
Die Visite an einem Krankenbett in der Geomed-Klinik wirkt auf den ersten Blick recht gewöhnlich. Zwei Ärzte erkundigen sich nach dem Befinden eines Patienten, die Krankenschwestern verfolgen das Gespräch sichtlich aufmerksam. Bei einer Nachfrage des Oberarztes an das Pflegeteam muss die sehr junge Kollegin kurz überlegen, sie wirkt leicht nervös. Einige Sekunden später kommt die Antwort. Der Arzt, so scheint es, ist zufrieden.
Dass es sich nicht wie üblich um eine examinierte Pflegefachkraft handelt, fällt zunächst nicht weiter auf. Für zehn Tage führen ein Dutzend Auszubildende der Berufsfachschule für Pflege des Zweckverbandes Haßfurt/Schweinfurt die Station C 2 der Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie. An dem Projekt "Azubis leiten eine Station" nimmt die Geomed-Klinik erstmals teil.
"Am Anfang waren wir alle sehr nervös"
Zu deren Hauptaufgaben gehört beispielsweise die Betreuung der Visiten. Das berichten Lisa Schenk und Larissa Niehaus, die von ihren Kursmitgliedern als Stationsleitungen ausgewählt wurden, bei einem Besuch der Redaktion. Beide absolvieren seit 2022 eine Pflegeausbildung. Im nächsten Jahr werden sie den dreijährigen Kurs an der Berufsfachschule nach bestandenen Prüfungen als ausgebildete Pflegefachkräfte abschließen.

"Am Anfang waren wir alle sehr nervös", erinnert sich Niehaus während einer Verschnaufpause im Stationszimmer. Die Anspannung habe sich aber von Tag zu Tag gelegt, es sei mehr Routine in den Tagesablauf gekommen. Die junge Frau ist darüber erleichtert. Lisa Schenk, die nebenan am Schreibtisch sitzt, nickt zustimmend.
Sie ist gerade mit der Übernahme eines Patienten von der Intensivstation beschäftigt. Als sie sich durch zahllose Blätter mit ärztlichen Angaben, unter anderem zu Infusionen, Medikation und was schon zur späteren Entlassung zu regeln ist, kämpft, klingelt das Stationstelefon. Und nur wenige Momente später steht ein Mitarbeiter des BRK-Fahrdiensts vor der Tür. Er soll eine Patientin abholen und zurück ins Pflegeheim zu bringen. Währenddessen wird das Mittagessen angeliefert.
Es gibt einiges zu tun auf der Station. Die Auszubildenden werden dabei vom dortigen Pflegefachteam unterstützt. Darauf weist Praxisanleiterin Martina Brand hin. Bei dem Praxisprojekt sollen die Nachwuchskräfte wertvolle berufliche Erfahrungen sammeln und die Möglichkeit erhalten, Verantwortung zu übernehmen.
Leitung eines erfahrenen Pflegeteams übernommen
Larissa Niehaus, Lisa Schenk und zehn weitere Azubis haben in ihrem letzten Ausbildungsjahr eines deutlich gespürt: "Man hat jetzt nicht mehr so einen Welpenschutz wie im ersten Lehrjahr", meint Niehaus. Zuschauen und ausprobieren unter Anleitung, das war sonst in der Ausbildung angesagt.
Jetzt müssen sie eine Station führen, Aufgaben selbständig strukturieren und Arbeiten delegieren. Zusätzlich zu Visiten, Pflegearbeit, Aufnahmen und Entlassungen sind die Nachwuchskräfte auch für den Dienstplan und die gesamte Organisation rund um das 14-köpfige Pflegeteam verantwortlich.

Ins kalte Wasser geworfen zu werden, hat aber auch seine Vorteile, glaubt die Azubi-Stationsleiterin Larissa Niehaus: "Ich würde sagen, das hilft vielen, einfach aus der Komfortzone herauszukommen." Viele hatten anfangs großen Respekt vor manchen Aufgaben, zum Beispiel bei Visiten mit den Ärztinnen und Ärzten zu sprechen oder "den Ärzten sagen, dass die eine oder andere Unterschrift fehlt", ergänzt Schenk. Schnell schiebt sie einen Satz nach: "Sie kommen uns sehr entgegen und unterstützen uns."
Verantwortlich für zehn Patienten in vier Zimmern
Bei allem steht die Sicherheit der Patientinnen und Patienten im Vordergrund, betont Martina Brand. Obwohl die Auszubildenden auf der Station C 2, wo sie vier Zimmer mit zehn Patienten betreuen, eigenständig arbeiten dürfen, werfen die Praxisanleiterin und erfahrene Krankenschwestern einen prüfenden Blick auf das Handeln der Jüngeren. Etwa bei Medikamenten oder Visiten herrscht ein Vier-Augen-Prinzip.
Doch meist lässt es Martina Brand zunächst laufen, die meisten Fehler würden später besprochen. "Wir wollen, dass sie durch Erfahrungen lernen und nicht dauernd gesagt bekommen, das und das ist falsch." Erfreulich ist aus ihrer Sicht außerdem, täglich zu sehen, wie stolz die Azubis für jeden Dienst sind, den sie alleine geschafft haben.

An die neuen Abläufe musste sich das C 2-Team erst einmal gewöhnen. Pflegefachkraft Svenja Umhöfer macht keinen Hehl daraus, dass es zu Beginn sehr ungewohnt gewesen sei. Gleichwohl versteht sie, dass jeder seine eigenen Erfahrungen machen müsse. Ein solches Praxisprojekt gab es zur Zeit ihrer Ausbildung noch nicht. "Das hätte ich mir auch gewünscht."
Sehr zufrieden mit dem Projekt "Azubis leiten eine Station" ist der Oberarzt der Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie in der Geomed-Klinik, Belal Najjar. Das eigenständige Arbeiten hält er für eine gute Vorbereitung auf die Krankenpflege. Einer Wiederholung steht er offen gegenüber. Ebenso äußern sich Praxisanleiterin Martina Brand und Geschäftsführer Wolfgang Schirmer.
Patienten haben sich "immer sicher gefühlt"
Bei Patientinnen und Patienten kommen die "neuen Chefs" gut an. Michael Schott und Hans Peter Heinz, die sich ein Zimmer teilen, sind hellauf begeistert von dem Engagement der Azubis. Alle seien sehr freundlich und hilfsbereit, auch fachlich sei alles gut, bestätigen die beiden Herren unisono. "Ich habe mich immer sicher gefühlt", sagt Heinz. Für ihn ist es ein "Super-Ausbildungsprojekt".

Es ist kurz vor Schichtende um 13.30 Uhr. Lisa Schenk und Larissa Niehaus sitzen im Stationszimmer zusammen. Sie bereiten die Übergabe für die Spätschicht vor. Es war ein "recht stressiger Arbeitstag", bilanziert Niehaus, mit vielen Aufnahmen und Entlassungen; dazu hat ein Krankheitsausfall den Dienstplan durcheinander gewirbelt. "Aber wir haben es gut hinbekommen", meint Lisa Schenk.
Larissa Niehaus ist überzeugt, wichtige Erfahrungen für das spätere Berufsleben mitzunehmen: "Das Projekt bringt einen sehr großen Mehrwert, auch für die Teamarbeit."