicht oder nur teilweise schuldfähig eingestuft werden, sind hier unter strengen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht. In der bayerischen Forensik sind übrigens fast nur Männer Patienten.

Die Erweiterung der Forensik in Werneck kostet 35,5 Millionen Euro

Um für Entspannung bei der Platznot und für noch bessere Therapiemöglichkeiten zu sorgen, erweitert jetzt der Bezirk Unterfranken für 35,5 Millionen Euro das bisherige Forensikgebäude im Schlosspark.

"Maßregelvollzug" nennt man im Gegensatz zum Strafvollzug die Unterbringung der forensischen Patienten, die eben nicht Insassen – wie in einem Gefängnis – genannt werden. Die Therapie steht hier im Mittelpunkt. Es sind Patienten, die nach den Paragrafen 63 und 64 des Strafgesetzbuchs hier sind: Die "63er", weil sie psychisch krank sind, deshalb eine Tat begangen haben und bei denen die Gefahr besteht, dass sie es wieder tun. Die "64er", weil für sie als Drogen- oder Alkoholabhängige das Gleiche gilt.

Beim Spatenstich zum Erweiterungsbau der Forensik Werneck waren dabei: (von links) Wernecks Bürgermeister Sebastian Hauck, Landrat Florian Töpper, MdL Steffen Vogel, Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Dr. Dorothea Gaudernack, Dr. Roland Schaumann, Krankenhausdirektor Alfred Stäblein, Architekt Tobias Schwarz, die Bezirksräte Eva-Maria Linsenbreder und Stefan Funk.
Foto: Silvia Eidel | Beim Spatenstich zum Erweiterungsbau der Forensik Werneck waren dabei: (von links) Wernecks Bürgermeister Sebastian Hauck, Landrat Florian Töpper, MdL Steffen Vogel, Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, Dr.

Der Maßregelvollzug ist eine staatliche Aufgabe, die der Freistaat Bayern den Bezirken übertragen hat, erläuterte beim Spatenstich zum Erweiterungsbau Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel. Angegliedert ist diese Unterbringung und Therapie an die psychiatrischen Krankenhäuser und Entziehungsanstalten. Deshalb tritt auch der Bezirk Unterfranken als Bauherr für den Erweiterungsbau im Wernecker Schlossareal auf, die Kosten trägt der Freistaat.

Zwei Ziele: Patienten behandeln und Sicherheit der Bevölkerung garantieren

Ziel der Forensik ist es zum einen, die Störungen der Patienten zu behandeln und sie auf ein straffreies Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. Zum anderen ist die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren – eine doppelte Herausforderung für die Bezirke, wie Dotzel sagte.

Das jetzige forensische Krankenhaus, der Bau J, wurde 2004 gebaut und war ursprünglich für 44 Betten konzipiert, dann auf 62 Patienten ausgerichtet. Die Überbelegung ließ schon 2014 bei den Verantwortlichen an eine Erweiterung denken, trotz Schaffung einer zusätzlichen offenen Station 2007 in Modulbauweise neben dem Haus, erinnerte Forensik-Leiter Dr. Roland Schaumann. 2017 beschloss dann der Bezirkstag, den Erweiterungsbau mit 48 Betten sowie einem größeren Raumangebot für Therapien, besonders für Sport und Bewegung.

Bau gut 9,5 Millionen teurer als geplant

Ursprünglich mit 26 Millionen Euro kalkuliert, verteuerte sich das Vorhaben während der Planung auf voraussichtliche 35,5 Millionen Euro. Die Gründe laut Dotzel und Architekt Tobias Schwarz von ATP Architekten und Ingenieure (Nürnberg): Immer neue Sicherheitsanforderungen staatlicherseits, ein mittlerweile anderer Umgang mit den Patienten, was andere Therapien und Räume verlangt, und eine über 15-prozentige Preissteigerung am Bau.

Der Erweiterungsbau der Forensik in Werneck wird zum Bestandsgebäude (rechts am Bildrand) gespiegelt und mit diesem mit einem Flachbau mit zentralem Eingang verbunden. Im entstehenden Innenhof ist Sport- und Bewegungstherapie möglich.
Foto: Animation: ATP Architekten | Der Erweiterungsbau der Forensik in Werneck wird zum Bestandsgebäude (rechts am Bildrand) gespiegelt und mit diesem mit einem Flachbau mit zentralem Eingang verbunden.

Wie sehr eine Überbelegung des forensischen Krankenhauses – übrigens in allen Häusern in Deutschland – den Heilungsprozess behindert und Patienten wie Mitarbeiter belastet, erläuterte Landtagsabgeordneter Steffen Vogel (CSU, Haßberge). Er ist seit 2016 Vorsitzender des damals neu installierten Beirats des Maßregelvollzugs in Werneck.

Wenn Patienten in Einzelzimmern zu zweit oder gar zu dritt wohnen müssen, sitzen sie zu nahe aufeinander, das Aggressionspotential steigt. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, ihre Bürgerinnen und Bürger in ihrer Erkrankung zu heilen mit dem Ziel, dass sie nicht mehr straffällig werden, sagte Vogel. Die 35 Millionen Euro seien daher gut angelegtes Geld.

Töpper: Der Wert des Individuums wird bejaht

Es gehe darum, wie eine Gesellschaftsordnung mit solchen Menschen umgehe, unterstrich auch Landrat Florian Töpper mit Hinweis auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das unterscheide demokratische von totalitären Staaten und Gesellschaften: Bei uns werde der Wert des Individuums bejaht, der Umgang und die Unterbringung der psychisch kranken Straftäter entsprechend im Maßregelvollzug und nicht im Strafvollzug geregelt.

Eingezäunt und gesichert ist die Baustelle für den Erweiterungsbau der Forensik im Schlosspark Werneck, angrenzend an das bestehende Krankenhaus für psychisch kranke Straftäter.
Foto: Silvia Eidel | Eingezäunt und gesichert ist die Baustelle für den Erweiterungsbau der Forensik im Schlosspark Werneck, angrenzend an das bestehende Krankenhaus für psychisch kranke Straftäter.

"Die Forensik hat sich verändert", konstatierte Dr. Dorothea Gaudernack, Leiterin des Bayerischen Amts für Maßregelvollzug und damit die Fachaufsicht der Forensik. Der Zustrom von drogensüchtigen Patienten nach Paragraf 64 dürfe nicht ungebremst weitergehen, der Freistaat Bayern drängt beim Bund auf eine Reform. Denn eine Überbelegung wirke sich auf das Stationsklima aus, gerade bei kleinen Kliniken. Diese haben eine Aufnahmeverpflichtung, können also eingewiesene Patienten nicht ablehnen.

Auch die Patientenstruktur habe sich verändert, so Gaudernack. Psychisch Kranke nach Paragraf 63 seien häufig schwerstkrank und bekämen erstmals hier im Maßregelvollzug überhaupt eine Therapie. Wichtig sei daher die Haltung, die die Beschäftigten einnehmen. Als Herausforderung bezeichnete sie allerdings den Fachkräftemangel sowie das Spannungsfeld von Sicherheit der Bevölkerung und Freiheit der Patienten. Der Erweiterungsbau gehe auf diese Bedürfnisse ein.

Erweiterungsbau der Forensik Werneck

Im Schlosspark Werneck wird angrenzend an das bestehende, L-förmige Forensikgebäude ein neues dreistöckiges Haus spiegelverkehrt gebaut. 48 neue Betten in Ein-und Zwei-Bett-Zimmern entstehen. Insgesamt steigt die Bettenzahl dann auf 92. Die beiden L-förmigen Gebäude bilden einen U-förmigen Bau, in dessen großem Innenhof Sport- und Bewegungstherapie ermöglicht wird. Im Erdgeschoss des Erweiterungsbaus sind Therapieräume und Werkstätten, etwa für Holz und Metall, vorgesehen sowie die Ver- und Entsorgung des Hauses. Außerdem wird für eine zweistöckige Einfachsporthalle das Erdgeschoss um ein weiteres Stockwerk abgesenkt. Ein Verwaltungstrakt wird als erdgeschossiger Anbau errichtet. Zwischen dem Bestands- und dem Erweiterungsbau entsteht ein verbindender Flachbau, der den neuen zentralen Eingang für beiden Gebäudeteile enthält. In Sichtweite des Barock-Schlosses wurden Auflagen des Denkmalschutzes beachtet. Die Fassade des Erweiterungsbaues wird dem Bestandsbau angepasst. Das Dach soll mit Titanzink gedeckt werden, um mit dem Dach des Schlosses zu harmonieren. Problematisch war bei der Planung, Lösungen für Hochwasser sowie einen nicht tragfähigen Baugrund zu finden. Herausfordernd wird zudem die Baustelle bei laufendem Betrieb der jetzigen Forensik. Das neue Gebäude mit einer Nutzfläche von 2900 Quadratmetern und einer Bruttogeschossfläche von 7000 Quadratmetern soll im zweiten bis dritten Quartal 2025 in Betrieb gehen.
Quelle: sia
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Werneck
Silvia Eidel
Association of Tennis Professionals
Bauherren
CSU
Entziehungskliniken
Erwin Dotzel
Florian Töpper
Forensik
Maßregelvollzug
Patienten
Steffen Vogel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top